Menschenrechte / Lieferkettengesetz: NGO attestiert Regierung ein Glaubwürdigkeitsproblem
Genau zwei Wochen ist es her, dass Außenminister Jean Asselborn (LSAP) die Katze teilweise aus dem Sack gelassen hat. In seiner „schwierigsten Rede“ während seiner langen Amtszeit hat er erstmals Stellung zur EU-Gesetzesinitiative für ein Lieferkettengesetz genommen. Bislang war das Außenministerium in dieser Frage immer abwartend, um nicht zu sagen zögerlich. Die „Initiative pour un devoir de vigilance“, in der sich 17 Zivilorganisationen dafür einsetzen, bewertet seine Aussagen kritisch.
Nach Jahren des Zögerns kommt es einem Paukenschlag gleich. In seiner Rede zur Lage der Außenpolitik am 8. November hat sich Minister Jean Asselborn erstmals ganz klar für Entschädigungszahlungen an die Opfer von Klimaschäden ausgesprochen. Das Thema hat Aktualität, weil sich auch die am Sonntag zu Ende gegangene Klimakonferenz COP 27 damit beschäftigt hat. Asselborn befürwortet die Umkehr der Beweislast. Nicht das Opfer muss beweisen, dass es Opfer ist.
Die beteiligten Firmen müssen darlegen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung der Menschenrechte nachgekommen sind. Luxemburg werde sich so weit wie möglich an die internationalen Standards anpassen, so der Minister, der gleichzeitig Kontrollen entlang der gesamten Wertschöpfungskette befürwortete. Eine Branche ist davon allerdings ausgenommen. Das ist der Investmentfonds-Sektor, dafür hat sich ihre Interessenvertretung, die Alfi, ausgesprochen. Daran stößt sich die „Initiative pour un devoir de vigilance“, wie zu erwarten war.
Andere Länder sind da weiter. Das zeigt eine Auswahl an Reaktionen auf den Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit. Verbände wie die niederländische Bankenvereinigung (NVB) oder die „European Banking Association“ gehen in ihren Reaktionen viel weiter und warnen mehr oder weniger direkt vor einer Verwässerung des europäischen Gesetzestextes.
Investmentfonds-Sektor gegen Sorgfaltspflicht
Die „Initiative“, die im Land das Engagement von 17 zivilrechtlichen Organisationen vereint, geht in ihrer Kritik noch weiter. „Anstatt konkrete Schritte in Richtung eines nachhaltigen Finanzplatzes zu gehen, scheinen Finanzministerium und die politischen Verantwortlichen hier 1:1 die Position des Investmentfonds-Sektor zu übernehmen“, sagt der Co-Koordinator der „Iniative“ Jean-Louis Zeien.
Viel wichtiger aber noch ist der „Initiative“, dass in der Rede des Außenministers der Missachtung der Menschenrechte durch Klimaschäden keine Rechnung getragen wurde und auch kein Wort über andere Herausforderungen gefallen ist. Bestimmte Branchen sind als Risikosektoren in Bezug auf die Menschenrechte identifiziert. Das geht aus dem nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Grundprinzipien der Vereinten Nationen hinsichtlich Menschenrechte und Unternehmen für 2020-2022 hervor.
Er attestiert neben anderen Branchen gerade dem Finanzsektor auf Seite 17, ein Risikosektor im Bereich der Menschenrechte zu sein. Zeien geht noch weiter und kritisiert die Intransparenz und Vertröstungstaktik der Regierung, was ein nationales Lieferkettengesetz angeht. Im April 2021 wurde ein interministerielles Komitee zu dieser Frage eingesetzt. Die Ergebnisse der Arbeit kennt bislang niemand. „Nach mehr als 18 Monaten Wartezeit erwarten wir, dass endlich der Bericht dieses Komitees publik gemacht wird und nicht nur Teile davon“, sagt Zeien.
Denn auch auf nationaler Ebene ist nichts unmöglich. „Die Studie der Universität Luxemburg zu dem Thema hat ganz klar aufgezeigt, dass eine ambitiöse nationale Vorgehensweise möglich und vereinbar mit einer EU-weiten Direktive ist“, sagt Zeien. Aus der Rede Asselborns geht klar hervor, dass es eine Garantie dafür geben muss, dass „die Produkte, die auf dem Binnenmarkt (Europa, Anm. d. Red.) angeboten werden, nachhaltig hergestellt wurden“.
Und nicht nur das. Sie müssen „mit unseren Werten im Einklang stehen“, sagte er wörtlich vor zwei Wochen. „Die Regierung hat ein selbst konstruiertes Glaubwürdigkeitsproblem, wenn einerseits ein nachhaltiger Finanzplatz gefördert werden soll und andererseits entsprechende Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene ausgebremst werden“, wertet die „Initiative“.
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