Vergessenes Handwerk / Kunstschmied: Die Faszination von Feuer, Material und Kraft
Wer zu Romain Schleich (46) kommt, sieht sie sofort. Im Stockwerk über der Werkstatt haben sich seine Schüler verewigt. Die geschmiedeten Stücke sind alle unterschiedlich und sehr individuell. Schleich ist Kunstschmied und bildet regelmäßig Gesellen bei sich in seiner Werkstatt in Wecker weiter.
Romain Schleich ist kein Mann vieler Worte. Er spricht bedächtig, lässt sich Zeit, seine Gedanken zu formulieren. Es passt zu dem, was er tagtäglich tut. Schmiedearbeiten brauchen in erster Linie Zeit. Wenn die Eisenstücke glühen und er sie über dem Amboss in Form schlägt, ist er in seinem Element. Da würden Worte nur stören. Die Taten sprechen für sich. Und sie brauchen höchste Konzentration.
Wenn das Eisen zu kalt ist, bricht es. Nach über 25 Jahren im Beruf passiert ihm das kaum noch, denn er hat die richtige Temperatur im Gefühl. Wenn das Material sich dann nach seinen Schlägen biegt und die Form erreicht, die er beabsichtigt, ist er seiner Leidenschaft für den Beruf ganz nah. Immer noch fasziniert ihn das Zusammenspiel von Feuer, Material und Körperkraft.
Er fertigt auf Wunsch, hat überwiegend Privatkunden. Selbst die mehr als 30 verschiedenen Hämmer, die in Reichweite neben der Feuerstelle hängen, stellt er selbst her. Jeder hat eine andere Form. Er ist einer von neun Kunstschmieden in Luxemburg, die nach Angaben der Handwerkskammer im Jahr 2020 das Handwerk ausüben. Das sind die letzten verfügbaren Zahlen.
Von Geländern bis zu großformatigen Skulpturen
25 Menschen sind laut derselben Quelle 2020 bei Kunstschmieden beschäftigt, was erstaunlich ist. 30 Jahre zuvor hatte die Handwerkskammer gar keinen Kunstschmied im Land registriert. Das Gleiche gilt für die Jahrtausendwende. 2010 gab es immerhin fünf – mit steigender Tendenz. Und das, obwohl einer, der es macht, sagt: „Es gibt nicht mehr viele, die diesen Beruf noch erlernen wollen.“
Online-Bestellungen und veränderte Konsumgewohnheiten haben Sinn und Wertschätzung für seine Handarbeit verändert. Bislang lebt er noch gut in seiner Nische. Er liebt das, was er macht – auch wenn die Arbeit mit Eisen manchmal an die körperliche Substanz geht. Einen anderen Beruf auszuüben kann er sich nicht vorstellen. Der kreative Prozess, über Form, Material und Aussehen nachzudenken, noch bevor das Eisen jemals Feuer gesehen hat, fordert ihn.
Schleich hat noch gelernt, erste Entwürfe aus der Hand zu zeichnen und seine Ideen ohne Software zu visualisieren. Ist ihm schon mal etwas danebengegangen? „Ja, die Arbeit mit dem Ding da“, sagt er und nickt in Richtung seines Laptops. „Da bin ich nicht gut.“ Auffallend und formschön sind dagegen seine Skulpturen, die in Junglinster, Roeser und sogar in den USA stehen.
In der Gemeinde Belgium im US-Staat Wisconsin haben ausgewanderte Luxemburger ihrer Heimat mit dem „Roots and Leaves Museum“ ein Denkmal gesetzt. Schleich hat den „Lebensbaum“ im Museum gestaltet. Die Fotos der neuen Wahl-Amerikaner hängen daran. Der Dirigent, der mit langen, ins Gesicht fallenden Haaren vornüber gebeugt vor dem Kulturzentrum von Junglinster steht, stammt ebenfalls von ihm.
Kunst im öffentlichen Raum
Den Teil „Kunst“ in seiner Berufsbezeichnung hat Schleich nach der Lehre auf der Walz perfektioniert. Wie die Zimmermänner in Deutschland bildet er sich damals bei Schmieden in Frankreich, Italien und Holland weiter. Er ist nicht nur naturgemäß ein Fachmann für die verschiedenen Sorten Material, die er verarbeitet.
Schleich kennt sich in allen Kunstepochen aus und sagt: „Jugendstil ist mein Lieblingsstil.“ Darin tobt er sich gerade an einem Geländer aus, das er für ein historisches Gebäude schmiedet. Es vereint Kunst und Alltagstauglichkeit. Andere Arbeiten wie der „Dirigent“ sind reine Kunst. Im Kreisverkehr „op Fréinen“, nahe der Sporthalle in Junglinster, steht eine Kugel.
Je nach Perspektive des Autofahrers und im Spiel von Licht und Schatten zeigen die geschmiedeten Scheiben, aus denen die Kugel zusammengesetzt ist, einen Herzschlag. Es stammt aus seiner Werkstatt und ist in vielen Monaten Arbeit entstanden. Kunst im öffentlichen Raum ist sein Element. „Op Fréinen“ war ein guter Anfang, denn ein Traum ist schon lange offen. „Ich würde gerne mal einen Kreisverkehr komplett gestalten“, sagt er. Bleibt zu hoffen, dass ihm das eines Tages gelingt.
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