/ Künstlerische Abkühlung: „Il fait froid“ im Walferdinger Kulturzentrum
Noch bis zum 30. Juni kann man im CAW („Centre d’art de Walferdange“) auf künstlerische Art die Temperatur messen und entscheiden, ob man dem Titel der Ausstellung „Il fait froid“ recht geben möchte. Hier haben sich die Künstlerinnen Katarzyna Kot-Bach, Neckel Scholtus und Morgane Britscher mit Werken des 2009 verstorbenen luxemburgischen Künstlers Ben Heyart auseinandergesetzt. Ein Gespräch mit der Kuratorin der Ausstellung, Fanny Weinquin.
Tageblatt: In der öffentlichen Wahrnehmung steht der Beruf der Kuratorin meist im Hintergrund. Viele Laien sind sich nicht bewusst, worin deren Aufgaben bestehen. Nun wurde im Rahmen dieser Ausstellung ein Dialog zwischen verschiedenen Künstlern hergestellt, der in einem künstlerischen Resultat gemündet ist. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen? Macht man die Künstlerinnen „nur“ miteinander bekannt oder begleitet man die darauf folgenden Diskussionen auch?
Fanny Weinquin: Der Begriff der Kuratorin geht auf das lateinische Verb „curare“ zurück, was unter anderem „pflegen“ bedeutet. Meiner Auffassung nach trifft es dies eigentlich recht gut. Denn die kuratorische Tätigkeit geht definitiv mit dem längerfristigen Begleiten von Menschen einher. Der Job würde seinen Sinn verlieren, bestünde er lediglich darin, ein Büchlein mit Kontakten zu zücken, einige Namen herauszupicken und weiterzugeben.
Ebenso hängt die Arbeit von vielen weiteren Faktoren ab, darunter natürlich das Konzept, das die jeweilige Institution, für die man arbeitet, verfolgen möchte. Hier ist von einer möglichen „carte blanche“ bis hin zur Vorgabe des Formats und der Künstler fast alles möglich. Das CAW verfährt schon länger nach dem Prinzip des Zusammenbringens von Künstlern älterer Generationen mit jüngeren. Für die Organisatoren stand fest, dass eine Ausstellung über das Werk von Ben Heyart stattfinden sollte. So beschäftigte ich mich erst einmal selbst ausgiebig mit seinen Werken. Dank der Familie des verstorbenen Künstlers, die sich der Verantwortung, die sie als Verwalter seines Nachlasses trägt, sehr bewusst ist, konnte ich alles sichten und eine Auswahl treffen.
Als Hauptthema kristallisierte sich die Natur heraus. Davon ausgehend machte ich mich auf die Suche nach passenden Künstlern, um sie mit ihm in einen künstlerischen Dialog zu setzen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es vielen hilft und guttut, einen anderen Blick auf ihr Schaffen zu bekommen. Oft stecken sie selbst so tief drin, dass sie nicht auf Anhieb die Distanz dazu haben. Ich stelle immer wieder fest, dass viele unter ihnen empfänglich für Feedback sind, selbst wenn die Meinungen weit auseinander liegen können. Unsere Zusammenarbeit verlief sehr organisch und reichte von vorbereitenden Gesprächen bis hin zur Konsensfindung beim Anbringen der Kunstwerke. Dieser von Offenheit geprägte Austausch war definitiv wertvoll.
„Il fait froid“ ist dem Titel eines Bildes von Heyart entliehen. Das Thema bindet sich – zumindest dem ersten Eindruck nach – stark in die aktuelle Klimadebatte ein, da es unter anderem um Vergänglichkeit und ungeschütztes natürliches Kulturerbe geht. Wie politisch sind die gezeigten Kunstwerke?
Erst mal zum Titel: Die ausgestellten Werke aller vier Künstler geben tatsächlich eine etwas kalte Atmosphäre wieder. Zumindest kann es auf den ersten Blick so wirken. Jedoch bedeutet dies nicht, dass wenn man sich ihnen länger widmet, man nicht noch ganz andere Stimmungen wahrnehmen kann.
Ich würde die Kunstwerke mehr als Denkanstöße denn als politische Manifeste bezeichnen. Es wäre zu weit hergeholt, bei Ben Heyarts Kunst primär eine politische Lesart anzuwenden. Klar ist hingegen, dass er die Natur immer wieder oder sehr eingehend beobachtet hat. Man spürt definitiv seine Leidenschaft für sie, spezifischer noch für detailreiche kleine Elemente, die man im Wald wiederfindet, beispielsweise Wurzeln. Man stößt bei ihm auf Motive, für die man sich selbst vielleicht nicht auf Anhieb interessieren würde.
Das Element der Kälte kehrt in Form von Farbgebungen, dem Licht oder den Jahreszeiten, zu denen die Natur dargestellt ist, wieder. Mit den neu entstandenen Werken erweitern die Künstlerinnen den Naturbegriff auf ihre Art um eigene Reflexionen.
Bei dieser Ausstellung treffen unterschiedliche (Künstler-) Generationen aufeinander. Wie wichtig ist dieser intergenerationelle Austausch?
Ich durfte sehen, mit welchem Engagement und Respekt sich alle Künstlerinnen den Werken Heyarts angenähert haben und sie im Detail studierten. Obwohl etliche Jahre zwischen Ben Heyart und den Künstlerinnen liegen, ist das Interesse gegenüber der Natur ähnlich – nur mit dem Unterschied, dass Letztere diese zu einem anderen Zeitpunkt erleben und sie rein stilistisch gesehen anders umsetzen.
Wenn man nun die Generationendebatte auf das Publikum ausweitet, kann es ebenso spannend für junge Menschen sein, zu sehen, wie Ben Heyart seinerzeit im Gegensatz zu heutigen Künstlern gearbeitet hat, und für ältere Ausstellungsbesucher eröffnet sich die Möglichkeit, zu erfahren, wie junge zeitgenössische Kunstschaffende die Thematik aufgreifen.
Als ich mich auf die Suche nach Leihgaben machte, stieß ich unter anderem auf Besitzer, die aus der gleichen Generation wie Heyart stammten. Hiermit kommen wir zu einem weiteren, durchaus spannenden Punkt: Denn es geht schließlich um luxemburgisches Kulturerbe, dessen Schaffung viele Jahre zurückliegt und das riskiert, von der jüngeren Generationen gar nicht erst wahrgenommen zu werden. Gelegenheiten wie diese helfen dabei, das zu verhindern. Aber damit das gelingen und keine wichtigen Werke in Vergessenheit geraten, muss jeder seinen Teil dazu beitragen. In diesem spezifischen Fall ist es von unschätzbarem Wert, dass die Erben von Ben Heyart, also die Familie, ihre Rolle sehr ernst nehmen.
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