Nach Corona-Krise / Krankenhäuser planen gemeinsames Logistikzentrum und Pandemie-Lazarett
Pläne für den Aufbau eines gemeinsamen Logistikzentrums der vier Luxemburger Krankenhausgruppen „Centre hospitalier de Luxembourg“, „Centre hospitalier Emile Mayrisch“, „Hôpitaux Robert Schuman“ und „Centre hospitalier du Nord“ existieren schon seit Jahren. Nach der Corona-Krise scheinen diese Pläne nun endlich Form anzunehmen. Auf Druck der Gesundheitsministerin wollen die Krankenhaus-Präsidenten kurzfristig eine neue Vereinigung gründen, die nicht nur eine gemeinsame Logistik, sondern auch ein Pandemie-Militärkrankenhaus verwalten soll. Während die Ärztevereinigung AMMD die Initiative begrüßt, reagiert die Gewerkschaft OGBL verhalten.
Es war ein spontaner Vorstoß, den die Präsidenten der vier Luxemburger Krankenhausgruppen nach einem Treffen im Gesundheitsministerium am 12. Mai gewagt haben. Nach einer dem Vernehmen nach äußerst kontrovers geführten Unterredung mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) über eine zentrale Logistikstruktur zum Ankauf, zur Lagerung und zur Verteilung von medizinischem Material und Medikamenten haben der frühere CSV-Kooperations- und Verteidigungsminister Jean-Louis Schiltz (HRS-Präsident), der Escher Bürgermeister und CSV-Abgeordnete Georges Mischo (CHEM), der bekannte Geschäftsanwalt Paul Mousel (CHL) und der Direktor des „Centre hospitalier neuro-psychiatrique“ (CHNP), Jean Feith, kurzerhand und ohne Absprache mit ihren Verwaltungsräten entschieden, eine neue Vereinigung ohne Gewinnzweck (Asbl.) ins Leben zu rufen.
Wenn es nach den vier Krankenhaus-Präsidenten geht, soll diese Vereinigung nicht nur die Entwicklung einer gemeinsamen Logistikstruktur, sondern auch den Aufbau einer Notstruktur oder eines Pandemie-Krankenhauses mit rund 100 Intensivbetten, Beatmungsgeräten und der notwendigen Ausrüstung vorantreiben, die etwa beim Ausbruch einer zweiten Coronawelle oder von zukünftigen Pandemien bereitstehen soll. Dabei strebt die Vereinigung eine Zusammenarbeit mit der Uni Luxemburg und dem von der Regierung geplanten Militärkrankenhaus („Major incident hospital“) an, das das Verteidigungsministerium mit dem „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) auf dem Gelände des neuen „Südspidol“ errichten will.
Sowohl die „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS) als auch das „Centre hospitalier de Luxembourg“ (CHL) und das CHEM bestätigten auf Nachfrage die Pläne zur Gründung einer Vereinigung für die Schaffung einer zentralen Infrastruktur, die der frühere Gesundheitsminister und heutige LSAP-Abgeordnete Mars Di Bartolomeo in einer bislang unbeantworteten parlamentarischen Anfrage vom 20. Mai an Staatsminister Xavier Bettel (DP) thematisiert hat.
Auf Druck der Gesundheitsministerin
Pläne zur Schaffung eines nationalen Logistikzentrums für die Krankenhäuser existieren schon seit Jahren. Zur Umsetzung kamen sie bislang freilich nicht. In der Corona-Krise ist die Idee nun aktueller denn je geworden. Weder die Regierung noch die Krankenhäuser waren auf den Ausbruch der Pandemie angemessen vorbereitet. Deshalb musste die Regierung zum Ankauf von Schutzkleidung und Masken eine logistische Krisenzelle einsetzen, die von Armee, Verteidigungs- und Gesundheitsministerium geleitet wird. Darüber hinaus hat jedes Krankenhaus eigenständig versucht, Material zu beschaffen. In manchen Bereichen sind erste Synergien entstanden.
