Gemeindesyndikat Syvicol / Kritik an Gesetzentwürfen zu erschwinglichem Wohnraum und Gratis-Kinderbetreuung
Ministerielle Angebote und kommunalpolitische Erwartungen liegen nicht immer auf einer Linie. Das wird vom Gemeindesyndikat Syvicol bedauert. Umso mehr, als das Syndikat als Interessenvertretung der 102 Kommunen des Landes eigentlich vollumfänglich eingebunden sein sollte in die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen, welche das Leben in den Gemeinden visieren. Dass das nicht immer der Fall ist, wird im Gespräch mit Syvicol-Präsident Emile Eicher deutlich. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Unterstützung, sondern auch um kommunale Autonomie.
Mit Erstaunen und Kopfschütteln – so reagiert das Syvicol („Syndicat des villes et communes luxembourgeoises“) auf verschiedene Gesetzesvorhaben, welche die 102 Kommunen des Landes betreffen. Dabei sollte das Gemeindesyndikat eigentlich vollumfänglich in die Ausarbeitung dieser Gesetze mit eingebunden sein. Mitunter scheint die Zusammenarbeit zwischen Ministerien und Gemeinden aber nicht optimal zu funktionieren. Wie das? Syvicol-Präsident Emile Eicher weist in dem Kontext vor allem auf den Gesetzentwurf (7937) über erschwinglichen Wohnraum hin.
Mogelpackung
Ziel des Gesetzentwurfes ist die Förderung von erschwinglichem und verbilligtem Wohnraum in den Gemeinden des Landes. Bis zu 50% der Kosten werden vom Staat finanziert, sagte Wohnungsbauminister Henri Kox Anfang des Jahres.
Was nach viel klingt, scheint aber eher eine Mogelpackung zu sein. Zumindest kann man Eichers Worte so verstehen: „Wir bedauern als Gemeindesyndikat, dass die Unterstützung von 50% beim Bauen sich nicht auf reelle Kosten bezieht, sondern auf Höchstbeträge, die seit Jahren genau definiert und gedeckelt sind, also nicht mit den erheblichen Preissteigerungen im Bausektor schritthalten. Sie entsprechen nicht der Realität, vor allem dann nicht, wenn es sich um den Erwerb von Bauland handelt.“
Das Syvicol habe erwartet, eine stärkere Unterstützung zu bekommen, besonders für Projekte in Gegenden, wo die Grundstückspreise regelrecht explodieren, so Emile Eicher. „Wir schlagen deshalb vor, die Subventionspolitik praxisorientierter zu gestalten, die finanziellen Obergrenzen allgemein zu streichen sowie Renovierungsarbeiten mehr zu fördern.“
Gemeindeautonomie
Es geht dem Gemeindesyndikat aber nicht nur um mehr Geld, sondern auch um ein Stück Gemeindeautonomie. Deshalb ist die Interessenvertretung der Kommunen auch ganz und gar nicht einverstanden mit einem weiteren Punkt aus dem Gesetzentwurf. „Es geht dem Gesetzgeber dabei scheinbar vor allem darum, zu entscheiden, wer wo in welchen erschwinglichen Wohnraum einziehen darf. In Zukunft soll ein nationales Register kommen, in dem alle Anfragen und Angebote des Landes erfasst werden“, so Eicher. (Dieses Register heißt RENLA – „Registre national des logements abordables“).
Was stört, sei nicht unbedingt, dass der Staat ein nationales Register einführen und mehr Transparenz haben möchte, um sich einen besseren Überblick verschaffen zu können, sondern die Art und Weise der Verteilung, gibt der Syvicol-Präsident zu verstehen: „Die Zuweisung von erschwinglichem Wohnraum geschieht dann quasi automatisch über ein Computerprogramm, was einen großen Unterschied zu heute darstellt.“ Wie kann man das verstehen? – „Nun, heute versuchen die Gemeinden, gemeinsam mit ihren Sozialämtern und anderen kommunalen Stellen, die Situation im Griff zu behalten, mit viel Engagement. Wir versuchen zum Beispiel bei uns in Clerf Prioritäten zu setzen, damit die Leute, die bei uns arbeiten und Probleme haben, zum Beispiel um als Familie mit Kindern in einer adäquaten Wohnung zu leben, zuerst bedient werden. Es ist unser Ziel, Menschen so gut wie möglich unterzukriegen und sozial zu begleiten. Kontinuität ist dabei besonders wichtig. Die aber ist nicht mehr gegeben, wenn die Leute wegziehen oder andere zu uns kommen müssten.“
Gesetz verfehle Ziel
Und nun? „Wir möchten unsere kommunale Hoheit und unsere individuelle Herangehensweise behalten. Also unser Mitspracherecht bei Bearbeitung von Wohnungsanträgen, bei der Zuweisung von Wohnungen und Einschätzung von Lebenssituationen sowie auch was die Kontinuität bei der Kontaktpflege und des Austauschs anbelangt. Deshalb sind wir als Syvicol vor allem gegen einheitliche Vergabekriterien, gegen ein nationales Register, dies sowohl bei Verkauf wie bei Vermietung. Dadurch würde den Gemeinden und Sozialämtern ein wichtiges Instrument entrissen. Es würde zudem auch mehr Arbeitsaufwand bedeuten, statt weniger.“
In der vergangenen Vorstandssitzung des Gemeindesyndikats habe es viele Kommentare gegeben, heißt es. Der Gesetzentwurf würde sein Ziel verfehlen. Statt die Gemeinden zu ermutigen, sich stärker für die Schaffung und Verwaltung von bezahlbarem Wohnraum zu engagieren, drohe er das Gegenteil zu bewirken, so Guy Wester (Hesperingen). Er beinhalte zu viele bürokratische Hürden, so Lydie Polfer (Luxemburg). Wichtiger persönlicher Kontakt mit Antragsstellern gehe verloren, kritisiert Jean-Paul Schaaf (Ettelbrück).
