OECD-Bericht / Krise legt Schwächen des Bildungssystems offen
Luxemburgs Bildungssystem hat die Covid-Krise recht gut überstanden. Dennoch hat die Ausnahmesituation offenbart, wo die Schwachpunkte des Systems liegen. Einige Verbesserungen hat das Bildungsministerium bereits in die Wege geleitet. Andere wiederum, wie etwa die zentrale IT-Ausstattung der Grundschulen, lehnt das Ministerium ab.
Wie gut hat Luxemburgs Bildungssystem die Covid-Krise überstanden? Antworten darauf geben die externen Prüfer im jüngst veröffentlichten OECD-Bericht über die Pandemie. Dem luxemburgischen Bildungssystem haben die Inspekteure ein ganzes Kapitel gewidmet und Maßnahmen für Verbesserungen vorgeschlagen. Das Tageblatt hat das Bildungsministerium mit einigen dieser Vorschläge konfrontiert.
Die externen Prüfer haben im OECD-Bericht die von der Regierung getroffenen Entscheidungen ab Februar 2020 unter die Lupe genommen. Drei Charaktermerkmale des luxemburgischen Bildungssystems haben sie hervorgehoben: Erstens, eine große linguistische Diversität sowie eine mehrsprachige Ambition, zweitens, ein hohes Investitionsniveau für die Bildung und drittens, die Herausforderung, Gerechtigkeit und Qualität bei den Leistungen der Schüler zu erzielen.
Im Kapitel über das Bildungssystem haben die Prüfer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eng mit der Direktion des Bildungsministeriums zusammengearbeitet. Erwähnt werden unter anderem Alex Folscheid, erster Berater des Bildungsministers, und Claude Sevenig, „Attachée“ des Ministeriums und Verantwortliche für die internationalen Beziehungen. Ein Lob geben die OECD-Prüfer der luxemburgischen Regierung für den Entschluss, die Schulschließungen während der Pandemie auf ein Minimum reduziert zu haben. Demnach mussten die Grundschulen in den Jahren 2020 und 2021 ihre Türen für 48 Tage schließen, die Lyzeen für 34 Tage. Bei den Abiturklassen waren es noch weniger Tage. Während dieser Zeit sei die pädagogische Kontinuität stets gewährleistet worden, stellen die Autoren des Berichts fest. Damit reihe sich Luxemburg auf den Spitzenrängen der OECD-Länder ein.
Die pädagogische Kontinuität habe dazu geführt, dass keine systematischen Negativeffekte auf den Lernresultaten der Schüler festgestellt werden konnten. Dennoch habe sich laut Bericht ein leichter Rückgang in den Leistungen der Schüler herauskristallisiert: 2020 im mündlichen Verständnis und 2021 im schriftlichen Verständnis der deutschen Sprache. Genau hier liege die Krux, stellen die OECD-Berichterstatter fest. Diesen Rückgang hätte das Bildungsministerium voraussehen müssen. Das Gleiche gelte für die hohe Arbeitslast, denen Schüler, Lehrer und Eltern ausgesetzt waren.
Digitale Kompetenzen bei Lehrern
Die OECD-Inspekteure führen einige Verbesserungsvorschläge an, damit die Regierung, im Falle einer Weiterführung der Covid-Krise oder bei einer neuen Pandemie, besser darauf vorbereitet sei. Dazu gehören vorausschauende Lösungen, um die pädagogische Kontinuität sicherzustellen im Falle erneuter Schulschließungen.
Konkret schlägt der Bericht vor, Lehrer in ihrer Kapazität zu stärken, Technologien und digitale Kompetenzen in einen größeren pädagogischen Werkzeugkasten zu integrieren. Das Tageblatt hat beim Bildungsministerium nachgefragt, ob und wie es diesem Verbesserungsvorschlag nachkommen wird. Laut Pressesprecherin Myriam Bamberg sei Luxemburg aufgrund seines Programmes „One-to-One“ und gezielter Unterstützung des „Centre de gestion informatique de l’éducation“ (CGIE) in Bezug auf die Versorgung mit Hardware gut ausgestattet gewesen. Deshalb habe die Organisation des „Distance Learning“ im Vergleich zum Ausland gut funktioniert. „Das Gleiche gilt für Software-Angebote wie Office365 und die Kommunikationssoftware Teams“, erklärt Bamberg.
