Editorial / Kritik und Selbstkritik: Über die Vorwürfe im Fall Da Costa
Die Anschuldigungen, die der Meteorologe Jeff Da Costa erhebt, können nicht der Wahrheit entsprechen. Den Job verloren, weil er etwas gesagt hat, was der Regierung nicht passt. Also bitte! Wir leben ja immer noch in einer Demokratie.
Autokratien, so sagt man, sind antipluralistisch, haben eine gleichgeschaltete Presse, es gibt keine Opposition, dafür aber eine kriminelle Geheimpolizei, die die Menschen drangsaliert. Autokratien sind von Korruption, Nepotismus, Günstlingswirtschaft geprägt. Sie sind sehr ineffizient, weil nicht der Fachmann den Entscheiderposten im Ministerium bekommt, sondern ein Cousin des Ministers.
Und das gilt ja auch für die Wissenschaft. Wenn ein wissenschaftliches Resultat der herrschenden Klasse in einer Autokratie nicht behagt, wird es einfach nicht veröffentlicht oder als falsch deklariert oder der zuständige Forscher ist seinen Job los. Ziemlich dämlich, denn schließlich dienen wissenschaftliche Erkenntnisse ja der Gesellschaft als Ganzem. Dem Fortschritt!
Dass Forschung und Wissenschaft frei sind und jenseits von allen Restriktionen ihre Ergebnisse und Meinung publizieren können, ist deshalb von essenzieller Bedeutung und ein Grundmerkmal einer Demokratie. Das weiß doch jedes Kind. Deshalb können die Anschuldigungen, die der Meteorologe Jeff Da Costa erhebt, nicht der Wahrheit entsprechen. Also bitte! Das wäre ja geradezu antidemokratisch, wenn sie stimmen würden.
Die Regierung Bettel, das muss man allerdings sagen, ist jetzt nicht für breit angelegte Kampagnen im Geiste der Selbstkritik bekannt. Für die Kommunikatoren der Exekutive ist das, was ihre Minister da treiben, immer prächtig, wundervoll und allerbestens. Aber das ist ja auch nicht verwunderlich: Es läuft eben einfach nichts schief, so gut ist der Laden organisiert.
Und wenn doch, ja dann ist es nicht die Schuld der Regierung – oder es war nicht so wichtig. Ein gutes Beispiel – das ist natürlich reiner Zufall jetzt – gab es dafür beim Hochwasser im Juli des vergangenen Jahres. Im „Eifer des Gefechts“ wurde damals vergessen, über die eigens für solche Fälle geschaffene Warn-App „Gouvalert“ die Menschen in den Überflutungsgebieten zu warnen. Und als der rote Knopf dann doch irgendwann gedrückt wurde, blieb die Meldung wegen eines „abgelaufenen SSL-Zertifikats“ sonst wo hängen. Aber die App hätte ja eh nicht viel gebracht: „Einerseits stellen wir fest, dass die Menschen nicht sofort reagierten, sondern erst einmal abwarteten“, sagte die ehemalige Umweltministerin nach den Fluten über das Gouvalert-Versagen. Und stattdessen wurde dafür an anderer Stelle ja ausreichend getan. „Andererseits stellen wir fest, dass die bestehenden Hochwassermaßnahmen den Leuten etwas Zeit verschafft haben, um zu reagieren, ab dem Moment, in dem sie sich der Gefahr bewusst geworden sind.“
„Regierungsstellen“ sollen „Druck“ auf Da Costas Chef ausgeübt haben, damit dieser den jungen Meteorologen aus seinem Laden wirft und er erst mal seine Lebensgrundlage verliert. Bloß, weil dieser das Agieren der Behörden vor der Flut kritisiert hat. Also bitte! Die Anschuldigungen, die der Meteorologe Jeff Da Costa erhebt, können nicht der Wahrheit entsprechen. Wir sind hier doch nicht bei den Sopranos!
Falls die Anschuldigungen, die der Meteorologe Jeff Da Costa erhebt, der Wahrheit entsprechen würden, dann hätten wir in diesem Land ein riesiges Problem. Ein Problem, das so möglicherweise schon vor langer Zeit entstanden ist. Erst hat es sich klein und unscheinbar in Behörden, Ministerien, Institute und Gemeindeverwaltungen hineingenagt, langsam und stetig, und jetzt wäre es so langsam an den Grundfesten unserer Demokratie angelangt, jenen brüchigen Säulen, die unser Selbstverständnis, unser Selbstbewusstsein, unser Handeln und Denken, unseren Stolz tragen, wie in allen anderen liberalen Demokratien. Säulen wie die, die den Grundsatz trägt, dass man nicht dafür bestraft werden darf, wenn man seine Meinung äußert und die Behörden kritisiert.
