Vergessenes Handwerk / Korbflechter: Mit den Händen schauen
Schon die Anfahrt nach Kollesleuken bei Mettlach (D) versetzt in andere Zeiten. Grün, wenig besiedelt und ruhig ist es dort. In dem Tal, in dem das 170 Einwohner zählende Dorf liegt, gab es früher fünf Mühlen. Am Mühlenplatz liegt das Atelier von Gabriele Jacqué. Die Hobbyflechterin pflegt ein vergessenes Handwerk.
Die Szenerie ist ungewöhnlich. Gabriele Jacqué (58) sitzt in ihrer Werkstatt vor der selbst gebauten Werkbank. Auf dem drehbaren Teller der Bank nimmt ein Wäschekorb aus Weide Form an. Die in die Höhe ragenden Weidenäste lassen die spätere Form erahnen. Es wird ein großer Korb. Zwei bis drei Tage dauert es, bis er fertig ist.
Bilder automatisierter Produktionsstraßen sind inzwischen alltäglich. Deswegen versetzt dieser Anblick um Jahrzehnte zurück. „Weitergeben“ ist der Korbflechterin ein Herzensanliegen, ein innerer Wunsch, vielleicht sogar ein Drang. Sonst würde die gebürtige Deutsche, die mit einem Luxemburger verheiratet ist und zwischen beiden Ländern lebt, nicht so viele Workshops in der Großregion geben.
Die Faszination für das Flechten kommt von einem Gefühl. „Ich finde es schön, mit den Händen ein Naturprodukt zu etwas Nützlichem zu verarbeiten“, sagt sie. Gleiches melden ihr viele Teilnehmer der Workshops, die sie zwischen Schifflingen und dem Müllerthal gibt, zurück. Das Interesse an dem Handwerk ist groß und auf keine Altersgruppe beschränkt.
Handwerk stirbt aus
„In den Veranstaltungen kommen Menschen zwischen Mitte 20 bis Ende 80 zusammen“, sagt sie. Das Interesse erklärt sich – neben dem Gefühl – durch die Tatsache, dass das Handwerk mittlerweile Seltenheitswert hat. Es gibt nur noch wenige Flechtmeister wie Wolfgang Gladziewski in der Eifel. Er bringt Jacqué vor zehn Jahren Technik und Kniffe der Weidenverarbeitung bei.
Widerwillig nimmt er seinerzeit die hartnäckige Wahl-Pfälzerin als Schülerin an. „Korbflechter sind normalerweise nicht sehr gesellig“, sagt sie. „Er wusste aber damals schon, dass das Handwerk irgendwann ausstirbt.“ Selbst sie, die seit nunmehr zehn Jahren in der Szene unterwegs ist, bringt nur noch wenige Flechtmeister zwischen Vogesen (F) und Virton (B) zusammen. Der Grund ist einfach und in einer globalen Wirtschaft naheliegend. „Man kann nicht davon leben“, sagt sie.
In ihrem Bad steht ein Wäschekorb, für den sie geschälte Weidenäste verarbeitet hat. Ungeschälte würden mit den Auskerbungen für neue Äste die Wäsche beschädigen. „Den müsste ich für 250-300 Euro verkaufen, um auf einen fairen Stundenlohn zu kommen“, sagt sie. „Das bezahlt aber heute niemand mehr.“ Dazu ist die Konkurrenz zu groß.
Plastikkörbe und Konkurrenz aus Asien
Geflochtene Körbe finden sich heutzutage an vielen Verkaufspunkten. Teilweise kostet das Stück 10 Euro. Die Produkte aus Asien erwecken mit ihren Dumpingpreisen die Vermutung, dass Kinder an der Herstellung beteiligt sind. Was zählt, ist der Preis. Aber schon vorher leidet das Handwerk. Der Plastikkorb macht ihm ab Mitte des 20. Jahrhunderts den Garaus. Bis dahin leben ganze Landstriche davon.
Im Jahr 1811 sichert der Vertrag zwischen einem Dalhausener Korbhändler und der Verwaltung der nahegelegenen Stadt Höxter (D) dem Händler die Nutzung der Weiden am Ufer des Flusses Weser. Das ist auf der Webseite des Korbmachermuseums in Dalheim nachzulesen und gilt als der älteste Nachweis gewerblicher Korbflechterei in Deutschland. In Luxemburg soll es vor allem rundum Lorentzweiler damals viele Flechter gegeben haben.
In den Körben kommt seinerzeit die Post zum Empfänger, Kinder werden in geflochtenen Wiegen geschaukelt und Ballonkörbe leisten in der Schwer-, Kleineisen- und der chemischen Industrie ihren Dienst. Das sind nur ein paar Beispiele der vielen Einsatzbereiche. Bei Jacqué lebt diese Tradition wieder auf. „Mein Ansinnen ist es, dass die Menschen wieder wissen, was die Hände können“, sagt sie. Die Idee kommt an.
Wert des Handwerks
Selten bleiben Reaktionen aus, wenn sie ihre Körbe auf den Kunsthandwerkermärkten in Burglinster, in Redingen oder im September in Ettelbrück anbietet. „Angesichts der Körbe fangen viele an nachzudenken und sich zu fragen, was ist mir das Handwerk wert?“, sagt Jacqué. Das sind die positiven, es gibt aber auch andere, die genauso in den Zeitgeist passen. „Das habe ich auf YouTube gesehen, das kann ich auch“, ist so eine. Darüber muss sie lachen.
Selbst zehn Jahre nach ihrer Ausbildung passieren der Hobbyflechterin noch Missgeschicke. Das, was davon übriggeblieben ist, liegt hinter ihr in einem Korb. „Thermische Wiederverwertung beim Grillen“, heißt ihr lakonischer Kommentar dazu. Ein schiefes Ergebnis, ein Bruch oder das falsche Muster: Beim Flechten ist der Faktor Mensch entscheidend.
Und es geht um Systematik. Ein sternförmiger Kreuzboden, lange Staken für die Form, Flechtweiden für die Wände, der Rand und die Henkel sind die einzelnen Arbeitsschritte. Die häufigsten Fehler passieren gleich am Anfang, wenn die Entscheidung fällt, wo welche Äste eingesetzt werden. Jacqué fühlt das, wenn sie die Äste in die Hand nimmt. „Ein Flechter schaut mit den Händen“, sagt sie.
Korbmachermuseen
In Deutschland gibt es sechs Museen, die an das Handwerk erinnern. Beiseförth in Hessen, Buschdorf in Brandenburg, Dalhausen und Hückelhoven-Hilfarth in Nordrhein-Westfalen, Michelau in Bayern und Tannroda in Thüringen. Die staatliche Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung im bayrischen Lichtenfels ist die einzige ihrer Art in Deutschland.
Kurse
Der nächste Kurs von Gabriele Jacqué findet vom 13. bis 17. Oktober im Biodiversum in Remerschen statt. Unter dem Motto „Natur und Handwerk“ gibt es zahlreiche Angebote, darunter auch Korbflechten.
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