Menschenrechte / Lieferkettengesetz: Peintures Robin wollen mitmachen
Er ist ein Exot – nicht nur in der Branche. Seit 2017 leitet Gérard Zoller (57) die Peintures Robin S.A. mit drei Standorten im Land. In der Firma, die zur Chemiebranche gehört, ist er groß geworden und befürwortet ein nationales Lieferkettengesetz. Seine Ansichten zu Wirtschaft und Unternehmenskultur heben sich von anderen ab.
Das Konferenzzimmer im Hauptgebäude der rue de la Gare in Useldingen ist schlicht. Keine unnötige Dekoration, kein Hinweis auf Prestige. Dabei existiert die Firma seit 1927. Der schlanke Mann, der in einem der Konferenzstühle Platz nimmt, passt in die Umgebung. Dunkler, unauffälliger Anzug, keine Krawatte, ein weißes Hemd und der Wunsch: „Es geht hier nicht um mich.“
Nur die 16 verpackten Nationalfahnen, die auf dem ausladenden Tisch liegen, wirken fehl am Platz. Sie sind an diesem Tag eingetroffen. Gérard Zoller, seit 2017 der CEO des mittelständischen Farbenherstellers Peintures Robin S.A., hat sie bestellt und extra dort liegen lassen. Seiner Meinung nach passt das in die Diskussion um Menschenrechte.
Seine 105 Köpfe zählende Belegschaft setzt sich aus den Nationalitäten auf dem Tisch zusammen, die von Luxemburg über Frankreich und Deutschland bis nach Rumänien und Angola reichen. Bei der Jahresendfeier dieses Jahr, sollte es eine geben, will er die Fahnen aufhängen und seine Leute ehren. „Für mich sind die Menschenrechte mehr als die Diskussion um ein Lieferkettengesetz”, sagt er.
Lieferkettengesetz ist ein Anfang
Bei der Forderung nach einem nationalen Lieferkettengesetz geht es darum, in Luxemburg ansässige Unternehmen per Gesetz dazu zu verpflichten, ihre Lieferanten auf Einhaltung der Menschenrechte zu verpflichten – egal, von wo die Rohstoffe herkommen. Die „Initiative pour un devoir de vigilance“ macht sich seit Jahren dafür stark.
Menschenrechte umfassen die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, die auch von den Lieferanten, die in Ländern außerhalb Europas für Firmen in Europa, in diesem Fall Luxemburg, Rohstoffe liefern oder sie verarbeiten. Richtig in Schwung kam die Debatte nach dem Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013, als mehr als 1.000 Menschen starben, weil die Fabrik einsturzgefährdet war und trotzdem weitergearbeitet wurde – von Umweltstandards gar nicht zu reden.
„Das Lieferkettengesetz ist ein Anfang“, sagt Zoller. Damit ist er sofort beim Thema. Die Produkte der Useldinger Farb- und Lackeproduktion basieren auf Erdöl, einem fossilen, nicht nachwachsenden Rohstoff. Zollers Vision ist es, alle Produkte des Betriebes auf nachwachsende Rohstoffe umzustellen. Am besten noch kompostierbar und aus der Region. Das Erdöl, was in den Robin-Produkten verarbeitet wird, kommt von weit her und aus Ländern, die eine andere Umweltpolitik betreiben, wenn es überhaupt eine gibt.
„Wir können nicht so weitermachen“, sagt der Robin-CEO und erinnert daran, dass Luxemburg bereits am 15. Februar seinen Jahresanteil an den natürlichen Ressourcen der Welt aufgebraucht hatte. Das ist knapp zwei Wochen her und war der „Earth Overshoot Day“ für das Großherzogtum, dessen CO2-Bilanz ehedem bedenklich ist.
Nicht zu unterschätzender Nebeneffekt
Lacke und Farben für die Baubranche, innen und außen, für die Automobilindustrie, für Schreinereien zur Behandlung von Holz und für die Industrie sind die Geschäftsbereiche der Firma. Im Labor in Useldingen tüfteln sieben Chemiker an zukünftigen Produkten. Getreu der Firmenvision des Chefs hat die Firma damit angefangen, Produkte herzustellen, deren Bindemittel ohne Erdöl auskommen.
