/ Kurz mal Lissabon updaten – Österreichs Kanzler will Sanktionen für Vertragsbrecher
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kommt mit der ambitionierten Forderung nach einem „Update“ für den EU-Vertrag von Lissabon zum EU-Gipfel. Doch er hat noch nicht einmal seinen Koalitionspartner FPÖ davon überzeugt.
Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien
Alles besser machen. Nicht nur Österreich, sondern gleich die ganze EU. Mit diesem hochtrabenden Anspruch zieht die ÖVP in den EU-Wahlkampf und Kanzler Kurz diese Woche nach Sibiu (Hermannstadt). Dort will der Kanzler seinen EU-Kollegen beim Gipfel seine Reformvorstellungen präsentieren.
Aus dem schon oft gehörten Anliegen, die EU müsse „robuster und stärker“ werden, leitet Kurz konkrete Forderungen ab, die freilich zum Teil schon jetzt ohne jegliche Vertragsänderung umsetzbar wären, wenn die EU-Mitglieder einig wären. So wie daheim will Kurz auch der EU ein bisschen mehr Law and order verordnen.
Sanktionen gegen Schuldenmacher
„Für Mitglieder, die Schulden machen“, soll es verschärfte Sanktionsmechanismen geben. Konkret nannte er dabei am Montag Italien. Strafen will Kurz auch „für Länder, die illegale Migranten nicht registrieren und durchwinken“. Außerdem fordert der Kanzler „harte Konsequenzen bei Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit und die liberale Demokratie“.
Sanktionen für Verstöße gegen die gemeinsamen Haushaltsregeln sieht der EU-Vertrag schon jetzt vor. Faktisch ist dies jedoch totes Recht, weil außer Winks mit dem Zaunpfahl – sprich: blauer Brief aus Brüssel – Sanktionen in der Realität nicht beschlossen werden (können).
Nur wenige EU-Länder erfüllen derzeit die Maastricht-Regeln bezüglich Budgetdefizit und Verschuldung. Österreich gehört mit einer Schuldenquote von knapp 74 Prozent des BIP nicht dazu.
Keine neue Forderung
Auch Kurz’ Ruf nach einer Verkleinerung der EU-Kommission ist weder neu, noch bedürfte es dafür einer Reform des Lissabon-Vertrages. „Es gibt bereits heute mehr Kommissare als Aufgabenbereiche. Jedes Mal, wenn es in Europa ein Problem gibt, schlägt man eine neue Behörde vor“, geriert sich Kurz als Kämpfer gegen „Überbürokratisierung und Überregulierung“.
Freilich: Wann immer in der EU eine neue Behörde zu gründen beziehungsweise wie jetzt im Zuge des Brexit umzusiedeln war, beteiligten sich die Österreicher eifrigst am Ringen um den Standort dafür.
Für die Verkleinerung der EU-Kommission müsste lediglich Artikel 167, Absatz 5 des Lissaboner Vertrages umgesetzt werden, der klipp und klar festlegt: „Ab dem 1. November 2014 besteht die Kommission aus einer Anzahl von Mitgliedern, die zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht …“ Vollständig lautet der Satz freilich: „… sofern der Europäische Rat nicht einstimmig eine Änderung dieser Anzahl beschließt“. Genau das ist vor sechs Jahren geschehen. Und nichts deutet darauf hin, dass in der EU ernsthaft über eine Umsetzung des Lissabon-Vertrages in diesem Punkt nachgedacht wird.
Einfache Rechnung nach dem Brexit
Dabei wäre die Rechnung nach dem Brexit sogar ganz einfach: Zwei Drittel von 27 Mitgliedern würde exakt 18 Kommissare bedeuten. Österreichs EU-Minister Genrot Blümle (ÖVP) erklärte am Montag die Bereitschaft Österreichs zum Verzicht auf den Kommissarsposten im Rahmen einer „fairen Rotation“, die dann auch für große Staaten gelten müsse. Ebenso alt wie aussichtslos ist Kurz’ Ruf nach einem Ende des „Wanderzirkus des EU-Parlaments“.
Derzeit tagt dieses in Brüssel und Straßburg, was auch den meisten pendelnden Abgeordneten auf die Nerven geht. Kurz spricht sich für Brüssel als einzigen Standort aus – und legt sich dabei offen mit dem französischen Präsidenten an. Denn Emmanuel Macron hat bereits mehrfach klargestellt, dass eine Auflösung des Standortes Straßburg mit ihm nicht zu machen sei. Und da auch in diesem Fall das Prinzip Einstimmigkeit gilt, ist gegen ein „Non“ aus Paris kein Kraut gewachsen. ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas hat deshalb schon betont, dass sich am Status quo der beiden Standort wohl nichts ändern werde.
Kurz sucht dennoch die Konfrontation: „Macron tritt als Reformer auf. Wer Reformen fordert, muss bereit sein, sie auch dort zu machen, wo es selbst wehtut.“ Wer eine große Reform anstoßen will, ist freilich auch gut beraten, sich nicht gleich von vornherein und noch dazu an einer Nebenfront mit einem der wichtigsten Player anzulegen.
FPÖ gegen Kurz-Vorstoß
Doch der Kanzler hat für seine Reformagenda nicht einmal in der eigenen Regierung volle Rückendeckung. Zwar hat FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky schon im letzten EU-Wahlkampf 2014 die „Abschaffung des teuren Wanderzirkus“ gefordert, doch eine Neuverhandlung des Lissaboner Vertrages lehnte er am Montag kategorisch ab.
Seine Begründung: „Ein neuer EU-Vertrag würde möglicherweise die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips und noch mehr EU-Zentralismus bedeuten.“
Die FPÖ warnt in diesem Zusammenhang vor einer Vereinheitlichung der Sozialstandards und Sozialtransfers von reicheren in ärmere Länder sowie einer Vergemeinschaftung der Schulden.
Das alles will zwar auch Kanzler Kurz sicher nicht, doch wer einen Vertrag neu verhandelt, muss auch damit rechnen, selbst mit unangenehmen Forderungen konfrontiert zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kurz’ Reformeifer von der Realität auf die Probe gestellt wird, ist allerdings ohnehin gering: Allein das komplizierte Ratifikationsverfahren für einen neuen Vertrag inklusive Referenden in einigen Ländern wird auf viele Regierungen abschreckend wirken.
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Solche Herrn wie Kanzler Sebastian Kurz müstte
es in Europa mehr geben,dass manche Clowns
mal auf die Finger geklopft kriegen.