Escher Haushaltsdebatten / Konstruktive Marathon-Sitzung: Reden ist Gold, Schweigen ist Silber
Rekordverdächtige sechs Stunden debattierte der Escher Gemeinderat am Mittwoch über den Haushalt, der schlussendlich mit den Stimmen der Mehrheit angenommen wurde. Lediglich die erstmals im kommunalen Gremium vertretenen Piraten hatten nichts zu der unter dem Strich konstruktiven und sachlichen Diskussion beizutragen. Vor allem das Kultur-Budget, der Wohnungsbau, die Schulpolitik sowie die Kostenexplosion bei Projekten wie dem Ausbau der Lallinger Sporthalle standen im Mittelpunkt der Reden.
LSAP-Rat Sacha Pulli fehlte bei der kurzfristig verschobenen Escher Budget-Debatte wegen beruflicher Verpflichtungen, seine Parteikollegin Liz Braz musste wegen eines dringenden Termins die Sitzung vorzeitig verlassen. Obwohl also zwei Redner fehlten, dauerte die Debatte rekordverdächtige sechs Stunden, ehe die Haushalte mit jeweils zehn Ja- und neun Nein-Stimmen verabschiedet wurden. Vor dem Versammlungssaal war sogar ein Mittagsbuffet aufgebaut worden, was zur Folge hatte, dass Dejvid Ramdedovic (CSV) und auch Schöffe Meris Sehovic („déi gréng“) ihre Interventionen vor einer Handvoll Räten hielten. Wegen terminlicher Probleme aufgrund des Wechsels auf dem Bürgermeisterstuhl waren aus drei Budget-Sitzungen zwei gemacht worden, sodass am Mittwoch neben den Reden der Räte auch die Antworten des Schöffenrats und die Abstimmung die Sitzung verlängerten.
Die Piratin Tammy Broers trug nicht zur Verlängerung der langen Sitzung bei, denn sie verzichtete als einzige Gewählte im Saal auf eine Budgetrede, sehr zur Überraschung von Bürgermeister Christian Weis (CSV). „Ech wollt näischt zum Thema soen, mee mech hei enthalen“, sagte Broers nur, als sie das Wort bekam. Weis hakte einmal nach und die Piratin bestätigte ihre Aussage mit einem „Neen“. Mit Nein stimmte sie dann später auch gegen die Haushalte, genau wie der Rest der Opposition aus LSAP, „déi Lénk“ und ADR.
LSAP
Die sechs Räte der größten Oppositionspartei sparten nicht an Kritik am Haushalt, fanden aber auch einige lobende Worte. „Ich will nicht verheimlichen, dass es mich interessiert hätte, wie das Budget vorher ausgesehen hat“, sagte Fraktionschef Steve Faltz und meinte damit den Wechsel auf dem Bürgermeisterstuhl. Ohne Zweifel wären in einem Haushaltsentwurf des vormaligen Bürgermeisters Georges Mischo weniger Akzente im sozialen Bereich zu finden gewesen. Jedenfalls bedankte sich Faltz für die Offenheit bei der Budget-Vorstellung des neuen Stadtoberhauptes Christian Weis. Trotzdem könne er Weis keinen Welpenschutz gewähren, schließlich sei er als Schöffe „ein Teil der verfehlten Politik“ der letzten Jahre gewesen.
Außerdem sei unter der schwarz-grün-blauen Mehrheit die Diskrepanz zwischen dem Haushaltsentwurf und den tatsächlich realisierten Projekten zu groß gewesen. Zum Beispiel im Wohnungsbau, für den für 2023 18 Millionen Euro im Budget standen, von denen aber lediglich 1,7 Millionen ausgegeben wurden. Ähnlich sei dies beim Hoch- und Tiefbau, während gleichzeitig die Kosten für die Erweiterung der Lallinger Sporthalle mit Parkhaus sowie Park, oder aber die Renovierung der Konschthal explodierten. Für ihn habe Esch nicht nur ein finanzielles, sondern ein strukturelles Problem. Denn einerseits liefen die Kosten „total aus dem Ruder“, und andererseits seien viele Gemeindedienste nicht gut genug aufgestellt. In Sachen sanfter Mobilität fehlt Faltz ein konsequentes Investment in das Zentrum. Kein gutes Haar ließ Faltz zudem an Großveranstaltungen wie den Francofolies und an der Vielzahl der in Auftrag gegebenen Studien. Sein Parteikollege Jean Tonnar hatte ganz genau nachgesehen und 64 Studienaufträge im Budget gezählt. Zweck von Studien sei es oft, zu verstecken, dass nichts gemacht werde, so Tonnar, der zudem die enormen Personalkosten (von 77,8 Mio. 2017 auf 134,4 Mio. 2024) thematisierte und genau wie Ben Funck später die nicht neue Forderung der LSAP nach einem Organigramm wiederholte.
Funck vermisste zudem Impulse in der Seniorenpolitik. Für ihn sei das Aufstellen des Budgets nicht wegen der Krisenzeiten eine Herkules-Aufgabe, wie es Bürgermeister Weis eine Woche zuvor formuliert hatte, sondern auch wegen des Missmanagements der politisch Verantwortlichen. Enesa Agovic wünschte sich eine proaktive und vor allem gerechtere Schulpolitik, bei der man sozio-ökonomische Faktoren einbeziehen müsse. Trotzdem sah sie Ansätze, die nicht schlecht seien, doch wäre der Weg noch weit.