Die Resonanz bei den Kunden lässt allerdings zu wünschen übrig. Die Nachfrage bleibt nach Firmenangaben weit hinter den Erwartungen zurück. „Vielen ist es immer noch egal, ob es umweltschonend ist oder nicht“, sagt Zoller bedauernd. Bei einem Jahresumsatz von 25 Millionen Euro verkraftet das die Firma genauso wie eine andere Ernüchterung. Der Absatz der auf in Luxemburg gewonnenem Leinöl basierten Holzschutzlasur ist nicht so wie erwartet.
Obwohl sie mit einem Rohstoff, der in Luxemburg gewonnen wird und auf kurzen Wegen zur Verarbeitung in Useldingen gelangt, genau dem entspricht, wo die Reise hingehen soll. „Wir ändern die Welt nicht vor dem Fabriktor, sondern nur in der Fabrik“, sagt Zoller. Seine 250 Zulieferer kommen ausschließlich aus Europa. Die partnerschaftlichen Lieferbeziehungen hat er lange Jahre bewusst aufgebaut.
„Wir könnten das Farbpigment für weiße Farbe beispielsweise auch in China kaufen“, sagt er. „Das wäre im Einkauf sogar billiger.“ Das lehnt er ab. Trotzdem bleibt die Tatsache, dass es bei lauter europäischen Lieferanten einfach ist, sich für ein nationales Lieferkettengesetz einzusetzen. Das gibt Zoller zu. Trotzdem meint er es ernst und spricht einen in der Diskussion um das Gesetz oft unterschätzten Nebeneffekt an.
„Niemand arbeitet gerne in einer ‚schmutzigen’ Firma“, sagt er. „Selbst die Chefs nicht.“ Seine Mitarbeiter sollen stolz darauf sein, in einem Betrieb, der sich Menschenrechte nicht nur auf die Fahnen schreibt, sondern sie einfordert, zu arbeiten. Generell ist ihm die Zufriedenheit seines Personals wichtig. Er hat seiner Delegation weitgehende Befugnisse eingeräumt.
„Ich will Kritik von meinen Leuten hören“, sagt er. „Das ist ein Ansporn.“ Seine eigene richtet sich eher gegen das große Ganze. „In der Wirtschaft herrscht immer die Angst, etwas zu verlieren“, sagt der Fan einer Gemeinwohlökonomie. „Es ist doch viel schöner, nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein.“ Worte wie diese haben aufhorchen lassen.
Ein großer niederländischer Bindemittelhersteller und Zulieferer von Robin hat angefragt, ob die Useldinger ihr umweltschonendes, nicht auf Erdöl basiertes Bindemittel testen wollen. Für das Fachmagazin Farbe und Lack war der Firmenchef vor Corona in Berlin, um über nachwachsende Rohstoffe in der Branche zu referieren.
Das sind Bestätigungen, als mittelständischer Vorreiter auf dem richtigen Weg zu sein. Der Chef zitiert gerne das Bild des laufenden Rugbyspielers, der den Ball vor sich herträgt. Die Rolle des „Frontrunners“ ist eine Verpflichtung: vorneweg und nicht hinterher.
Gemeinwohlökonomie
Der Begriff der Gemeinwohlökonomie wurde in den 90er Jahren eingeführt. Dabei geht es um Konzepte und alternative Wirtschaftsmodelle, die statt Konkurrenz und Shareholder-Value eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl und in Kooperation in den Vordergrund stellen. Werte wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung stehen im Vordergrund. Der bekannteste Vertreter ist Christian Felber, der 2010 in Wien den „Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“ gründet. Christian Felber: „Die Gemeinwohl-Ökonomie: Eine demokratische Alternative wächst“, Neuausgabe 2014 (erste Ausgabe 2010), ISBN 978-3-552-06291-7.
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