LSAP-Nationalkongress / Konsequent gegen die autoritär-liberal-konservative Rechte
Den mehr oder weniger heftigen Streit, den es im Vorfeld des Kongresses auf verschiedenen zu besetzenden Posten in den Führungsgremien der LSAP gab (wir berichteten), versteckte die Partei gekonnt während ihres Nationalkongresses am Samstag. Die Delegierten gaben den beiden Co-Präsidenten Francine Closener und Dan Biancalana ihre Stimmen für ein weiteres Mandat und Sacha Pulli konnte sich mit knapp 58 Prozent gegen Amir Vesali als Nachfolger von Tom Jungen und neuer Generalsekretär der Partei durchsetzen.
Hätte nicht Juso-Sprecher Max Molitor es zum Ende des Kongresses für notwendig erachtet, den älteren Parteikollegen, vor allem jenen, „die sich mit Parteiinterna an die Presse wenden mussten“, rhetorisch den Kopf zu waschen, wäre der Zoff im Vorfeld wenig informierten Delegierten wohl komplett verborgen geblieben. Dass ein angedachtes neues Führungsduo Paulette Lenert/Georges Engel nicht zur Wahl antrat und die bisherigen Co-Präsidenten ihre Mandate mit 82,76 Prozent (Biancalana) bzw. 73,56 Prozent (Closener) der abgegebenen Stimmen verlängerten, dass Sacha Pulli sich nach einer Kampfabstimmung (die beide nicht als solche sehen wollten) gegen Amir Vesali durchsetzte, ließ nur erahnen, dass es im Vorfeld personelles, programmatisches resp. geografisch bedingtes internes Tauziehen gab.
Rekord an neuen Mitgliedern
Nur hinter vorgehaltener Hand wurde der Streit dem Tageblatt gegenüber bestätigt und das Fernbleiben von Georges Engel vom Kongress hatte definitiv nichts mit Meinungsverschiedenheiten zu tun: Engels Mutter ist kurz vor dem Kongress verstorben; das Tageblatt entbietet sein Beileid.
Politisch ging es vor allem in der gemeinsamen Ansprache der beiden Präsidenten zu. Closener und Biancalana verwiesen auf die zahlreichen neuen Mitglieder der Partei – allein in den vergangenen 18 Monaten konnten 700 neue Parteikarten ausgestellt werden. Hundert Mitglieder haben sich inzwischen in verschiedene Arbeitsgruppen eingeschrieben, deren Schlussfolgerungen ganz basisdemokratisch in ein neues Grundsatzprogramm (das aktuelle ist 23 Jahre alt) einfließen sollen, das wiederum die Basis für das künftige Wahlprogramm bilden soll.
Die Partei wählt demnach eine Vorgehensweise, die auf konsequente Einbindung der einzelnen Mitglieder setzt und stark an jene Methode erinnert, mit der Claude Wiseler noch vor wenigen Jahren die CSV aus dem Negativtrend holen wollte – dies, ehe der „neue Luc“ aus dem christlich-sozialen Hut gezaubert wurde.
Einen Negativtrend erlebt die LSAP allerdings keineswegs. Sowohl bei den Gemeindewahlen als auch bei den Parlamentswahlen und zuletzt auf spektakuläre Weise bei der Europawahl (plus zehn Prozent Stimmenanteil) konnten die Sozialisten zulegen. Der Frust darüber, dass die Partei sich national trotzdem in der Opposition wiederfand und keinen zusätzlichen Politiker ins Europaparlament entsenden konnte, scheint inzwischen einigermaßen überwunden. Die LSAP ist in der Opposition angekommen (siehe auch das am Freitag veröffentlichte Tageblatt-Gespräch mit den beiden Präsidenten) und spart nicht mit Angriffen auf die autoritär auftretende liberal-konservative Regierung, die sich mittlerweile nicht mehr geniere, im Parlament mit den Rechtsaußen der ADR abzustimmen.
Es gelte, die Rechte genau zu beobachten: Als Negativbeispiel ihres Benehmens in Zeiten europaweit grassierenden Neofaschismus nannten die LSAP-Präsidenten das plumpe Warnen vor linken Parteien, nachdem es einer geeinten Linken in Frankreich gelungen war, einen Wahlsieg des rechtsextremen Rassemblement National zu verhindern.
Eine Regierung vieler Dilettanten
In der CSV-DP-Regierung sieht die LSAP-Spitze eine Gruppe mit vielen Dilettanten, die autoritär auftreten, um ihre fehlende Kompetenz zu verstecken. Innenminister Gloden, Erziehungsminister Meisch und Premier Frieden bekamen während des Kongresses die meiste sozialdemokratische Schelte. Armutsbekämpfung, die prozedural geschehen soll, fehlende Chancengleichheit in den Schulen, wo die Diplome immer noch in direkter Beziehung zur sozialen Herkunft stünden, ungeeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot und eine Klimapolitik, die Frieden „entspannter“ angehen möchte, waren die Hauptangriffspunkte während des Kongresses. Gespannt sei man vor allem darauf, wie entspannt der „CEO“ das nächste Hochwasser oder den nächsten Tornado in Luxemburg betrachten werde.
Im Vorfeld der Rede der Co-Präsidenten hatte der scheidende Generalsekretär Tom Jungen auf die jüngsten elektoralen Erfolge zurückgeblickt und betont, die Periode der Opposition sei als permanenter Wahlkampf zu verstehen. Er wurde nach fünf Jahren auf dem Posten mit stehenden Ovationen und einigen Geschenken verabschiedet.
Dann wurde noch eine ursprünglich von Amir Vesali ausgearbeitete Resolution vom Kongress ohne großes Aufheben angenommen, die eigentlich in der Essenz das verlangt, was Biancalana und Closener angekündigt hatten: eine Stärkung der Strukturen und die Einbindung und Information der Mitglieder sowie die Gründung einer „LSAP-Akademie“ sowie eine verstärkte Vernetzung mit der Zivilgesellschaft.
Weiter war der Kongress von zahlreichen Wahlen zur Parteileitung und zur Kontrollkommission geprägt. Maxime Miltgen konnte sich souverän gegen drei Mitbewerber durchsetzen und wird neue Vizepräsidentin der Partei. Auffallend waren zudem mehrere Wortmeldungen junger Mitglieder, von denen einige sich als talentierte Redner bewiesen: Die Zukunft der Partei scheint demnach nicht nur durch die wachsende Mitgliederzahl und gutes Abschneiden bei Wahlen, sondern auch durch neue politische Talente gesichert. Mittelfristiges Ziel der LSAP ist es, den noch fehlenden Prozentpunkt gegenüber der CSV bei Parlamentswahlen aufzuholen und so nach vielen Jahrzehnten stärkste Partei in Luxemburg zu werden.
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