Bei der anfangs erwähnten Versammlung am 12. Mai sei es um die kurzfristige Auflösung der logistischen Krisenzelle der Regierung gegangen, erzählt der Escher „Député-maire“ und CHEM-Präsident Georges Mischo (CSV) auf Nachfrage. Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) habe die Krankenhaus-Präsidenten vor die Wahl gestellt: Wenn sie sich nicht darauf einigen könnten, die Logistik gemeinsam und dauerhaft weiterzuführen, bleibe nur die Möglichkeit, eine öffentliche Einrichtung zu gründen oder die Logistik an einen privaten Anbieter auszulagern. Daraufhin hätten die vier Präsidenten beschlossen, eine eigene Vereinigung ins Leben zu rufen, um die Verwaltung des Materialbestands in ihrer Hand zu halten. Die Erkenntnis habe sich durchgesetzt, dass man nur gemeinsam auf dem Weltmarkt bessere Preise etwa für Schutzkleidung und Masken verhandeln könne, sagt Mischo.
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Bislang hat jedes Krankenhaus sein eigenes Süppchen gekocht. Die Kommunikation untereinander war oft schwierig. Nicht einmal auf ein einheitliches elektronisches System der Patientenakten konnte man sich in den letzten Jahren verständigen. Zwar arbeiten die Krankenhausapotheken inzwischen im Rahmen der „Fédération des hôpitaux luxembourgeois“ (FHL) erfolgreich zusammen, um Medikamente auf dem freien Markt möglichst günstig einkaufen zu können, wie Grégory Gaudillot, Dienstleiter der Apotheke des CHL und Vorsitzender der „Association des pharmaciens hospitaliers du Luxembourg“ (APHL), bestätigt. Gelagert und verwaltet werden die Medikamente aber noch in den jeweiligen Apotheken der großen Krankenhäuser.
„Für mich wäre es sinnvoll, wenn die Spitäler die Medikamente und das Material nicht nur gemeinsam einkaufen, sondern auch an einem gemeinsamen Ort lagern und verwalten. Es würde die Arbeit in den Krankenhäusern erleichtern, wenn es eine Plattform gäbe, die die Bestellungen verarbeitet und das Material vorbereitet, sodass es gleich zum Einsatz kommen kann“, erklärt Gaudillot. Um auf weitere potenzielle Krisen vorbereitet zu sein, könnten die Krankenhäuser einen nationalen Notbestand anlegen, damit es nicht an der einen oder anderen Stelle zu Lieferengpässen komme, sagt der Apotheker.
Die Gesundheitsministerin selbst hält sich derweil bedeckt. Sie habe noch keine Position zu diesen „Ideen“, ließ Paulette Lenert schriftlich mitteilen. Weitere Nachfragen blieben unbeantwortet. Tageblatt-Informationen zufolge hat sich die Ministerin in den vergangenen Wochen nicht nur mit den Präsidenten, sondern auch mit den Direktoren und „Conseils médicaux“ der vier Krankenhäuser sowie dem Krankenhausverband FHL und der Ärztevereinigung AMMD („Association des médecins et médecins-dentistes“) getroffen, um über den Aufbau einer zentralen Infrastruktur zu reden.
Machbarkeitsstudie für Militärkrankenhaus
Zu dieser zentralen Infrastruktur zählt offenbar auch die Einrichtung eines mutmaßlichen Pandemie- oder Covid-19-Krankenhauses, das die AMMD Mitte April auf einer Pressekonferenz ins Spiel gebracht hatte. Laut CHL-Direktor Romain Nati gehe es bei dem rezenten Vorstoß der Krankenhauspräsidenten darum, die Planungen für den Bau eines zukünftigen Militärkrankenhauses weiterzudenken. Ziel sei es, eine „schlafende“ Krankenhausstruktur mit zusätzlichen Betten aufzubauen, die bei Bedarf aktiviert werden könne, so Nati. Wie CHEM-Präsident Georges Mischo erklärt, soll das Pandemie-Krankenhaus es ermöglichen, bei einem erneuten Ausbruch mit einer hohen Anzahl an Infizierten alle Covid-19-Kranken, die intensiv behandelt werden müssen, an einem zentralen Ort zu versammeln. Das geplante Militärkrankenhaus könne sich für solche Zwecke eignen.
