Analyse / Langfristig schlechte Aussichten für die Staatsfinanzen
Ihren Finanzplan für nächstes Jahr hat die Regierung letzte Woche dem Parlament vorgelegt. Trotz krisenbedingt viel höherer Ausgaben werde das Land bei der Verschuldung unter der angestrebten Marke von 30 Prozent bleiben, unterstrich der verantwortliche Minister mehrmals. Kaum Beachtung fand der zweite Teil des vorgestellten Haushaltsplans.
„Un budget exceptionnel pour une époque exceptionnelle“, so Finanzminister Pierre Gramegna am letzten Mittwoch zu den Haushaltsplänen der Regierung. Es gelte, sich „solidarisch“ zu zeigen und für einen „nachhaltigen Aufschwung“ zu sorgen. Es sei falsch, nun auf ein „ideologisches Austeritätsprogramm“ zu setzen oder auf „Innovation und Investitionen“ zu verzichten. Mit dieser (richtigen) Entscheidung will der Minister vermeiden, dass die Wirtschaft – mit schwerwiegenden sozialen Folgen – in einen Abwärtsstrudel gezogen wird.
Der Minister will dabei in Kauf nehmen, dass die Staatsschuld einige Jahre um das Limit von 30 Prozent schwankt, wie er in seiner Budgetrede weiter sagte. Das könne Luxemburg sich leisten, erklärte er. „Déi gutt Ausgangspositioun bei de Staatsfinanzen huet och gehollef. 2018 konnte mer mat engem Iwwerschoss vu 528 Milliounen Euro ofschléissen. 2019 mat engem Plus vu 60 Milliounen Euro. Lëtzebuerg ass mat gesonde Staatsfinanzen an di Kris hei eragaang.“
Auch als er diese Woche die Zahlen zu den neun ersten Monaten des Jahres 2020 vorstellte, sagte der Minister wieder: „Dank der umsichtigen Politik der letzten Jahre verfügt die Regierung über die notwendigen finanziellen Kapazitäten, um die wirtschaftlichen Herausforderungen intelligent und angemessen anzugehen.“ Dass der Saldo des Zentralstaates eigentlich nur während zwei Jahren im Plus war, davor aber neun Jahre im Minus, erwähnte er nicht.
Zwei Jahre im Plus – neun Jahre im Minus
Für den Minister ist es ein Spagat. Immerhin hatte Pierre Gramegna die von seinem Vorgänger erwirtschafteten Defizite oft kritisiert und war ursprünglich mit dem Versprechen angetreten, den Staatshaushalt wieder ins Lot zu bringen. Auch er selber kann sich noch gut daran erinnern: „D’Finanz- a Wirtschaftskris vun 2008 ass eis all nach present. Wéi ech 2013 Finanzminister gi sinn, waren d’Nowéien dovunner nach gutt ze spieren an et war meng éischt Prioritéit, d’Staatsfinanzen erëm an den Equiliber ze bréngen“, sagte er letzte Woche.
Die Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für die Jahre 2018-2023 dann auch – mit dem Ziel, eine verantwortungsbewusste Haushaltspolitik zu verfolgen – dazu verpflichtet, „konsequent dafür zu sorgen, die Staatsverschuldung jederzeit unter 30 Prozent des BIP zu halten“. Über die letzten Jahre ist das dem Minister auch gelungen – verglichen mit der Wirtschaftsleistung war die Staatsverschuldung sogar leicht rückläufig.
Im Rahmen der Vorstellung des bisherigen Defizits für 2020 warnte er, sehr verantwortungsbewusst, diese Woche erneut: „Es ist wichtig, in den kommenden Monaten sehr vorsichtig zu bleiben.“ Erstens aufgrund des aufgelaufenen Defizits und ebenfalls wegen der vielen Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Pandemie.
Zurück zur letzten Woche: Schnell fügte der Finanzminister bei der Vorstellung der Haushaltspläne für 2021 bezüglich der „um die 30 Prozent schwankenden“ Staatsverschuldung hinzu: „… ehe sie dann wieder sinkt.“ Und er unterstrich: Für 2021 erwarte man eine Staatsschuld von 18,9 Milliarden Euro oder 29,4 Prozent vom BIP.
Marke von 30 Prozent wird überschritten
Doch am letzten Mittwoch wurde nicht nur der geplante Haushalt für 2021 vorgelegt. Vorgestellt wurde zudem ein zweites, fast 500 Seiten schweres Dokument zu den mittelfristigen Finanzplänen der Regierung: also zu den geplanten Staatseinnahmen und Ausgaben für die Jahre bis 2024.
Doch auf diese Zahlen wollte der Minister in seiner Rede gestern nicht eingehen. „Au vu vun den Incertitudë wäert ech am Kader vun dëser Ried net weider op d’Zuele vum Pluriannuel agoen“, bemerkte er nur.
Vielleicht stört den Minister, was die Zahlen zeigen: Jedes Jahr bis 2024 soll mit Defizit abgeschlossen werden. Rückläufige Schulden sind nicht geplant – weder in der Summe noch in Prozent zum BIP. Bereits 2022 soll die Marke von 30 Prozent Verschuldung zur Wirtschaftsleistung überschritten werden.
Zwar soll das Defizit Jahr für Jahr kleiner werden, doch einen Plan, um die Schulden der Corona-Krise abzubauen, scheint es nicht zu geben. Die Staatsfinanzen sind morgen somit weniger gut als die, die er geerbt hatte. Ende 2013, als er sein Amt antrat, lagen die Schulden bei elf Milliarden Euro (23,7 Prozent des BIP). Im Jahr 2024 (wo die bisherigen Prognosen enden) sollen es 24,3 Milliarden (oder 32,9 Prozent des BIP) sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Regierung hohe Defizite einplant – und das, obwohl sie in all den Jahren 2021 bis 2024 eigentlich mit starkem Wirtschaftswachstum rechnet (7 Prozent; 4,1 Prozent; 3,5 Prozent und 2,7 Prozent). Bereits 2022 sollen die Einnahmen wieder über denen von 2020 liegen. Doch sollen auch die Ausgaben bereits 2023 die Ausgaben aus dem Krisenjahr 2020 deutlich übertreffen. Hinzu kommt eine Verschlechterung des Saldos bei den Sozialversicherungen, teils wegen weniger neu geschaffener Jobs.
Dass eine Regierung in Krisenzeiten viel Geld in die Wirtschaft pumpt, ist dabei ein richtiger Reflex. Alles andere würde eine Spirale nach unten auslösen. In eine Schuldenkrise zu geraten, riskiert Luxemburg ebenfalls nicht. Die Zahlen der Staatsfinanzen zählen nach wie vor zu den besten in Europa. Luxemburg hat ein AAA-Kreditrating und kann sich Geld zu Negativzinsen auf den Märkten besorgen.
Dennoch würde es sich für jemanden, der verantwortungsvoll haushalten will, gehören, einen Plan vorzulegen, um langfristig wieder in schwarze Zahlen zu gelangen. Jeder weiß, dass in Zukunft wieder eine neue Krise kommen wird. Und auch dann wird es sich wieder lohnen, gute und stabile Staatsfinanzen zu haben. Die Schulden der Finanzkrise von 2008 hat das Land nie abgebaut. 2013 hat Luxemburg erstmals neue Schulden aufgenommen, um alte Schulden zu refinanzieren.
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