CSV
Fraktionssprecher Pascal Bermes erklärte die Diskrepanz zwischen Haushaltsentwurf und realisierten Projekten mit der Inflation, mit Mehrausgaben und dem Index. Dadurch könne man nicht jedes Projekt zusammen realisieren. Das hieße aber nicht, dass nichts gemacht wurde, was allein die noch ausstehenden Rechnungen für 2023 in Höhe von 20 Mio. € bewiesen. Die Personalaufstockung der Gemeinde rechtfertigte er mit einem immer größeren Arbeitsaufwand und dem Recht der Bürger auf gute Dienste. Die neue Verschuldung sei notwendig, weshalb Bermes dafür plädierte, so viele Wohnungen wie möglich in den Nonnewisen zu verkaufen. Joy Weyrich identifizierte derweil die Wohnungspolitik, die Mobilität und das Soziale als wichtigste Punkte im Haushaltsentwurf. Das Budget zeige, dass der Schöffenrat die aktuellen Herausforderungen annehme. Dejvid Ramdedovic verteidigte die Investitionen in Kultur, Jugend und Sport.
In Namen des Schöffenrats antworteten André Zwally und Bruno Cavaleiro auf die Kritiken der Opposition. In der Tat arbeiteten im Vergleich zu 2017 nun 340 Personen mehr für die Gemeinde, davon seien aber alleine 152 Angestellte für die „maisons relais“. Was die Investitionen betrifft, so sei der Sport nun mal eine Priorität dieses Schöffenrats. Cavaleiro bezeichnete die Politik der Mehrheit nicht als konservativ, sondern in Zeiten multipler Krisen vielmehr als vorsichtig. Bei der Schulinfrastruktur seien die Fehler in der Vergangenheit zu suchen. Bürgermeister Christian Weis meinte zum Schluss, dass die Kritik zur Diskrepanz zwischen geplant und realisiert bereits angekommen sei, wie im Haushaltsentwurf für 2024 abzulesen sei.
DP
Schöffe Pim Knaff verteidigte vehement die Francofolies als wichtigen Pfeiler der Kulturpolitik und wies auf den nachhaltigen Charakter der Veranstaltung hin. Auch die 9,6-Mio.-Investition in die Renovierung der Konschthal sei nötig gewesen. Zuvor hatte Daliah Scholl ebenfalls die Investitionen in die Kultur verteidigt und dabei an das Versprechen an die EU bei der Vergabe des Titels der europäischen Kulturhauptstadt erinnert. Das verpflichte Esch zu einer anhaltenden und nachhaltigen Kulturpolitik. Die Kulturlandschaft würde aus verschiedenen Elementen gebildet, die nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Die Jugend jedenfalls würde sich über die Francofolies freuen, so Scholl.
„déi gréng“
Schöffe Meris Sehovic bezeichnete die Kinder, den bezahlbaren Wohnraum und den Natur- und Klimaschutz als Prioritäten des Haushalts. Die neue Schule auf Rout Lëns soll ein inklusiver Campus werden. Rätin Mandy Ragni hatte zuvor die Nachhaltigkeit thematisiert. 1,6 Mio. € seien allein für Fahrrad-Infrastruktur vorgesehen. So viel wie noch nie, lobte sie die Haushaltsvorlage 2024. Auch die Investitionen in die Grünflächen und Spielplätze seien ein Invest in das Wohlbefinden der Bürger, die zudem den Zusammenhalt der Gesellschaft förderten. Außerdem übernehme der Schöffenrat in Sachen Wohnpolitik seine Verantwortung durch den Ankauf der Wohnungen auf Rout Lëns und die Renovierung der Gemeindewohnungen.
„déi Lénk“
Marc Baum bezeichnete die Haushaltsvorlage als gute Grundlage, sie hätte sogar einen roten Faden. Die neue Bescheidenheit habe aber auch mit dem rektifizierten Budget 2023 zu tun. Weniger als die Hälfte umzusetzen, als im Haushaltsentwurf stand, sei ganz einfach schlecht. Baum stellte einen bedenklichen Mangel an Planungskapazität fest. Da könne es einem angst und bange werden, wenn man an die Zukunft (mit 50% mehr Einwohnern) denke. Er thematisierte die Sozial- und Schulpolitik, die von zu viel nicht eingelösten Versprechen geprägt sei. Und den nach wie vor fehlenden analytischen Bericht der Gemeinderatssitzungen, der ein wichtiges Element der Demokratie sei.
ADR
Demokratie thematisierte auch Bernard Schmit. Das sei, wenn der Bürger entscheide. Er hätte sich mehr zum Thema Sicherheit, Sauberkeit und zur Drogenproblematik im Budget gewünscht. Außerdem kämen die Bereiche Geschichte und Tradition zu kurz. Zu viel werde derweil für die LGBTQ-Gemeinschaft respektive die „Luxembourg Pride“ ausgegeben. Veranstaltungen, Kultur und Sport seien im Budget überproportioniert.
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