Die Idee eines Militärkrankenhauses geht auf das Jahr 2015 zurück. Damals hat Luxemburg sein Verteidigungsbudget gemäß der NATO-Vorgaben von 0,4% auf 0,6% des BIP erhöht und wollte dieses Geld nach dem Kauf eines Militärflugzeugs (das immer noch nicht vollständig abbezahlt ist) und eines Militärsatelliten (der doppelt so teuer wird wie ursprünglich geplant) sinnvoll einsetzen. Der Schwerpunkt des Lazaretts, das im Rahmen des neuen „Südspidol“ entstehen soll, werde in der Versorgung von Patienten mit schweren Infektionskrankheiten, der Forschung auf diesem Gebiet sowie in der Behandlung von durch Waffen verursachten Wunden und Traumata (z.B. infolge einer Terrorattacke) liegen, präzisierten die damalige Gesundheitsministerin Lydia Mutsch und der damalige Verteidigungsminister Etienne Schneider (beide LSAP) im November 2015 in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.
Ende September 2018 nahm das Verteidigungsministerium exklusive Gespräche mit dem „Südspidol“-Träger CHEM auf, um eine Infrastrukturpartnerschaft zur Umsetzung des Militär- und Katastrophenkrankenhauses auszuarbeiten. Diese Partnerschaft wurde auch 2018 im Koalitionsvertrag der Regierung Bettel II übernommen. Im März 2019 kam es zu einem Treffen zwischen der „Direction de la défense“ und den Verantwortlichen des CHEM, bei dem die Besiegelung einer Absichtserklärung beschlossen wurde, die am 8. Juli 2019 unterzeichnet wurde.
Das Verteidigungsministerium bestätigte am Donnerstag, dass im Rahmen der Corona-Krise rezent Diskussionen zwischen der Gesundheitsministerin und Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) geführt worden seien, um eine Machbarkeitsstudie zur Umsetzung eines Militärlazaretts in Auftrag zu geben. Das Prinzip und das Ziel dieser Studie müssten aber erst noch vom Regierungsrat abgesegnet werden, deshalb könnten noch keine weiteren Details mitgeteilt werden, erklärte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Mit der Eröffnung des „Südspidol“ ist nach derzeitigem Stand der Dinge frühestens im Jahr 2026 zu rechnen. Ob das Militärkrankenhaus schon früher betriebsbereit sein kann und an welchem Standort es genau entstehen soll, ist noch unklar. Laut Mischo sei die Zusammenarbeit zwischen CHEM und Verteidigungsministerium in dieser Angelegenheit bislang nicht infrage gestellt.
Noch viele Fragen offen
Die Ärztevereinigung unterstütze die Idee eines Militärkrankenhauses schon seit Jahren, erklärt AMMD-Generalsekretär Guillaume Steichen auf Nachfrage. Für die Ärzteschaft könnte ein Notkrankenhaus in Krisenzeiten zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des „normalen“ Betriebs in den anderen Spitälern beitragen. Bei Pandemien, Angriffen oder Naturkatastrophen könnte die Einrichtung als Notfallzentrum genutzt werden, außerhalb von Krisenzeiten könnte sie in Zusammenarbeit mit der Uni Luxemburg als hochtechnologisiertes Ausbildungszentrum für Ärzte aus NATO-Partnerländern Anwendung finden, meint Steichen.
Doch sowohl im Zusammenhang mit dem Logistikzentrum als auch mit dem Lazarett bleibt noch vieles ungeklärt. Der LSAP-Abgeordnete Mars Di Bartolomeo wirft die Frage auf, ob die Gründung einer neuen Vereinigung nicht vielleicht eine etwas übereifrige Initiative der vier Krankenhaus-Präsidenten gewesen sei und ob sie nicht im Vorfeld mit den Verwaltungsräten und den Generaldirektionen der einzelnen Häuser hätte abgesprochen werden müssen. Laut Georges Mischo war dafür keine Zeit, weil die Gesundheitsministerin den Krankenhaus-Präsidenten förmlich das Messer auf die Brust gesetzt habe und eine schnelle Entscheidung getroffen werden musste. Die Präsidenten hätten ihre jeweiligen Verwaltungsräte aber inzwischen in Kenntnis gesetzt, betont Mischo.