Gratis-Kinderbetreuung
Auch beim Gesetzesvorhaben 7986 scheinen Gemeinden und Ministerium nicht ganz auf einer Linie zu liegen. Es geht um die fürs nächste Schuljahr geplante Einführung der Gratis-Kinderbetreuung, inklusive Mittagessen, während der Schulwochen. Ein Problem in dem Kontext sei der Mangel an Einrichtungen: „Nicht jede Gemeinde hat ausreichend Platz, um Kinder unterzubringen, es gibt lange Wartelisten“, sagt Emile Eicher. Gratis-Betreuung bringe Eltern aber nichts, wenn kein Platz vorhanden sei: „Die Gemeinden müssen nun schnell reagieren, investieren und neue Strukturen schaffen, aber auch hier muss die Unterstützung von staatlicher Seite der reellen Preisentwicklung entsprechen. Seit 20 Jahren sind die Obergrenzen der Subventionen nicht mehr angepasst worden.“
Was die Hilfe bei den Personalkosten anbelangt, so sollte die sich nicht an der effektiv geleisteten Betreuungsarbeit orientieren, sondern an dem, was aufgrund der Anfragen der Eltern personalmäßig eingeplant werden musste. „Wenn angemeldete Kinder, krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen, nicht kommen, so kann man das nicht ändern. Wir wollen allerdings nicht auf diesen Kosten sitzenbleiben“, so Emile Eicher.
„Congé politique“
Ein Dauerbrenner im Syvicol-Forderungskatalog ist der „Congé politique“, d.h. jene Zeit, in der kommunale Mandatsträger von ihrem regulären Arbeitsplatz beurlaubt sind, damit sie sich dem Dienst am Bürger widmen können.
Je nach Größe einer Gemeinde sind diese Stunden gestaffelt. Abgesehen von den Vollzeitbürgermeistern sind es zwischen neun und 28 Stunden. Das sei nicht ausreichend, kann man immer wieder hören. So auch beim Bürgermeistertag letzte Woche in Mondorf. Dort hat das Syvicol mögliche Anpassungen vorgestellt, die auf Wunsch der Innenministerin erstellt wurden. So ist vorgesehen, dass die Bürgermeister mit weniger als 3.000 Einwohnern zwei Stunden zusätzlich bekommen sollen, ihre Schöffen eine Stunde. Bei mehr als 3.000 Einwohnern sollen es vier Stunden für die Bürgermeister beziehungsweise zwei für die Schöffen sein. Zudem sollen jene neun Stunden, die jede Gemeinde für die Arbeit in den kommunalen Syndikaten zur Verfügung hat und die sie verteilen kann, auf 13 erhöht werden. Alle Angaben sind pro Woche zu verstehen. Es handele sich um eine Diskussionsbasis, also nichts, was in Stein gemeißelt sei. Ausgegoren und vernünftig sei der Vorschlag aber schon, so Emile Eicher.
„Der ‚Congé politique’ ist sowieso im Rahmen der dringend notwendigen Änderungen des Statuts des Kommunalpolitikers zu sehen. Da müssen wir vollumfänglich vorgehen und besonders jene besser schützen, die in der Privatwirtschaft arbeiten und nicht beim Staat. Es geht unter anderem um Kündigungsschutz, um juristische Absicherung bei Entscheidungen und andere Garantien. Es ist also nicht das Ende vom Lied“, so Emile Eicher. Damit meint er dann wohl auch die in dem Kontext ans Innenministerium gerichteten Forderungen.
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„Gespräch mit Syvicol-Präsident Emile Eicher “
Der Mann ist CSV-Abgeordneter und schon im Wahlkampf.
Kann man getrost ignorieren.