Luxemburg / Kulturerbe soll besser geschützt werden: Parlament beschließt neues Gesetz
Lange war daran gearbeitet worden. Gestern wurde es im Parlament verabschiedet: das neue Gesetz zum Schutz des Kulturerbes. Es regelt die Prozeduren zur Erhaltung der archäologischen, architektonischen, mobilen und immateriellen Kulturgüter. Das alte Denkmalschutzgesetz stammte von 1983.
Berichterstatterin Djuna Bernard („déi gréng“) bezeichnete die Gesetzesvorlage als Meilenstein in der Luxemburger Kulturgeschichte. Es gehe dabei nicht nur um Scherben im Boden und alte Häuser. Das Gesetz regele den Umgang mit unserem materiellen und immateriellen Erbe, damit auch die nachfolgenden Generationen dieses nutzen könnten. Das Gesetz schaffe klare und transparente Prozeduren zum Schutz und zur Nutzung des Kulturerbes. Es verankere des Weiteren zuvor von Luxemburg unterschriebene internationale Konventionen zum Thema.
Insbesondere beim Denkmalschutz weist Luxemburg bisher erheblichen Rückstand verglichen mit anderen EU-Ländern auf. Laut François Benoy („déi gréng“) sind in Frankreich drei Prozent der Gebäude und in Deutschland zwischen drei und fünf Prozent geschützt, in Luxemburg lediglich 0,8 Prozent. Derzeit sind 1.877 Gebäude und Gegenstände geschützt. Fast die Hälfte davon wurde erst in den letzten zehn Jahren der Liste hinzugefügt.
Im Bereich Archäologie wird erstmals das Prinzip der präventiven Archäologie festgeschrieben. Bisher fanden archäologische Untersuchungen an Baustellen lediglich statt, nachdem man bei den Arbeiten auf historisch interessante Elemente gestoßen war. Dazu mussten die Bauarbeiten gestoppt werden. Mit dem neuen Gesetz werden Areale, die sich in archäologisch interessanten Zonen befinden, noch vor dem Baubeginn präventiv auf mögliche wertvolle und schützenswerte archäologische Überreste untersucht. Diesen Nachforschungen wird ein zeitlicher Rahmen gesetzt. Außerdem werden die Vertragsfristen für die am Projekt beteiligten Unternehmen ausgesetzt. Teure Baustopps würden in Zukunft verhindert, so Bernard.
Inventar schützenswerter Gebäude
Fundamental neu wird auch der klassische Denkmalschutz organisiert. Bisher wurden national relevante Denkmäler auf Antrag hin klassiert. Viele Gebäude konnten nicht gerettet werden, weil der Antrag dazu zu spät gestellt wurde.
In Zukunft werden Mitarbeiter des Kulturministeriums auf Grundlage wissenschaftlicher Kriterien für jede Gemeinde ein Inventar schützenswerter Gebäude erstellen. Dabei können auch ganze Bauensembles und ihre nähere Umgebung unter Schutz gestellt werden. Diese Bestandsaufnahme wird für jede Kommune in ein großherzogliches Reglement gegossen. Um während der Zeit der Inventur der Zerstörung wertvoller Bausubsanz zuvorzukommen, wird eine Art Sicherheitsnetz gespannt, wie Djuna Bernard es nannte. In einer Übergangszeit von zehn Jahren nach der Inkraftsetzung des Gesetzes müssen jegliche Veränderungen an Gebäuden, die von einer Gemeinde zuvor im PAG als schützenswert eingestuft wurden, dem Ministerium mitgeteilt werden. Die Behörde kann gegebenenfalls eine Klassierungsprozedur einleiten, heißt es dazu im schriftlichen Bericht zur Gesetzesvorlage.
Besser geschützt werden soll in Zukunft auch das mobiliare Kulturerbe: Bilder, Münzen, Statuen, Möbel usw. Eingeführt wird ein Zertifikat für den Export derartiger Kulturgüter und Kunstgegenstände, was insbesondere für den Kunsthandel von Bedeutung ist. Keine Bescheinigung bekommen jedoch die auf der Liste geschützter Gegenstände stehenden Objekte. Ausdrücklich verboten wird im selben Atemzug der Import von Kulturgegenständen ohne Exportzertifikat des jeweiligen Landes. Zum immateriellen, nunmehr geschützten Erbe zählen Traditionen, Veranstaltungen und Gebräuche wie die „Éimaischen“, die „Schueberfouer“ oder die Springprozession. Auch hierzu wird ein Inventar erstellt.