Auch CHL-Direktor Romain Nati steht nicht bedingungslos hinter einer zentralisierten Logistik und einem Pandemie-Krankenhaus. In der aktuellen Corona-Krise hätten sich die dezentralen Strukturen bewährt, antwortet Nati auf eine schriftliche Tageblatt-Anfrage. Um die Vorteile einer zentralen Infrastruktur einschätzen zu können, müsse man zuerst das medizinische Projekt kennen, das hinter dieser Idee steht. Dieses medizinische Projekt sei nur sinnvoll, wenn es im Vergleich zu dem, was in den vergangenen Wochen erfolgreich aufgebaut wurde, einen erkennbaren Mehrwert im Hinblick auf Qualität und Sicherheit aufweise, so Nati.
Aus Gewerkschaftskreisen werden ebenfalls Bedenken geäußert. Pitt Bach, Zentralsekretär des OGBL-Syndikats Gesundheit und Sozialwesen, zeigt sich auf Nachfrage von der geplanten Gründung einer neuen Vereinigung überrascht. Mit der FHL existiere bereits eine Vereinigung, die die Spitäler im Sozialdialog vertritt. Wenn nun ein zweiter Verhandlungspartner für den Krankenhaussektor entstehe, müsse man aufpassen, dass keine Stellen abgebaut werden und der sektorielle Kollektivvertrag im Krankenhauswesen weiter eingehalten werde, warnt Bach. FHL-Präsident Paul Junck wollte die Gründung der neuen Vereinigung auf Nachfrage nicht kommentieren.
OGBL befürchtet Outsourcing
Obwohl sich die Gewerkschaft nicht grundsätzlich gegen ein nationales Logistikzentrum ausspricht, befürchtet sie, dass die bestehende Logistik in den einzelnen Spitälern dadurch ausgelagert werden könnte. Auch einem möglichen Pandemien-Krankenhaus steht der OGBL skeptisch gegenüber. Die Pläne, das NATO-Budget für ein Militärkrankenhaus einzusetzen, unterstütze die Gewerkschaft zwar prinzipiell, doch den Mehrwert eines Pandemie-Krankenhauses kann Pitt Bach nicht erkennen. Es sei unrealistisch, zu denken, dass man damit das Coronavirus aus den anderen Häusern herausbekommen könne, sagt der OGBL-Zentralsekretär. Das hänge damit zusammen, dass viele Covid-19-Patienten an multiplen Pathologien leiden. „Was macht man zum Beispiel mit Krebspatienten, die sich mit Corona infizieren oder einem Covid-19-Kranken, der sich zu Hause ein Bein bricht?“, fragt Bach. Wenn man im Pandemie-Spital für solche Fälle auch andere Dienste anbiete, unterscheide es sich doch kaum noch von den „normalen“ Krankenhäusern, gibt Pitt Bach zu bedenken. Zudem hätten schwerkranke Patienten oft ein Vertrauensverhältnis zu ihrem behandelnden Arzt, weshalb eine Trennung in einer separaten Struktur eher kontraproduktiv wäre. Daher spricht sich der OGBL dafür aus, die dezentralen Strukturen beizubehalten und zu verstärken, indem das Personal in den existierenden Krankenhäusern aufgestockt wird.
In die Unterredungen zwischen Regierung, Krankenhäusern und Ärzteschaft sei der OGBL bislang nicht eingebunden, bedauert Bach. In den nächsten Tagen werde die Gewerkschaft daher Treffen mit den zuständigen Ministern, der FHL und den Krankenhäusern beantragen, um zu verhindern, dass die Beschäftigten in dem Sektor später vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Ängste des OGBL sind nicht unberechtigt. Vergangene Woche hatte die Wochenzeitung d’Lëtzebuerger Land berichtet, dass die Covid-Massenteststationen von einem privaten Militärdienstleister errichtet werden und das dazugehörige Personal über internationale Leiharbeitsfirmen rekrutiert wird.
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„“Aufbau eines gemeinsamen Logistikzentrums““
Heescht daat datt elo gemeinsam Wueren, Medikamenter and Maschinnen ankaaft gin ?
Paulette Lenert, nur weiter so! Welch ein (schlichte) Powerfrau! Irgendwann wird sie auch noch auf einer höheren Stufe das Land dienen. Hoffentlich.