Deutschland / Landtagswahl am Sonntag: Nervöser Blick der SPD nach Brandenburg
Rund 2,22 Millionen Brandenburger sind am Sonntag aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Während die AfD laut Umfragen erstmals stärkste Kraft werden könnte, droht der SPD der zweite Platz, hinter der AfD. Ministerpräsident Dietmar Woidke stemmt sich dagegen. Was könnte auf den Sonntag folgen?
Am Sonntag wird es in Brandenburg sehr spannend: Im Mittelpunkt des Wahltags stehen ein beliebter Ministerpräsident und eine Regierungspartei, die schon seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 ununterbrochen den Regierungschef stellt.
Doch nun liefern sich SPD und AfD auf den letzten Metern einen Zweikampf. Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen geht es am Sonntag in Potsdam darum, ob die AfD stärkste Kraft wird – es wäre das erste Mal in Brandenburg und das zweite Mal bei einer Landtagswahl überhaupt, nach Thüringen.
Für die SPD und ihren Ministerpräsidenten Dietmar Woidke geht es um alles oder nichts. Wie ein Pokerspieler hat der Potsdamer Regierungschef alles auf eine Karte gesetzt. Der 62-Jährige, der seit elf Jahren regiert, will abtreten, wenn die AfD die Wahl am Sonntag gewinnt und nicht die SPD. „Dann bin ich weg“, sagt er. Woidke will nur Abgeordneter im Landtag bleiben, falls er das Mandat wieder erhält. Doch noch gibt er sich optimistisch mit Blick auf den Wahlausgang: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden“, beteuert Woidke. Diesen Optimismus zieht er unter anderem aus dem vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstum und der Tesla-Ansiedlung – und daraus, dass es der SPD schon bei der Wahl 2019 gelungen ist, die AfD auf den letzten Metern einzuholen.
Wenn Woidke Ministerpräsident bleiben sollte, kann die SPD darauf verweisen, dass sie trotz bundesweit schlechter Umfragewerte immer noch zwei Ministerpräsidenten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie Regierungsbeteiligungen in wahrscheinlich allen sechs ostdeutschen Bundesländern vorweisen kann. Das beruhigt die Nerven. Scheitert Woidke jedoch, könnte sich die Debatte über den Kurs der Kanzlerpartei und über Kanzler Olaf Scholz als nächster Kanzlerkandidat verstärken.
SPD könnte wieder Regierungschef stellen
Dabei ist es durchaus realistisch, dass die SPD auch dann den Regierungschef stellt, wenn die AfD stärkste Kraft wird. Denn bislang schließen alle anderen Parteien eine Koalition mit der AfD, deren Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, aus. Sollte die AfD stärkste Kraft werden und die SPD nur den zweiten Platz belegen, hätte die bisherige Finanzministerin Katrin Lange als stellvertretende SPD-Landeschefin vermutlich den ersten Zugriff für eine Nachfolge von Woidke – beziehungsweise erst einmal die schwierige Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Aber auch Wissenschaftsministerin Manja Schüle und Fraktionschef Daniel Keller gelten als potenzielle Anwärter.
Für eine Wiederauflage der derzeit regierenden Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen könnte es ganz knapp noch reichen. Doch die CDU etwa erhebt selbst Anspruch auf den Ministerpräsidentenposten, ihr 44-jähriger Spitzenkandidat Jan Redmann will Regierungschef werden. Während diese Option zwischendurch in greifbare Nähe gerückt schien, stand die CDU mit 15 bis 16 Prozent zuletzt deutlich hinter der SPD. Über Brandenburg hinaus bekannt wurde Redmann wenige Wochen vor der Wahl durch einen Fehltritt – und seinen Umgang damit. Die Polizei erwischte den Brandenburger mit 1,3 Promille auf einem E-Scooter, was ihn den Führerschein kostete. Redmann machte diesen Umstand selbst öffentlich.
Die Grünen hingegen lagen zuletzt sogar nur noch bei fünf Prozent oder darunter und müssen um den Wiedereinzug in den Landtag fürchten. Nur drei bis vier Prozent werden auch der in Brandenburg einst mächtigen Linken zugeschrieben, die in ihren besten Jahren bis zu 28 Prozent der Stimmen bekam.
BSW dürfte nach Wahlen eine Rolle spielen
Doch es gibt gewissermaßen ein Hintertürchen: Die Grundmandatsklausel, die es in Brandenburg gibt, besagt, dass Parteien auch dann Sitze im Parlament erhalten, wenn sie zwar unter der Fünfprozenthürde landen, aber mindestens ein Direktmandat erhalten. Realistische Hoffnungen auf einen solchen Sitz im Landtag kann sich der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Péter Vida, machen. Gewinnt er wie 2019 seinen Heimatwahlkreis Barnim II, könnte seine Partei in das Brandenburger Parlament einziehen.
Gut mit dem Einzug in den Landtag sieht es auch für das im Mai gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Brandenburg aus, das zuletzt auf 13 bis 14 Prozent in Umfragen kam. Dem BSW könnte eine tragende Rolle bei den Koalitionsverhandlungen zukommen. Bei der SPD gilt es als vorstellbar, mit dem BSW zu koalieren, größere inhaltliche Differenzen dürfte es hingegen zwischen BSW und CDU geben – etwa was die Haltung zur Bundeswehr angeht. Auch die CDU in Sachsen und Thüringen wägt derzeit eine Zusammenarbeit ab.
Aber BSW-Landeschef und Spitzenkandidat Robert Crumbach will gar nicht um jeden Preis mitregieren. „Man kann auch als Opposition sehr wirkmächtig sein“, sagt er. Als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung sieht Crumbach ein deutliches Signal, dass Deutschland diplomatische Beziehungen ergreift, damit der Ukraine-Krieg beendet wird. Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt Crumbach ab, die Unterstützung für einzelne Anträge der AfD schließt er aber nicht aus.
Der FDP hingegen räumt keine der jüngeren Umfragen Chancen auf ein Erreichen der fünf Prozent ein, schon seit 2009 schafften es die Freien Demokraten nicht mehr in das Brandenburger Parlament.
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