Editorial / Last Call: Wieso Kneipenschließen um Mitternacht nicht vor dem Virus rettet
Wer es bisher gewohnt war, sich den meist unfairen, aber grundsätzlich klaren Regelungen des späten Kapitalismus anzupassen, muss mittlerweile einer neuen Instabilität ins Auge blicken: Alle paar Tage wird die Lage neu definiert, Einschränkungen werden angepasst, Wissenschaftler berichten von Tausenden Toten bis Ende August, korrigieren die Zahl dann nach unten mit der Nonchalance eines Wetterfroschs, der sich geirrt hat. Eine Konstante gibt es jedoch: Die Regierung infantilisiert systematisch ihre Bürger. Diese Zeigefinger-Mentalität spaltet die Bevölkerung, was man an der Art, wie der Partygänger zurzeit dargestellt wird, recht gut ablesen kann. Wer gerne feiert, ist im tiefsten Inneren ein rücksichtsloses Monster und könnte genauso gut im Altenheim die Senioren anspucken.
Dabei verfällt die Regierung einem gefährlichen Trugschluss, weil sie das wahre Verhalten des vermeintlichen Hedonisten gar nicht kennt: Als Gesundheitsministerin Paulette Lenert die Anfrage, ob man dem Horeca-Gewerbe nicht unter die Arme greifen und die Kneipen wieder bis 1 Uhr geöffnet lassen könne, mit dem Argument konterte, zwischen Mitternacht und 1 Uhr würde nicht nur Leitungswasser getrunken werden, hat sie das Verhalten des Hedonisten völlig verkannt. Vor ein paar Wochen haben mich ein paar Freunde ins Epizentrum der hiesigen Partygänger gezerrt: die Terrassen von „Urban“, „Go-Ten“ und Co. konnte man kaum mehr unterscheiden, so sehr hatte das Social Distancing die Sitz- und Stehmöglichkeiten der verschiedenen Betriebe miteinander verschmelzen lassen. Das ist in einer gewissen Weise nur konsequent: Nichts ähnelt mehr einer Schickeria-Bar als eine andere Schickeria-Bar. Gegen 23 Uhr hat sich eine gewisse Unruhe unter den Gästen breitgemacht, die Spannung stand in der Luft wie der Duft von abgestandenem Bier. Der „Last Call“-Ruf der Kellner wurde mit frenetischer Bestellwut beantwortet, Menschen bestellten zwei, drei Pints gleichzeitig.
Liebe Frau Lenert. Vielleicht waren Sie schon mal in einem Pub in Großbritannien. Dort liegt die Sperrstunde bei 23 Uhr. In einem Pub einem nüchternen Engländer zu begegnen, ist ungefähr so leicht wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden. Dieses „britische Modell“ haben Sie durch die aktuellen Bedingungen nach Luxemburg importiert. Mit der Pandemie-Regulierung bleiben dem Luxemburger Hedonisten am Wochenende ganze drei Stunden weniger Zeit, um sich abzuschießen. Das Problem: Wer schneller trinkt, handelt schneller unverantwortlich. Als ich mich vor einem Monat in Berlin aufhielt, verquatschte ich mich wie so oft in einer Kreuzberger Kneipe. Irgendwann war es so spät, dass die Sonne aufging, die Menschen verhielten sich dennoch allesamt verantwortlich und respektierten das Social Distancing. Manche waren leicht angetrunken, weil es aber keinen Schließungsdruck gab, trank jeder in einem relativ verantwortungsvollen Rhythmus.
