Lokalpolitik / Lang gehegtes Projekt wird konkret: Bous und Waldbredimus sind auf dem Weg zur Fusion
Zwei Heiratswillige, die sich schon lange kennen, auf dem Weg zum Altar: Bous und Waldbredimus wollen 2023 fusionieren. Zumindest ist das die mehrheitliche Meinung in beiden Rathäusern und Gemeinderäten. In die Wege geleitet haben das zwei parteilose Bürgermeister, die ein gleiches politisches Schicksal eint. Sie kamen in diese Position, weil die Vorgänger sich nach Querelen zurückziehen mussten.
Das Rathaus von Bous ist unscheinbar. Es liegt eingeengt zwischen Wohnhäusern an der rue de Luxembourg. Wäre da nicht der Schriftzug „Gemeng“ am Gebäude, würde man sich – schon daran vorbeigefahren – am Ende des Dorfes fragen, wo ist es denn nun? 1.600 Einwohner zählt die Gemeinde, zu der drei weitere Ortschaften gehören. Dass es in diesem Gebäude bei den Wahlen 2017 eine kleine Revolution gab, vermutet man so gar nicht.
Ein Newcomer kommt mit seinen Stimmen direkt auf den fünften Platz und gewinnt in einer informellen Sitzung den Gemeinderat für sich. Wenn Carlo Kütten (64) die Geschichte erzählt, klingt sie nicht nach Rebellion, sondern eher nach einer großen Überraschung und nach Pflichtgefühl. „Mein Team hat damals bei der Wahl gut abgeschnitten, aber niemand wollte Bürgermeister sein“, sagt der mittlerweile pensionierte Unternehmer.
Den Vertrieb von Putzmitteln und Reinigungsmaschinen in Ellingen gibt er an seine Kinder weiter. „Ich will täglich im Rathaus sein“, heißt die Begründung – zumal dort ein anderer Arbeitsstil herrscht als in der freien Wirtschaft. Umsätze sprudeln nicht so selbstverständlich wie Steuereinnahmen. Das ist eine Einsicht, die kein Geheimnis ist. Kütten kippt als Erstes das Prestigeprojekt seines Vorgängers, ein neues futuristisches Rathaus für rund sieben Millionen Euro auf der grünen Wiese zu bauen.
Andere Prioritäten: die rue de Luxembourg
Er setzt andere Prioritäten. „Mit dem Geld bauen wir jetzt die Luxemburger Straße um, beruhigen sie und schaffen einen öffentlichen Platz für alle“, sagt er. In der Tat fehlt Bous ein Kern und nicht nur das. Die Gastronomie gegenüber vom Rathaus ist nur tageweise offen, einen Bäcker oder Metzger gibt es nicht. Das nächstgelegene Café in Erpeldingen ist in chinesischer Hand und macht erst nachmittags auf. Dafür blitzt immer wieder viel Grün zwischen den gepflegten, größtenteils alten Häusern rechts und links dieser Hauptstraße durch.
Moderne Blocks, wie sie viele andere Dörfer oft nicht gerade zum Vorteil verändert haben, muss man hier suchen. In der benachbarten, 1.300 Einwohner zählenden Gemeinde Waldbredimus wiederholt sich das Ende einer Bürgermeisterkarriere wenig später. Mitten in der laufenden Mandatsperiode kündigen die beiden Schöffen ihre Zusammenarbeit mit dem gewählten Bürgermeister auf und treten auch gleich aus dem Gemeinderat aus. Noch bevor ihr Rücktritt wirksam wird, wählen die verbliebenen Bürgervertreter das parteilose Gemeinderatsmitglied Thomas Wolter (59) zum Rathauschef.
Als der damalige Innenminister Dan Kersch (LSAP) die beiden vereidigt, äußern sie unabhängig voneinander den Wunsch zu fusionieren. Nachdem Stadtbredimus und Remich Avancen schon früher abgewunken haben, nehmen die beiden den schon lange immer wieder ins Auge gefassten Plan einer Fusion in Angriff. Rund 6,5 Millionen Euro gibt es, wenn die Bevölkerung „d’accord“ ist. Das wird sich am 3. April 2022 beim Referendum herausstellen.
