Alain spannt den Bogen / Konzertwoche der Extraklasse: Glanzleistungen in der Philharmonie und in Bettemburg
Sie standen im Mittelpunkt der Konzertwoche: zwei stilistisch und besetzungsmäßig grundverschiedene
Aufführungen von den Totenmessen von Gabriel Fauré („Requiem“) und Johannes Brahms („Ein Deutsches
Requiem“). Wie gut auch eine Aufführung von einem nicht professionellen Ensemble sein kann, das bewies
das „Ensemble Vocal du Luxembourg“ mit seiner Brahms-Interpretation in Bettemburg.
Wenn alle Musiker des Luxembourg Philharmonic ihrem Dirigenten am Schluss des Konzerts sichtbar begeistert zujubeln, dann will das etwas heißen. Und in der Tat muss man dieses Konzert in die Liste der Top-Konzerte der letzten Jahre aufnehmen. Was das Publikum am letzten Freitag in der Philharmonie an Klangmagie, Raffinesse und musikalischer Schönheit geboten bekam, war Weltklasse. Der japanische Dirigent Kazuki Yamada, Chefdirigent des City of Birmingham Symphony Orchestra und des Orchestre Philharmonique
de Monte-Carlo, übertraf in seinem dritten Konzert mit dem Luxembourg Philharmonic alle Erwartungen.
Mit Daphnis et Chloé in den Olymp
Auf dem Programm standen zwei Raritäten, die nur selten im Konzertsaal zu finden sind. Gabriel Faurés wunderschönes Requiem und Maurice Ravels symphonisches Ballett Daphnis und Chloé, an diesem Abend in seiner integralen Fassung und dazu noch mit Chor. Kazuki Yamaha besaß genau das Feeling und das exakte Timing für diese Musik. Wie ein Wunder entwickelte sich der meditative Charakter des Requiems in
leuchtenden Farben und mit positiver Kraft. Yamada entwickelte insbesondere die reichen Farben und hellte die sowieso schon optimistische Grundstimmung dieses Werkes noch auf.
Die Streicher glänzten mit sanfter, federleichter Bogenführung (herrlich die z.T. dominanten Bratschen und Celli). In diesen schwebenden Klangteppich vermischten sich dann zusätzlich Holz und Blech zu einem expressiv wohldosierten, immer schönen und in allen Punkten hellen, leuchtenden Klang. Die
Melodieführung blieb weich und auch der wunderbar singende Philharmonic Chorus of Tokyo fügte sich nahtlos in dieses farbenreiche Spiel ein. Glänzend auch die beiden Solisten Maki Mori, Sopran und Stéphane Degout, Bariton.
Großartiges Luxembourg Philharmonic
Nach der Pause konnte sich das vollbesetzte Luxembourg Philharmonic mit Ravel noch einmal steigern. Yamadas umsichtiges, in allen Punkten weiches Dirigat ließ die Musik atmen und frei fließen. Alle Soli (allen voran der exzellente Solo-Flötist Etienne Plasman) zeugten von der Qualität der Musiker, während das ebenso kompakte wie überragend phrasierende Blech sich diesmal selber übertraf. Der Chor, der ja hier mit seinen Vokalisen als Instrument eingesetzt wird, begeisterte durch sein sehr hohes Niveau an Gestaltungsfähigkeit.
Yamada gelang das Kunststück, das Luxemburg Philharmonic bei diesem Konzert auf Weltniveau spielen zu lassen. Und genau das hatten vor ihm Dirigenten wie Tugan Sokhiev und Jukka-Pekka Saraste ebenfalls getan, allerdings in einem ganz anderen Repertoire.
Das Luxembourg Philharmonic kann jetzt nicht nur einen erstklassigen Mahler oder Schostakowitsch spielen, es findet auch wieder zu seinen Ursprüngen als französisch timbriertes und äußerst filigran aufspielendes Orchester zurück. Allerdings konnte Louis de Froment damals von dieser spielerischen Qualität nur träumen. Jetzt heißt es, nach Gustavo Gimeno einen Dirigenten von Format zu finden, der das Luxembourg
Philahrmonic mit seinem großen Potenzial noch weiter aufbauen und festigen kann, und keinen Dirigenten, der das Orchester als Sprungbrett für die eigene Karriere nutzt. Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung.
Hochwertiges Brahms-Requiem
Am Samstagabend stand dann das Deutsche Requiem von Johannes Brahms auf unserem Programm. Die Aufführung fand in der Eglise Notre-Dame-de-l’Assomption in Bettemburg statt. Es war eine sehr interessante Aufführung, denn anstelle eines groß besetzten Symphonieorchesters hatte man sich für die Bearbeitung von Joachim Linckelmann entschieden, die für Kammerorchester konzipiert ist. Das ermöglicht, das Requiem auch mit einem kleineren Chor wie dem Ensemble Vocal du Luxembourg aufzuführen.
Das Ad hoc-Instrumentalensemble bestand aus einem Streichquartett, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Oboe, Fagott, Horn und Pauken und erstaunlicherweise reichte diese Besetzung mit elf Musikern völlig aus, um Brahms’ Musik gerecht zu werden. Wenngleich auch die Klangbalance zwischen dem 30 Mann starken
Chor und dem Instrumentalensemble nicht immer optimal war, so erwies sich der Klangraum der Bettemburger Kirche doch als hervorragend. Die Sänger konnten unangestrengt und entspannt singen,
der Kirchenraum verstärkte die Stimmen stark und sehr natürlich.
Von wegen Amateure
Davon profitierten auch die beiden Solisten Gerlinde Sämann, Sopran, die ihren kurzen Part mit wunderbar leuchtendem und engelsgleichem Sopran interpretierte. Fantastisch auch der kanadische Bariton David John Pike, dessen wohlklingende Stimme ideal für die beiden Baritoneinlagen war. Zudem phrasierten beide Sänger sehr schön und fügten sich ideal in das gesamte Klanggeschehen ein.
Dirigiert wurden Chor und Orchester von Matthias Rajczyk, dem offiziellen Leiter des EVL. Rajczyk ist ein exzellenter Dirigent, der es versteht, seine Sänger mit klarer Zeichengebung zu leiten und sie zu einem klaren, und ebenso fein abgestuften wie schönen Gesang zu bewegen. Exzellente Phrasierung, höchste Präzision und wohldosierte Emotionen zeichneten die Interpretation des Chores aus. Auch das Instrumentalensemble fand in Matthias Rajczyk einen aufmerksamen Dirigenten, der gekonnt Sänger und Orchester zu einem Ganzen zu verschmelzen wusste.
Demnach eine unerwartet hochklassige Interpretation des Deutschen Requiems von Johannes Brahms, die
ebenfalls zeigte, dass man auch mit einem kleinen Ensemble ganz große und vor allem sehr intensive Musik machen kann.
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