Deshalb können die Anschuldigungen, die der Meteorologe Jeff Da Costa erhebt, nicht der Wahrheit entsprechen. Es wäre einfach ungeheuerlich, wenn sie stimmen würden.
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Guten Tag Herr Senzig,
die Säulen der luxemburgischen Demokratie sind seit 1933 beschädigt. Als ich 1995 auf Funktionsstörungen im luxemburgischen Staat hingewiesen habe und um Behebung derselbigen gebeten habe, wurde ich entlassen und verlor meine Lebensgrundlage. Dabei geht es um ein Thema von wirklich wichtigem öffentlichen Interesse.
▪ Fixierungsmaßnahmen im Ettelbrücker CHNP
Die Aussagen des „Anti-Folter Komitees“ des Europarates (CPT: Comité pour la Prévention de la Torture) in seinem Bericht über seinen Aufenthalt in der psychiatrischen Anstalt CHNP in Luxemburg im Jahre 2009:
„Le CPT tient à souligner que les patients soumis à des moyens de contention physique (sangles, etc.) doivent toujours être surveillés, en permanence et directement, par un membre du personnel soignant. La présence continue de ce dernier a pour but de maintenir la relation thérapeutique et de pouvoir si nécessaire assister les patients. A l’évidence, la vidéo surveillance ne saurait remplacer une telle présence. (…)“ http://www.mj.public.lu/actualites/2010/10/Rapport_CPT/091211_Rapport_CPT_2009_Luxembourg.pdf
▪ Ein Toter innerhalb von 15 Jahren
Fixierungsmaßnahmen im Ettelbrücker CHNP
„Meinen Informationen zufolge ist vor 15 Jahren ein Patient während einer Fixierungsmaßnahme im Ettelbrücker CHNP gestorben“, antwortete der Gesundheitsminister Mars Di BARTOLOMEO auf die Frage des Abgeordneten Jean COLOMBERA nach den Zwischen- und Todesfällen der vergangenen 15 Jahre während einer Fixierung, das heißt der Ruhigstellung von psychisch kranken Menschen mithilfe von mechanischen Vorrichtungen wie Gurten oder Riemen.
Die durchschnittliche Dauer der Ruhigstellung eines Patienten im Zustand der krankhaften Unruhe habe im Jahr 2008 7,75 Stunden betragen, so Gesundheitsminister Mars Di BARTOLOMEO (…).
Die Fixierungen würden in einem abgegrenzten, speziellen Raum durchgeführt, der Patient werde während der Maßnahme per Kamera überwacht. Ein Mitglied des Personals vergewissere sich darüber hinaus jede halbe Stunde über den Zustand des Patienten. Herr Dr. COLOMBERA gibt zu bedenken, dass Herr Prof. Dr. Wolfgang WERNER im „Lehrbuch der Krankenhauspsychiatrie“ schreibt, für die Dauer der Fixierung müsse eine Sitzwache am Bett des Kranken vorgesehen sein. Dies, um lebensbedrohende Situationen wie z. B. Erstickungsgefahr zu verhindern (…).
(Luxemburger Wort, 09.02.2010)
MfG
Robert Hottua
„Günstlings(wirt)schaft“ Darf ich Sie fragen wie alt Sie sind und wo Sie bisher gelebt haben?
Könnte man diese „Regierungsstellen“ nicht aufdecken? „Wir machen ihnen ein Angebot das sie nicht ablehnen können.“ Kommt einem doch bekannt vor. Leben wir wirklich in einer Gesellschaft in der das Wort des Priesters(Obrigkeit) noch mehr Gewicht hat als das eines Wissenschaftlers. Dabei muss das Wort eines Wissenschaftlers falsifizierbar sein,resp. es muss an anderer Stelle von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden können. Diese Voraussetzungen werden bei Theologen oder eben Regierungen nicht gefordert. Nach dem Motto: “ Wir machen es und warten erst mal ab was passiert.Wenn nichts passiert machen wir einfach weiter.“ ( JCJ ) Aber Da Costa ist ja nicht der erste Fall.