déi Lénk / Linke wirft Regierung „Politik der Verantwortungslosigkeit“ vor
Die zwei Abgeordneten von „déi Lénk“ hatten bei ihrer Bilanz der zu Ende gehenden parlamentarischen Saison einiges an der Regierung auszusetzen. Die Partei will außerdem Konsequenzen aus dem mäßigen Abschneiden bei den drei vergangenen Wahlen ziehen.
Marc Baum kommt schnell zur Sache, als er neben David Wagner ans Rednerpult tritt. Die CSV-DP-Regierung, bei der man auf verschiedene Art und Weise auch von einer CSV-DP-ADR-Regierung sprechen könne, habe „schon viel Porzellan zerbrochen“. Sie habe bisher vor allem für „ihre Freunde“ Politik gemacht, also für das Patronat und die Bauträger – und sei dabei immer wieder von der ADR als Sidekick unterstützt worden.
Damit zeigt sich auch gleich die Gangart, welche die beiden „déi Lénk“-Abgeordneten für ihre Bilanz eingeschlagen haben. In der Culture Bar in Clausen nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Sie stellen fest, dass seit der Übernahme der Amtsgeschäfte durch die Frieden-Regierung ein anderer Wind durch die politische Landschaft weht. Baum bringt es auf den Nenner: „Die Regierung betreibt eine Politik der Verantwortungslosigkeit sowie eine Kultur der Selbstverständlichkeit von ‚impunité‘.“ Die Regierung und die Angehörigen der Regierungsfraktionen können sich demnach erlauben, was sie wollen – ohne dafür die Folgen zu tragen.
Das heiße nichts anderes, als dass aus den Skandalen, Lügen und willkürlichen Behauptungen der vergangenen Monate keine Konsequenzen gezogen werden. Baum nennt unter anderem die falschen Behauptungen von Innenminister Léon Gloden über vermeintliche Bettlerbanden, die nach seinen Worten mit Luxuslimousinen zum Betteln gefahren kommen, aber auch die verbalen Ausfälle von Glodens CSV-Parteikollegen gegen Migranten, nachdem in Hesperingen ein paar Hühner geköpft worden waren – vom Fall Pim Knaff ganz zu schweigen, der Steuerhinterziehung betrieb „und auch noch von seinem Parteichef Rückendeckung erhielt“.
„Symbolpolitik“
Außerdem handele es sich um eine Symbolpolitik, in der viel angekündigt, aber nur wenig gehandelt werde, was zu einem „Stillstand“ angesichts der sich weiter zuspitzenden sozialen Situation hierzulande geführt habe – angefangen von der zunehmenden Kinderarmut und der im internationalen Vergleich hohen Anzahl von „working poor“. Baum weist in diesem Kontext auf die prekäre Situation der Plattform-Arbeiter hin, einer Art „trojanischem Pferd auf dem Arbeitsmarkt“. Er fügt hinzu, dass David Wagner und er zu dieser Thematik schon Vorschläge eingereicht haben, doch der zuständige Arbeitsminister sei „abgetaucht“.
Allgemein gehe es mehr und mehr nur noch um Gewinner und Verlierer, wie auch der deutsche Soziologe Andreas Reckwitz konstatiert: „In sozialen Konflikten geht es zunehmend um Gewinner und Verlierer, um Täter und Opfer.“ Dies gefährde den politisch-kulturellen Grundkonsens. „Um eine Politik der Verantwortungslosigkeit“ handele es sich auch in der Außenpolitik von Xavier Bettel (DP), die keine klare Linie erkennen lässt. Einen „Stillstand“ stellt die Linke zudem bei der Klimapolitik fest, unter anderem durch die Senkung der Zuschüsse für Solaranlagen. David Wagner kommt auf den Zusammenhang der neoliberalen Politik der Koalition mit dem autoritären Regierungsstil zu sprechen. Eben eine ziemlich rechte Regierung, wie die beiden linken Politiker feststellen.
Bei den Parlamentswahlen 2013 hatte „déi Lénk“ zwei Sitze erreicht und 2018 sogar hinzugewonnen und die beiden Mandate verteidigt. Auch bei den Kommunalwahlen von 2011 und 2017 war die Partei erfolgreich, doch bei den vergangenen Gemeindewahlen erhielt sie einen schweren Dämpfer. Trotz der Fleißarbeit in den einzelnen politischen Dossiers ging die Zahl ihrer Sitze in den Gemeinderäten zurück. Bereits vor einem Jahr war im Gespräch der Abgeordneten mit dem Tageblatt von einer Fehleranalyse die Rede gewesen. Danach wurden zwei weitere Wahlen in den Sand gesetzt.
Wahldämpfer
Der Abwärtstrend hielt also an, als die Partei bei der Nationalwahl im Oktober 1,42 Prozentpunkte einbüßte, aber immerhin ihre beiden Sitze halten konnte. Der vorläufige Tiefpunkt war jedoch bei der Europawahl am 9. Juni mit 3,15 Prozent erreicht. Auch danach wurde bereits Ursachenforschung betrieben. Zu den Faktoren werden neben der ausbaufähigen Kommunikation auch die vor allem bei der Europawahl praktizierte „vote utile“ ausgemacht: Viele Wähler hätten sich, um einen ADR-Sitzgewinn zu verhindern, eher für „déi gréng“ oder die LSAP entschieden. Als Erklärung reicht dies jedoch nicht aus. Bekannt ist jedoch auch, dass der ADR-Sitzgewinn nicht verhindert werden konnte.
Vielmehr sind längerfristige strukturelle und inhaltliche Probleme zu erkennen. Eine Ursache dürfte in der dünnen Personaldecke liegen, eine weitere in dem „ständigen Ressourcenmangel“, worauf in einem Artikel des Onlinemagazins reporter.lu erst kürzlich aufmerksam gemacht wurde. Darin heißt es außerdem: „Die flachen Hierarchien (…) können zu einer Entscheidungsparalyse führen.“ Ein nicht von der Hand zu weisender Faktor dürfte auch sein, dass die ursprüngliche Klientel linker Parteien, die Arbeiter, sich nicht mehr von diesen vertreten fühlt, auch wenn die linken Themen, unter anderem das Logement, dringender denn je sind. Überhaupt besitzen gerade die am meisten von den sozialen Fragen betroffenen Geringverdiener nicht die luxemburgische Nationalität – sie dürfen also erst gar nicht an den Parlamentswahlen teilnehmen.
Ob der jüngste Rückschlag bei der Europawahl am politischen Personal lag? Schließlich hatte „déi Lénk“ das jüngste Kandidatenteam aufgestellt. „Wir setzten bei der Europawahl ganz bewusst auf junge und wenig bekannte Kandidaten“, erklärt Marc Baum. Eine intensivere und ausführlicher Analyse der Wahlergebnisse soll in Kürze beginnen und bis zu einem Jahr dauern.
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