Die Gesetzesvorlage wurde mit Ausnahme der ADR und der Piratenpartei von allen Parteien getragen. Sie selbst habe als damalige Kulturministerin bereits erste Schritte zur Reform eines mehr als 20 Jahre alten Gesetzes eingeleitet, rief Octavie Modert (CSV) in Erinnerung. Sie bedauerte jedoch, dass Verbesserungsvorschläge des Gemeindesyndikats Syivicol zur Vereinfachung der Schutzprozeduren nicht berücksichtigt wurden.
Denkmalschutz nicht gegen Wohnungsnot ausspielen
André Bauler (DP) zufolge werde mit dem neuen Gesetz geschützt, was schützenswert sei, angefangen vom Arbeiterhaus im Süden bis zum Bauernhaus auf dem Land, vom Patrizierhaus in Luxemburg bis zum Winzerhaus an der Mosel. Das neue Gesetz soll helfen, zu retten, was noch zu retten ist, so Bauler. Es sei im Interesse einer jeden Gemeinde, dass das wissenschaftliche Inventar schnellstmöglich erstellt werde. Dazu würde der zuständige Dienst des Kulturministeriums in jeder Ortschaft vorbeischauen.
Lydia Mutsch (LSAP) erinnerte daran, dass die Hälfte der heute geschützten Gebäude und Elemente in den letzten zehn Jahren unter Schutz gestellt wurden, obwohl schon seit 1927 eine rechtliche Grundlage dazu vorhanden war. Die Zahlen belegten, dass sich das Bewusstsein für Denkmalschutz entwickelt habe. Dennoch seien weitere Anstrengungen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit notwendig.
Denkmalschutz dürfe nicht gegen Wohnungsnot ausgespielt werden, betonte François Benoy („déi gréng“). Benötigt würde eine engagierte Politik für Naturschutz, Denkmalschutz und Wohnungsbau. Er hinterlegte eine von allen Parteien getragene Motion, die die Regierung auffordert, in drei Jahren die Umsetzung des neuen Gesetzes zu bewerten.
Partizipativer Prozess
Weniger optimistisch als seine Vorredner zeigte sich Fred Keup (ADR). Er warf den Bewunderern harmonischer Dörfer in der Toskana vor, dem Abriss historischer Bausubstanz in Luxemburg zuzustimmen, und nannte dabei unter anderem das Bahnhofsgebäude in Ettelbrück, die „Keeseminen“ in Esch und rund 200 Bauernhäuser. Das alles hätte man auch ohne neues Gesetz verhindern können. Auch wenn es gute Ansätze beinhalte, sei das neue Gesetz lediglich ein zahnloser Tiger. Es fehle der politische Mut, Häuser auch gegen den Willen der Eigentümer zu schützen. Die ADR enthielt sich.
Zustimmung fand die Gesetzesvorlage hingegen bei „déi Lénk“. Es habe bisher keine Denkmalschutzkultur gegeben, bedauerte Nathalie Oberweis. Das ändere sich mit vorliegendem Projekt. Der Denkmalschutz bekomme nun denselben Stellenwert wie der Naturschutz. Dabei gehe es nicht darum, Luxemburg in ein Museum zu verwandeln. Das Kulturerbe helfe vielmehr, Geschichte kennenzulernen und zu verstehen. Dafür müsse nicht alles geschützt werden.
Auch wenn die „Piratepartei“ in vielen Punkten die Ansicht der Mehrheit teilte, enthielten sich ihre zwei Abgeordneten bei der Abstimmung. Sven Clement befürchtete, dass die archäologischen Sondierungen und mögliche Ausgrabungen zu Preissteigerungen bei Neubauprojekten führen könnten. Die Übergangszeit von zehn Jahren bei schützenswerten Häusern in den Gemeinden sei problematisch. Sie schaffe viele Unklarheiten für die Besitzer der gelisteten Häuser, so Clement, der eine stärkere Einbindung der Bevölkerung forderte.
Archäologische Sondierungsarbeiten würden nicht allzu kostspielig, sollte Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) den Befürchtungen von Clement entgegenhalten. Teurer würden jedoch Ausgrabungsarbeiten. Die Inventarliste schützenswerter Gebäude werde öffentlich diskutiert. Auch die jeweilige Gemeinde werde sich dazu äußern können. Tanson sprach von einem partizipativen Prozess.
Das Gesetz wurde mit 54 Stimmen angenommen. Sechs Abgeordnete enthielten sich.
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Majo, da kënnten d’Politiker jo am Fall vun der Ettelbrécker Gare beweisen, dass et hinnen eescht gemengt ass. Virun allem déi Gréng kënnte beweisen, dass si net bereed sinn, dat historescht Gebai fir e Stroossebauprojet ze afferen.