Partygänger sind durch und durch kreativ – wie Sie am vergangenen Wochenende gemerkt haben dürfen, als im städtischen „Saumur Crystal Club“ der Polizei der Einlass verweigert wurde, während drinnen jenseits der Sperrstunde weitergefeiert wurde. Im Zeitalter der Prohibition wurde Illegalität ermutigt, gefeiert und getrunken wurde dennoch. Ein Vorschlag: Und wenn Sie, weil die Kneipenbesitzer ja eh nur noch einen Teil ihrer Sitzgelegenheiten nutzen können und spätestens im Herbst, wenn das Wetter schlechter wird, erhebliche Einbußen erleiden werden, sich nicht am englischen, sondern am Berliner Modell inspirieren und die Sperrstunde ganz abschaffen würden? So könnten Kneipenbesitzer mehr Geld erwirtschaften und die Kunden müssten nicht zu gehetzten Schnelltrinkern werden. Feiern tut der Hedonist so oder so. Wenn er das in einer Kneipe tut, kann das Personal ihn immerhin darauf hinweisen, wie er sich zu benehmen hat.
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Aber sicher würde es das. Jedes Lokal, das erwischt wird wo die Tür nicht um Punkt 12 geschlossen ist, für 6 Monate schließen.
Die würden die Gäste schon um halb 12 rausschmeißen um ihr Business nicht in Gefahr zu bringen.
Et war nach ni e Schlauen no Mëtternuecht beim Comptoir.
Saufen und Masken passen nicht gut zusammen.
Ich war in Irland und da hat jeder Pub um 11:29 die Tür zu.
Und das war VOR Corona, wenn die versoffenen Iren das hinkriegen, dann muss es doch möglich sein.
„…die Kunden müssten nicht zu gehetzten Schnelltrinkern werden.“
Der harte Kern glüht schon zu hause vor, dann braucht man nicht den 400% Aufpreis des Wirtes zu bezahlen.
Ich nehme aber doch stark an, dass Sie nicht die Aufhebung der Sperrstunde fordern, damit Sie ihre tägliche 3 Promille etwas langsamer errichten können?
„als im städtischen „Saumur Crystal Club“ der Polizei der Einlass verweigert wurde, “
Das geht schon 50 Jahre lang so, das hat nichts mit Corona zu tun.
dat hei ass eng Iwwerschrêft vun engem aaneren t-Arkitel dat passt wéi d’Fauscht op d’Aa
„Genug trinken und sich vor der Sonne schützen. Das sind die Hitze-Ratschläge des Gesundheitsministeriums“
dat ass jo genau dat wat d’Läit maachen
se drenke vill a schützen sêch vrun der Sonn
ech mengen miir sollen awer och d’Laachen nêt vergiessen an och eemol ee Witz könne maachen
mat dem ganze ‚Corona-Gedeesêms‘ vermuuscht ee jo baal
schéne WE max
Herr Schinker, ich fasse mal Ihren Text zusammen:
Liebe Frau Lenert schaffen Sie die Sperrstunde ab, oder besser noch liebe Frau Lenert, schaffen Sie das Virus ab. Denn wie sagte letzthin doch jemand in London und Kreuzberg: früher war alles besser. Genau Herr Schinker, und damit Post, es lebe das Virus, öh … ?
@Max,
richteg. Rotschléi fir Dummies “ ..wann ëtt waarm ass muss een fill drénken,wann d’Sonn schéngt soll een an de Schied etc.“ sinn ëmmer gutt geméngt. Allerdéngs weess de Virus net opp ëtt 11 oder 12 Auer nuets ass,an ëtt ass em och egal. Wann eng Regel um 11 Auer gutt ass,dann och um 01.00. Wann een sech awer just wëll volllaafe loossen,dat kann een och doheem.
Lauter tolle Ratschläge. Aber wie wir als Gesellschaft alle halbwegs gesund durch die Krise kommen sollen wenn erwachsene Kneipengänger sich wie kleine Kinder aufführen und dauernd nach ihrem Schnuller schreien verrät uns der Autor nicht.
Den Coronavirus geet meeschtens schon um 5 Auer heem.
