/ Kultur oder Kommerz: Öffentliche und private Vorstellungen zur Zukunft der Gebläsehalle in Belval
Nachdem die Gebläsehalle auf Belval über zehn Jahre lang leer stand, sollte sie eigentlich für die Europäische Kulturhauptstadt 2022 genutzt werden. Daraus wird jetzt nichts. Die Kulturministerin kann sich eine nachhaltige Nutzung des Gebäudes trotzdem weiter vorstellen. Ideen sowohl für eine öffentliche als auch für eine private Verwendung liegen jedenfalls vor.
Die um 1911 errichtete Gebläsehalle in Belval kann bekanntlich nicht für die Europäische Kulturhauptstadt 2022 genutzt werden (siehe: Esch 2022 kann nicht in die Gebläsehalle). Bei Analysen seien Sicherheitsmängel festgestellt worden, die bis 2022 nicht behoben werden könnten, hatte Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) am Samstag auf Nachfrage erklärt. Durchgeführt hat diese Untersuchung die für Belval zuständige öffentliche Einrichtung Fonds Belval, die nicht zuletzt schon wegen des Teilabrisses des „Highway“ auf der Hochofenterrasse in der Kritik stand.
Die Generaldirektorin von Esch 2022, Nancy Braun, meinte am Donnerstag, es sei „sehr schade“, dass die Gebläsehalle nicht für Esch 2022 zur Verfügung stehe. Mit dem Fonds Belval suche man jetzt nach einem anderen Hauptquartier für die Kulturhauptstadt. Die „Amicale des hauts fourneaux A et B“, die sich seit über zehn Jahren für Industriekultur in Belval engagiert, zeigt sich enttäuscht, dass die Halle bis 2022 nicht instandgesetzt werden kann. „Seit der ‚All we need‘-Ausstellung 2007 ist nichts mehr passiert. Sie hatten zwölf Jahre Zeit, um die Halle zu reparieren“, bedauert ihr Präsident Dan Cao.
Doch was bedeutet die neue Wendung für die Zukunft der Halle? Sam Tanson erklärte am Donnerstag auf Nachfrage, sie sei noch immer der Meinung, dass nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten für die Gebläsehalle gefunden werden sollten. Das Kulturministerium mache sich zurzeit Gedanken darüber, zu welchen Zwecken die Halle künftig verwendet werden könne. Spruchreife Pläne gebe es noch nicht.
Ideen von „Eise’Stol“
In einem Workshop hatte die im Rahmen der Kandidatur der Südregion für das Unesco-Programm „Man and the Biosphere“ gebildete Arbeitsgruppe „Eise’Stol“ Anfang März Ideen gesammelt, was mit und in der Gebläsehalle passieren soll. Zwar gingen die Teilnehmer dieser Workshops noch davon aus, dass die Halle schon 2022 zumindest teilweise genutzt werden könne, doch ihre Pläne gehen weit über das Kulturjahr hinaus. So äußerte eine Arbeitsgruppe die Idee, ein Museum über die Geschichte der Stahlindustrie in Luxemburg in dem Gebäude unterzubringen. Eine andere konnte sich vorstellen, ein Museum für historische und zeitgenössische Kunst dort einzurichten.
Fast alle Teilnehmer seien der Ansicht gewesen, dass die 160 Meter lange, 72 Meter breite und 28 Meter hohe Gebläsehalle nicht nur eine Funktion haben sollte, sondern vielfältig genutzt werden müsse, heißt es im von Robert Garcia verfassten Abschlussbericht zum Workshop „HallzWeNeed 2“. Die Bandbreite reicht von Lagern und Galerien für Kunstwerke über Räume für öffentliche Verwaltungen, Institutionen und Vereinigungen bis hin zu Ateliers für Künstler und Musiker oder kreative Räume für Studenten. Auch wenn eine teilweise gewerbliche Nutzung (Cafés, Restaurants, kleine Läden) bei diesen Vorstellungen nicht ausgeschlossen wird, so sind sich die Workshop-Teilnehmer einig, dass die Finanzierung und Verwaltung der Halle von öffentlichen Trägern wie dem Ministerium für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur oder dem Fonds Belval übernommen werden sollte.
Parallel zu den Bestrebungen der Arbeitsgruppe „Eise’Stol“ hat Bauherr Eric Lux mit seinem Immobilienunternehmen „Iko Real Estate“ ein Projekt für eine private Nutzung der Gebläsehalle ausgearbeitet. Iko plant zurzeit auch die Neugestaltung der Escher Industriebrache „Lentille Terre Rouge“ an der Grenze zu Frankreich. Anders als die Gebläsehalle ist die „Rout Lëns“ (wie das Projekt mittlerweile heißt) nicht im Besitz des Staats, sondern das Areal gehört ArcelorMittal.
Privates Konzept
Lux will zwar einige Industriemaschinen in der Gebläsehalle ausstellen, doch sein vorläufiger Entwurf namens „Colline habitée de Belval“ setzt vor allem auf alternative und gemeinschaftliche Wohn- und Arbeitsformen (sogenanntes „Co-living“ und „Co-working“). Ein Fitnesscenter, kleine Läden und noch nicht näher definierte begrünte „Freizeiträume“ sollen Bewohner und Gäste unterhalten. Das Dach soll zugänglich gemacht werden und neben einem kleinen öffentlichen Bereich und einem Garten ein Restaurant, eine Rooftop-Bar und eine Lounge beherbergen. 300 Wohneinheiten auf einer Fläche von 12.000 Quadratmetern, 8.000 Quadratmeter Bürofläche, 5.000 Quadratmeter für Vergnügung sowie 245 Parkplätze sieht das Iko-Konzept vor.
Die Kontakte der Regierung zu Lux reichen in den September 2018 zurück, als Guy Arendt (DP) noch Staatssekretär im Kulturministerium war. Bis Januar 2019 wurde das Konzept aber noch einmal überarbeitet.
Die Idee, Wohnungen in der Gebläsehalle einzurichten, stößt Tageblatt-Informationen zufolge sowohl bei Verantwortlichen von ArcelorMittal als auch des Staates auf wenig Verständnis. Die Industriehalle grenzt direkt an das aktive Stahlwerk, wo zurzeit noch rund 1.200 Menschen beschäftigt sind. Zudem dürfte sie nach über 80 Jahren Betrieb deutliche Spuren von Verseuchung durch Schadstoffe aufweisen, was sie für Wohnzwecke ungeeignet macht.
Die Mit-Regierungspartei LSAP sorgt sich derweil um die Zukunft der Gebläsehalle. Die Abgeordneten Lydia Mutsch, Mars di Bartolomeo und Franz Fayot haben am Montag gemeinsam eine parlamentarische Anfrage an die Kulturministerin gestellt. Sie wollen wissen, wie es dazu gekommen ist, dass die Halle doch nicht für Esch 2022 genutzt werden kann und ob Nancy Braun beim Monitoring der Kulturhauptstadt am 5. Juni vor der EU-Kommission eine Alternative vorstellen kann. Die LSAP-Fraktion im Escher Gemeinderat hat für die Sitzung von Freitag eine Diskussion über die Gebläsehalle auf die Tagesordnung setzen lassen.
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