Editorial / Kulturmüde Medien? Über einen Beruf, der zu verschwinden droht
Gestern wurde in den Rotondes im Rahmen eines vom Kulturministerium organisierten Workshops eifrig über die (trost- und perspektivlose) Zukunft des Kulturjournalismus debattiert. Im Laufe der „Assises culturelles“ hatten sich Kulturschaffende und Kulturhäuser immer wieder über die mangelhafte Arbeit der Presse beklagt, sodass kurzum entschieden wurde, Vertreter beider Metiers gemeinsam einzuladen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und Missstände zu klären. Eine Feststellung war: Kulturschreiberlinge sind die Bienen unter den Journalisten. Sie sind emsig, fleißig – und vom Aussterben bedroht.
Was unter anderem ins Auge stach, ist die Kluft zwischen der Menge an Kulturhäusern (140) und Kulturevents (laut einer rezenten Studie über 600 innerhalb von drei Monaten) und der Zahl an fest angestellten Kulturjournalisten: eine Handvoll, verteilt über die verschiedenen Redaktionen des Landes, bei denen es jeweils etwa zwischen einem und vier Kulturjournalisten gibt.
Dass die Situation im Ausland nicht viel besser aussieht, tröstet kaum darüber hinweg, dass in Luxemburg immer weniger über Kultur berichtet wird. Heute wird mehr denn je produziert – ein Fakt, der in puncto Nachhaltigkeit übrigens auch nicht unproblematisch ist –, überforderte Kulturredaktionen werden mit Pressemitteilungen überhäuft, können aber wegen der schwindenden (Wo)manpower, die ihnen zur Verfügung steht, längst nur noch einen Bruchteil dessen, was hierzulande läuft, abdecken.
So gab es beispielsweise über „Under the Sun“ von Elise Schmit keine einzige Rezension – mit dem mehr als problematischen Resultat, dass weder die Autorin ihr Portfolio noch das Kulturhaus sein Pressedossier mit Artikeln bereichern konnte. Zudem fiel auch die fürs Publikum wichtige Empfehlungsfunktion des Kritikers oder der Kritikerin weg.
Die Gründe für das Dahinschwinden des Kulturjournalismus sind vielfältig: Redaktionen stellen heutzutage viel lieber Allrounder ein – dabei braucht es eine spezifische (Aus)bildung, um Theaterrezensionen oder Literaturkritiken zu verfassen. Aufwendige und teure Studien bei der Leserschaft ergeben zudem regelmäßig, dass Buchbesprechungen weniger gelesen werden als Berichterstattungen zu großen Festivals, die wiederum weniger Seitenaufrufe generieren als chiens écrasés, lebendige Katzen oder Erfolge bei der Tour de France.
Erstaunen tut das nur jemanden, der das Internet und die Erfindung von Katzenvideos verschlafen hat – aber kann man deswegen (digitale) Tageszeitungen nur noch mit Bob Jungels, tollpatschigen Hunden und fiesen Katzen füllen, während gleichzeitig, wie man es mittlerweile immer wieder hört, Kulturschaffende und Kulturhäuser eingeflößt bekommen, sie müssten immer mehr Aspekte der journalistischen Arbeit zunehmend selbst übernehmen? Wenn alle Kulturakteure plötzlich auch Kulturjournalismus betreiben, fällt die analytische Kompetenz der Kritik weg. Wie praktisch, wenn der oder die Kulturschaffende plötzlich nur noch in der eigenen solipsistischen Blase unbeschwerten und distanzlosen (Eigen)lobs schwebt.
Paradoxerweise wurden während der Pandemie ständig Lanzen für die Kultur gebrochen, weil die Menschen irgendwann dankbar waren, dass es Netflix und Bücher gab, um sich vor der quälenden Langeweile des Lockdowns mit (oder ohne) Partner:in und Kinder zu retten. Knapp läuft die unermüdliche Wirtschaftsmaschine wieder, wird jedoch festgestellt, dass man sich Kultur und das dazugehörige Feuilleton vielleicht gar nicht mehr leisten mag. Aber eine Tageszeitung, die keine nennenswerten Kulturseiten mehr haben will, wird zum dystopischen Zerrbild. Denn so kulturlos wie viele unserer Medien ist die Welt (glücklicherweise) längst (noch) nicht.
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„dass man sich Kultur und das dazugehörige Feuilleton vielleicht gar nicht mehr leisten mag.“
kann.
Bravo, dat huet emol musse gesoot, villméi geschriwwe gin !
D’Tageblatt ass ëmmer op fir Kulturelles, nët wéi en anert „lëtzebuergescht“ Presseorgan !
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