Anekdote zu Kneipen schliessen. War mal auf WhiskyTour mit Freund Gregory, in den Highlands, gezwungenermaßen. 23 Uhr Schotten dicht. Polizei drohte mit ordentlich Bußgeld. Gregory war dicht, ich nur naja, aber wir durften mit dem Auto und mit dem Segen der Polizei, “ please be nice an drive carefully“. So langsam hab ich Gregory noch nie fahren sehen. Wahrscheinlich wurde die Karre ab 23 Uhr automatisch auf 20 km/h gedrosselt.
Jedes Lokal das sich erwischen lässt soll für immer geschlossen werden oder der Eigentümmer soll für einen Monat in einer Coronaabteilung in einem Krankenhaus helfen.
Här Scinker,
[Satz gelöscht – bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, die Red.]
Waat elo déi esou fréiSpärstonn ugeet kéint ee jo mol d’Fro opwerfen firwaat der dann esouvill eréischt no 10 Auer lass zéien fr sëch d’Biër zouzeschëdden. An aanere Länner bréngt d’Partyvollek et och faerdeg schon um 7 Auer um Tour ze sinn.
Als Alternativ kéint jo den Transportminstère déi nächst 52 Wochen all Weekend Alkoholskontrollen op den Ausfallstroossen vun der Stadt annoncéieren, de Problem op um 11, 12 oder 3 Auer zougemach ka ginn, géif sech vum selwe léisen.
3 Woche laang Owes um 9 kee méi op d’Strooss, da si mer séier aus der Well eraus.
Sind Kneipen besonders in diesen Zeiten überhaupt lebensnorwendig?
@Josy
„Waat elo déi esou fréiSpärstonn ugeet kéint ee jo mol d’Fro opwerfen firwaat der dann esouvill eréischt no 10 Auer lass zéien fr sëch d’Biër zouzeschëdden. “
Mir hu Mëttesschicht du Bürosfritzi!
@Tutebatti
„Sind Kneipen besonders in diesen Zeiten überhaupt lebensnorwendig?“
Was heißt ‚in diesen Zeiten‘? Früher haben die Leute sich da getroffen um zu reden, heute tun sie das online, was bleibt sind die ewigen Junggesellen, die sich da jeden Tag voll laufen lassen.
Leiwen Editorialist,
D’Vollék gëtt nët infantiliséiert, mé verschidde Biirger behuelen sech einfach wi kleng Kanner an dofir ass ët gudd, datt ët Regelen gëtt. Wëll verschidde Leit muss é virun sech selwer schützen. Et kann é jo och nët einfach soen, an Afrika gëllt keng Uschnallpflicht am Auto, also wenden ech lo fir mech den Afrika-Modell un. Waat ass dann wann de Café um 00:00 zoumecht ? Ma da kënns de dén aaneren Dag erëm. Dovun huet de Wiirt och mei. An du brauchs och nët bis op Kreuzberg ze fueren.
Natürlich nicht, jeder weiß doch, nur Kneipenschließen um 20 Uhr rettet vor dem Virus.
Haalt dach op ,ech hun e Café am Duerf,an do sichen d‘Leit gesselechkeet vum klengen Arbechter bis zum Affecot,déi Leit als Söffer ze bezechnen ass net fair.Genau déi setzen op giren Terassen an saufen bis an Nuecht eran mat 3 Diggi‘en an blären zu 15 Leit wei Märder🍺
Wir brauchen ein totales Alkoholverbot bis wir das Ding im Griff haben.
Ich glaube das Tageblatt ist online zu einer Wochenzeitung verkommen.
Lauter tagealte bis wochenalte Meldungen.
Guten Tag,
es finden sich sogar noch Artikel von vor einigen Monaten auf der Webseite. So können Interessierte zum Beispiel die Entwicklungen über einen längeren Zeitraum zurückverfolgen. Die neuesten Meldungen und Artikel jedoch finden sich immer in den Headlines oben auf der Webseite oder aber in der entsprechenden Rubrik.
Ansonsten können Sie das Veröffentlichungsdatum über dem Artikel prüfen – dieses Meinungsstück wurde zum Beispiel schon am ersten August veröffentlicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Redaktion