OGBL-Nationalvorstand / Lehren ziehen … und umsetzen
Noch immer tagt der Nationalvorstand des OGBL Corona-bedingt im Hémicycle auf Kirchberg, so auch am Dienstag. Im Anschluss ging Nationalpräsidentin Nora Back auf die Sitzung und somit auf die aktuellen Hauptaspekte der Gewerkschaftsarbeit ein.
Die Lehren sollten aus der Krise gezogen werden und diese Aussage solle nicht – wie bei früheren Krisen meist erlebt – ein inhaltsleerer Spruch zur allgemeinen Beruhigung sein, so die Präsidentin, die zu einem echten Umdenken aufrief. Nach der Banken- und Finanzkrise sei etwa viel von Reformen der Banken und der Finanzplätze geredet worden, tatsächlich sei es allerdings quer durch Europa zu einer Spar- und Austeritätspolitik gekommen, unter der auch Luxemburg zu leiden hatte.
Obwohl es aktuell keine offenen Verteidiger einer solchen Austeritätspolitik gebe, sei die Gewerkschaft zur Gegenwehr bereit, falls notwendig; immerhin seien wieder erste Sparabsichten erkennbar und das dicke (soziale) Ende der Krise stehe noch aus. Und die angekündigte Steuerreform der Regierung liege etwa bereits auf Eis. Dabei sei die finanzielle Lage des Landes trotz Corona besser als von den Prognosen angekündigt; das Wirtschaftswachstum sei zurück, die öffentlichen Finanzen nahe am Gleichgewicht.
Nachdem die Regierung das Wirtschafts- und Stabilitätspaket für 2021 an die EU-Kommission eingereicht hatte, meldete diese sich mit einigen Vorschlägen zurück, die vom OGBL mitgetragen würden, so Back. So sei der OGBL mit der Forderung nach einer weiteren Unterstützung der Wirtschaft und der Betriebe ebenso einverstanden wie mit einer starken Investitionspolitik und dem Schutz des Gesundheitswesens und der sozialen Systeme.
Verluste bei Renten ausgleichen
Nicht vergessen werden dürften die Rentner: Die Pensionsreform von 2012 sei ein politischer Fehler gewesen und die damaligen Verluste müssten ausgeglichen werden, so die Gewerkschaftspräsidentin.
Überhaupt müsse mehr unternommen werden, um die Ungleichheiten zu beheben. Bei der Rückkehr zur Normalität dürfe nicht jene Normalität angestrebt werden, bei der die Unterschiede zwischen Arm und Reich ständig größer geworden sind. Dem Kampf gegen die soziale Ungerechtigkeit habe sich mittlerweile sogar der FMI („Fonds monétaire international“) angeschlossen, der eine höhere Besteuerung der Reichen fordere.
Eine Steuerreform, die dringend notwendig sei, könne in Luxemburg zu mehr Gerechtigkeit führen; so könne u.a. der Spitzensteuersatz angehoben werden und die Steuertabelle solle progressiv ansteigend ausgerichtet werden inklusive ihrer Indexierung. Die Betriebsbesteuerung, die bereits zweimal von der aktuellen Regierungskoalition gesenkt wurde, dürfe keinesfalls weiter sinken, so das OGBL-Credo. Immerhin sei die von der OECD angestrebte und versprochene weltweit gültige Mindestbesteuerung von Großkonzernen mit 15 Prozent ein Schritt in die richtige Richtung.
Reichste 10 Prozent besitzen 50 Prozent
Die reichsten zehn Prozent der Einwohner des Landes würden 50 Prozent des Vermögens besitzen und die reichsten 20 Prozent der Erben würden durchschnittlich 50-mal mehr Reichtum bekommen als die ärmsten 20 Prozent: Allein dies zeige die Notwendigkeit einer Erbschaftssteuer.
Der OGBL habe seit längerem einen Forderungskatalog zur Bekämpfung der Wohnungskrise vorgelegt, der besonders die Reform der Grundsteuer als Hebel sieht. Dass Staatsminister Xavier Bettel sich in dieser Frage öffentlich für die Einführung einer „Taxe de rétention“, also einer Besteuerung leerstehender Wohnungen und brachliegenden Baugeländes ausgesprochen habe und trotzdem nichts in diese Richtung unternommen werde, bleibe dabei für die Gewerkschaft ein Rätsel.
Unverständlich sei auch, dass, obwohl inzwischen jeder die Notwendigkeit eines verstärkten sozialen Wohnungsbaus sieht, im Rahmen des am Donnerstag im Parlament zu debattierenden Gesetzes zum „Pacte logement 2.0“ die Anzahl der bei öffentlich unterstützten neuen Wohnungsbauprojekten vorgesehenen Sozialwohnungen von 30 auf 20 Prozent gesenkt wurde. Die Entscheidung zu dieser Senkung des Anteils sei ausgerechnet am Tag einer Kundgebung gegen die Wohnungsnot und für mehr Sozialwohnungen veröffentlicht worden, so Nora Back; eine Erklärung hierfür gebe es bis heute nicht.
Nachholbedarf beim Kindergeld
Auch die Anpassung der familienpolitischen Leistungen, die nun zum 1. Januar 2022 angehoben werden sollen, reicht dem OGBL keinesfalls. Seit 2006 sei das Kindergeld deindexiert; die hohen realen Verluste hätten sich seitdem angehäuft und würden voraussichtlich durch eine weitere in diesem Jahr anstehende Index-Tranche weiter steigen. Zudem würden die Grenzgänger – trotz eines entsprechenden Urteils des Europäischen Gerichtshofes – bei den Familienzulagen auch in dem neuen Text diskriminiert. Der Familienministerin und der Regierung sei wohl während der Krise nicht klar genug geworden, wie wichtig die Grenzgänger mittlerweile für das Land geworden seien.
Dass Liberty Steel, so eines von vielen weiteren am Dienstag behandelten Themen, es schaffen wird, die notwendigen Mittel zum Erhalt des Düdelinger Stahlwerkes aufzubringen, daran glaubt der OGBL nicht mehr. Es gebe nur eine effiziente Antwort auf die Bedrohung der dort gefährdeten Industriearbeitsplätze: die Verstaatlichung des Werkes. Der Nationalvorstand des OGBL zeigt sich überdies besorgt von der Absicht des Hochschulministeriums, die jährlichen Gelder für die Universität und die öffentlichen Forschungszentren für wenigstens zwei Jahre auf dem aktuellen Niveau einzufrieren.
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