/ Kopf des Tages: Michael Jackson ist seit 10 Jahren tot
Seine Musik ist nicht totzukriegen. Es ist ein Werktag, unter der Erde Manhattans, die U-Bahn-Station „Grand Central“. An einer Seite steht eine Frau mit Mikro und Verstärker und singt Michael Jackson. Eine Frau ist stehen geblieben und nickt mit dem Kopf zum Takt. Daneben tanzt ein Kind an der Hand seines Vaters. Zur selben Zeit steht auf dem Promenadenplatz in München die bronzene Statue des Komponisten Orlando di Lasso.
Die Menschen, die in den vergangenen Monaten wieder verstärkt zu ihr pilgerten, kamen aber wegen eines anderen Musikers. Denn der Sockel vor dem Hotel „Bayerischer Hof“ wurde zum Michael-Jackson-Denkmal umfunktioniert, nachdem der Musiker 2009 im Alter von 50 Jahren durch eine Überdosis des Narkosemittels Propofol gestorben war.
Hier prangen Fotos, die den Superstar zeigen. Michael Jackson, diese einmalige Kunstfigur mit dem durch und durch gemachten Gesicht, der zwischen den Grenzen von Geschlecht und Ethnie zu schweben schien wie bei seinen Moonwalks rückwärts über die Bühne. Kürzlich noch zeigte ein Bild an seinem Münchner Altar Jacksons Gesicht und die markanten schwarzen Locken. Statt dem Mund aber stand da das Wort „innocent“ (unschuldig).
Den Glauben an Jacksons Unschuld aber verloren in letzter Zeit viele, nachdem sie „Leaving Neverland“ gesehen hatten, die mittlerweile weltweit bekannte Dokumentation von Regisseur Dan Reed. In ihr erzählen James Safechuck (41) und Wade Robson (36) schockierend und in schwer zu ertragender Detailtiefe, wie der Sänger sie sexuell missbraucht haben soll, als sie noch Kinder waren. Es wird beschrieben, wie Jackson sich systematisch an die Kinder annäherte, schließlich mit ihnen in einem Zimmer schlief und sie nach einer Zeit wieder abstieß.
Doch während einige Fans noch immer darüber brüten, wie sie die Welt von der Unschuld ihres Idols überzeugen können – schließlich wurde „Jacko“ nie von einem Gericht verurteilt –, geht auch eine andere Debatte weiter. Darüber, ob man Jacksons Oeuvre angesichts der Vorwürfe noch genießen darf. Sind Kunst und Künstler trennbar? Es ist eine Frage, die die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren mehrfach und mit wechselnden Hauptdarstellern aushandeln musste, nachdem diese Stars schwer belastet wurden. Im Fall von Jackson gab es diejenigen, die mit Boykottaufrufen reagierten. Doch Radios spielen Songs wie „Billie Jean“ oder „Smooth Criminal“ weiterhin.
Für die Tour des Musicals „Beat it“, von den Veranstaltern als „zweistündige Hommage“ an das Pop-Genie beschrieben, werden nach wie vor Karten verkauft. Das ist eine Entwicklung, die kaum überrascht, wenn man sich neben dem Werk auch die Wirkung des „King of Pop“ anschaut. Viele beschreiben ihn als Star von solcher Größe, wie sie vielleicht niemals wieder erreicht werden kann. Auch wenn um die Person Jackson zehn Jahre nach seinem Tod heftig gestritten wird, so bleibt sein Lebenswerk doch der berühmte „Gamechanger“. Oder wie Journalist Morris die wichtigsten Ereignisse der US-Neuzeit zusammenfasst: „Auf der einen Seite ist da die Mondlandung und auf der anderen der Moonwalk.“
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