Das Ministerium wird von der OECD darin bestärkt, den Weg der schulischen Differenzierung weiterzugehenPressesprecherin Bildungsministerium
Im Lauf der Pandemie habe das „Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“ (Script) pädagogische Inhalte über die Internet-Plattform „Schouldoheem.lu“ zur Verfügung gestellt, so die Pressesprecherin. „Das Angebot des Script ist in diesem Bereich bereits sehr reichhaltig.“ Digitale Inhalte würden den Lehrern auf der Seite heydoo.lu zur Verfügung stehen. „Die Nutzung muss allerdings zusätzlich gefördert werden“, sagt sie. Das Ministerium werde diese Angebote in den kommenden Jahren weiter ausbauen und beim Lehrpersonal fördern. „Das Erstellen von digitalen Angeboten neben den analogen Lehrmaterialien, die im Rahmen eines ‚Distance Learning‘ benutzt werden könnten, gehört heute bereits zu den Prioritäten.“
Schulische Ungleichheiten
Einen weiteren Punkt, den die OECD-Prüfer bemängeln, sind die schulischen Ungleichheiten im luxemburgischen Bildungssystem. Zur Eindämmung der weiterwachsenden Ungleichheiten, besonders in Krisenzeiten, sollte die Regierung ihrer Ansicht nach differenzierte Unterstützungsmaßnahmen einführen. Kurzfristig sollte das Bildungsministerium seine proaktiven Unterstützungsmaßnahmen stärken, prioritär bei den vulnerablen Schülern, schreiben die Prüfer. Mittel- und langfristig sollten tiefgreifendere Umbauten des Bildungssystems fortgeführt werden. Als konkretes Beispiel nennen die Berichterstatter das Modell der europäischen Schulen. „Das Ministerium wird von der OECD darin bestärkt, den Weg der schulischen Differenzierung weiterzugehen“, erklärt Myriam Bamberg. Dazu gehöre der Ausbau der internationalen Schulangebote sowie die Pilotprojekte einer alternativen Alphabetisierung auf Französisch, die heute bereits laufen würden.
Problematisch sehen die externen Prüfer, wie die Verteilung von digitalen Geräten an die Schulen gehandhabt wird. Die Regierung sollte in diesem Punkt die Verantwortlichkeiten überdenken, schreiben sie. Der Staat beliefert die Lyzeen und die Gemeinden. Letztere statten wiederum die Grundschulen aus. Eine Zentralisierung der Lieferkette direkt vom Staat an die Grundschulen könnte in den Krisenzeiten die Gemeinden entlasten und die Qualität der digitalen Infrastruktur sowohl zwischen den Grundschulen als auch zwischen Lyzeen und „fondamental“ steigern, schreiben die OECD-Prüfer.
Andererseits ist die Ausstattung der Gemeinden mit IT-Material ja nur ein Aspekt, der aber viele Nachfolgeprobleme mit sich bringen würdePressesprecherin Bildungsministerium
„Diese Empfehlung geht auf Gespräche der OECD mit Vertretern des Gemeindesyndikats Syvicol zurück“, erklärt die Pressesprecherin des Bildungsministeriums. „Diese Forderung wurde bereits in der Vergangenheit erhoben.“ Aktuell sei es so, dass die Gemeinden verantwortlich sind für die IT-Ausstattung der Grundschulen. Dazu gehören mobile Geräte sowie Arbeitsstationen, aber auch die Wifi-Infrastruktur, Drucker, Beamer, usw.
Keine zentrale IT-Ausstattung
Das Bildungsministerium lehnt die OECD-Empfehlung der zentralen IT-Ausstattung entschieden ab, da sie auf mehrere Probleme stoßen würde. Einerseits seien die Gemeinden für den gesamten Bereich der Infrastruktur und deren Sicherheit verantwortlich. Um jener vom Syvicol angedachten Reform nachzukommen, müsste eine grundsätzliche Verschiebung der Kompetenzen zwischen Staat und Gemeinden im Bildungsbereich stattfinden, sagt Bamberg. Der Staat müsste demnach auch Verantwortlichkeiten im Bereich der Infrastruktur übernehmen. „Aktuell gibt es dafür aber keine Bereitschaft und die Notwendigkeit dafür kann auch infrage gestellt werden“, sagt sie. Zudem werde die aktuelle Partnerschaft zwischen Gemeinden und Staat im Bereich der Bildung von vielen Akteuren begrüßt.
„Andererseits ist die Ausstattung der Gemeinden mit IT-Material ja nur ein Aspekt, der aber viele Nachfolgeprobleme mit sich bringen würde“, so die Pressesprecherin. Dazu gehöre unter anderem die Wartung des IT-Materials. Der CGIE müsste laut internen Berechnungen eine Wartungsabteilung von mindestens 50 Technikern aufbauen, die in allen Regionen des Landes die Wartung der Infrastruktur übernehmen müsste. „Diese Techniker gibt es heute bereits in den Gemeinden“, sagt sie. Zudem wolle das Bildungsministerium die Nutzung von digitalen Apparaten in den Grundschulen nicht weiter fördern. „Denn die aktuellen Coding-Kurse finden größtenteils analog statt“, so Bamberg.
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