Verwaltung und „Service technique“ nach Waldbredimus
Grob gesagt geht die Planung so: Gemeinde und Verwaltung kommen nach Waldbredimus, Kultur und Sport bleiben in Bous. „In Waldbredimus haben wir mehr als ausreichend Platz für die Verwaltung und kaufen gerade noch Grundstücke hinzu“, sagt Wolter. Das ehemalige Pastorenhaus, das die Gemeinde 2018 der Kirchenfabrik abgekauft hat, ist gut in Schuss, die Scheune daneben bietet Ausbaupotenzial. Auf den neu erworbenen Parzellen rundherum soll ein neues Gemeindeatelier für den dann fusionierten „Service technique“ entstehen. „Shared Space“ gilt nicht nur für die neue Hauptstraße, sondern für alle Vorhaben nach der Fusion.
Wenn nämlich der technische Dienst von Bous ausgezogen ist, kann der Anbau des Kulturzentrums zum Veranstaltungssaal umgebaut werden. „Dann haben wir endlich einen richtigen Saal mit Platz zum Proben“, sagt Jean Turmes (76), der seit 1980 Präsident der Trëntenger Musek ist. Die rund 25 Mitglieder des Orchesters kommen aus Bous und Waldbredimus. 350 Menschen sollen in den neuen Saal passen.
„Unser Kulturzentrum ist viel zu klein”, bestätigt der Waldbredimusser Bürgermeister Wolter. Wenn der Nikolaus in seine Gemeinde kommt, müsste er eigentlich zweimal kommen, weil nicht genug Platz für alle gleichzeitig ist. Während Turmes in allererster Linie nur Vorteile sieht, ist der Präsident des Tischtennisclubs von Bous zurückhaltender. Es gibt in Waldbredimus ebenfalls einen Tischtennisclub, der mit dem aus Oetringen fusioniert hat und in Contern spielt.
Sport und Kultur bleiben in Bous
„Es ist nicht so, dass die beiden Vereine so einfach fusionieren können wie die beiden Gemeinden“, sagt Marc Schweitzer (68) und spricht für seine rund 60 Mitglieder. Er selbst befürwortet aber eine Fusion und klagt, ähnlich wie Turmes, dass in der Pandemie das Vereinsleben gelitten hat. „Persönliche Treffen waren schwierig, und Feste, wo man miteinander spricht, sind ausgefallen“, sagt er, bleibt aber pragmatisch. „Die Aufgaben für Gemeinden werden heute immer größer, und das ist mit dem Personal in kleinen Gemeinden kaum zu bewältigen“, sagt er.
Eine Stärkung der Verwaltung und ein durchgehender Bürgerservice sind auch die Hauptargumente der beiden Bürgermeister für die Fusion. Für ältere Bürger, die jetzt in Bous fußläufig ihre Bürgerangelegenheiten erledigen können, wird sich viel ändern. Dort vermutet der Bousser Bürgermeister Kütten auch am ehesten Widerstände wie sie der Tischtennisclub-Präsident äußert. Er wohnt in Erpeldingen. „Eine Gemeindeverwaltung in Waldbredimus ist für uns schon weiter weg als die jetzige in Bous“, sagt er.
Eine gewisse Skepsis ist seinen Worten durchaus zu entnehmen, vor allem, weil die beiden Initiatoren 2023 nicht mehr antreten wollen. Bei Wolter in Waldbredimus steht die Entscheidung fest. Bei Carlo Kütten fällt hinsichtlich der anstehenden Lokalwahlen 2023 häufiger der Satz: „Wer weiß, was noch alles kommt?“ Trotzdem begegnen sie dem Argument. „Ein gutes Projekt kann nicht nur an den Personen hängen“, sagen die beiden Fusionsbetreiber einmütig. An dem Willen, es gut vorzubereiten, lassen sie keinen Zweifel. Dennoch haben die Bürger im April das letzte Wort.
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