Editorial / Kulturelle Sinnkrise und gefährliche Erlebnismodelle
2020 ist nicht nur ein schwarzes Jahr für die Kultur, es wird ein Jahr der Wende gewesen sein. Obschon nicht nur der psychologische und der gesellschaftliche, sondern auch der wirtschaftliche Stellenwert der Kultur in zig Artikeln faktisch bewiesen wurde, obschon es keine nachweisbaren Infektionsherde in Kinos, Theater- oder Kulturhäusern gab und diese fast als Einzige ein niet- und nagelfestes Hygienekonzept entwickelten, musste die Kultur erneut schließen, während sich in Kirchen weiterhin getroffen und gebetet werden konnte. Und das nicht nur in Luxemburg, dem der Ruf eines konservativen Pfaffenstaats immer noch anhaftet, sondern auch in Frankreich, dem Land, das den Säkularismus erfunden hat – so will es immerhin das Selbstbild dieser Nation.
Apropos: Das Selbstbild der Kultur ist am Bröckeln. Weil die Kultur aber per se nichts falsch gemacht hat und dennoch die Konsequenzen einer neoliberalen Politik tragen muss, in der Flugzeuge gerammelt voll fliegen dürfen und der Einzelhandel erst nach Weihnachten schließen muss – also nachdem sich Menschenmengen auf engstem Raum ihres Geldes entledigen durften –, führt dieses bröckelnde Selbstbild nicht etwa zu einer kritischen Hinterfragung der Kulturpraxis, sondern zu einer Sinnkrise. Die zwei Möglichkeiten, die sich abzeichnen, um Kulturevents auch in Zeiten der Pandemie aufzuziehen, sind nicht nur unzufriedenstellend, sie schlagen zudem auch zwei äußerst fragwürdige Richtungen ein.
Nachdem ab November nur noch vor ca. 50 Menschen gespielt werden durfte, wird nun stellenweise in ganz, ganz engen Kreisen aufgeführt: Theater- und Tanzproduktionen werden vor einem auserwählten professionellen Publikum uraufgeführt – elitärer geht’s nicht. Das ist Kultur von Mäzenen für Mäzene. – Die Alternative? Das Heilmittel Streaming. Streamen kann man immer und überall, beim Streamen infiziert sich niemand – das Kulturministerium ermutigt folglich die digitale Übertragung von Events (Fördergelder von 5.000 Euro werden angeboten), um so dem bevorstehenden Eventstau vorzubeugen.
Viele Bands bieten mittlerweile ein kostenpflichtiges Live-Streaming von Konzerten an, die in menschenleeren Hallen gefilmt werden. Ein Zielpublikum, das eine Konzertdurststrecke von nunmehr fast einem Jahr erlebt, weiterhin mit Live-Musik zu verwöhnen – die Idee an sich ist lobenswert.
Gleichzeitig schält sich aber ein Geschäftsmodell heraus, dessen wirtschaftliche Attraktivität auf Dauer bedenkliche Konsequenzen haben könnte: Bei einem gestreamten Konzert kann man nicht nur mehr Karten verkaufen, man spart zudem alle möglichen Kosten, die durch das Touren entstehen. Unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit – schließlich ist der ökologische Fußabdruck einer Konzert-Tournee alles andere als klein – kann so viel Geld für weniger Aufwand gescheffelt werden: Im Neoliberalismus setzt sich stets das lukrativste Geschäftsmodell durch. Gut dabei ist: Das in der Musikbranche bisher wirtschaftlich eher zerstörerische Medium Internet beginnt allmählich, interessant zu werden. Speziell einer jungen Generation, deren erste Konzerterfahrungen heute digital sind, kann man diese Erfahrung auch dauerhaft schmackhaft machen – wer das Original nie kennenlernte, wird den schalen Abklatsch mögen.
Wer allerdings die Erfahrung eines Live-Konzerts zu lieben gelernt hat, weiß, dass in der digitalen Übertragung die Quintessenz eines kulturellen Erlebnisses verloren geht. Das Besondere an Theaterbesuchen und Konzerten ist die gemeinschaftliche Erfahrung. Und auch wenn das Internet den Austausch von Erfahrungen erleichtert hat – was wir letztlich im Gerangel eines Live-Konzerts auch suchen, ist die Wärme eines körperlichen Austauschs, den die Hitze eines überlasteten Rechners nie und nimmer bieten kann.
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Wer die Kultur auf gemeinschaftliche Erfahrung , die Wärme eines körperlichen Austauschs reduziert ist Teil der Konsum- und Spaßgesellschaft und verkennt den Freiraum den das kulturelle Schaffen bietet, dem Mainstream entgegenzuwirken und etwas zu ändern.
Ob Streaming oder DVD, das Erlebnis ist doch das Gleiche. Ich sehe keine „tragische“ Verhaltensänderung, sondern nur eine Entwicklung, die sowieso schon angelaufen war – und die natürlich keine Live-Konzert-Atmosphäre ersetzen kann, weder für die Zuschauer noch für die Künstler.
Das Geschäftsmodell zu beklagen, macht keinen Sinn. Dann müssten Sie auch Live-Konzerte im Radio, im Fernsehen, auf LP, Kassette, CD, DVD und mp3 beklagen. Schließlich werden die Künstler auch in diesen Fällen bezahlt.
also éierlech, ween huet dann lo en nerv fir kultur a sport??? leit hunn aner suergen, risikopatienten, covid-kranker déi pickt kultur de moment kee meter, woubei kultur e weite begreff ass, wat ech zb vun luxo kultur gesinn, zb, feck letzebuerg… ass fir mech keng!