Luxemburg / Lockdown light für die Baubranche: Kollektivurlaub trotz Corona-Krise
Die Frage, ob der Kollektivurlaub im Bausektor noch angebracht ist, beschäftigt die Branche immer wieder. Doch so akut wie 2020 stellte sie sich noch nicht. Da Gewerkschaften und Unternehmer sich jedoch nicht verständigen konnten, wird es auch dieses Jahr zur Zwangspause kommen, der zweiten nach dem Lockdown.
„Der Monat August ist für uns der beste Monat“, sagt Bauunternehmer Nedzad Rastoder, Chef einer zehn Mann starken Firma. Ginge es nach ihm, würde der Kollektivurlaub der Vergangenheit angehören. Die fünf Wochen Baustopp wegen des Lockdown bedeuten nicht nur fünf Wochen Verzug auf die geplanten Arbeiten. Hinzu kämen Verspätungen, weil auch kommunale und staatliche Verwaltungen langsamer drehten, da auch dort Mitarbeiter zu Hause blieben. Vorteile hätte eine flexible Gestaltung des Urlaubs auch für die Mitarbeiter selbst. Sie könnten sich ihren Urlaub auf andere Monate verteilen, müssten ihn nicht unbedingt in der Haupt- und somit teuersten Saison nehmen, meint er. Verständnis für eine baldige Pause dieses Jahr hat er dennoch. Er spüre bei seinen Mitarbeitern den Wunsch auf baldigen Urlaub. Der eine oder andere würde am liebsten gleich jetzt losziehen. Die Corona-bedingte Pause sei ja kein Urlaub gewesen, sagt er. Die Menschen konnten ja nirgendwohin fahren.
Eingeführt wurde die Regelung, während den besten Sommerwochen die Arbeit am Bau ruhen zu lassen, Ende der 1960er Jahre. Der Kollektivurlaub ermöglichte es, den meist aus Südeuropa stammenden und oftmals allein in Luxemburg lebenden Arbeitern zur Familie zu fahren. Die Pause kam jedoch auch den Unternehmen zupass, da sie die Arbeitsorganisation wesentlich erleichterte. Vom Kollektivurlaub betroffen sind die fast 20.000 Beschäftigten des Hoch- und Tiefbaus sowie Sanitärinstallateure. Für sie ist der Kollektivurlaub tarifvertraglich vorgesehen. In der Regel schließen sich ihnen auch Mitarbeiter der Betriebe für abschließende und nachgeordnete Arbeiten wie Fliesenleger, Gipser und Maler an. Dieses Jahr ist der „Congé collectif“ für den Hoch- und Tiefbau vom 31. Juli bis 23. August und für die Installateure vom 3. bis 23. August. Ausnahmen werden für Reparaturarbeiten in Schulen und Betrieben während des Produktionsstillstands und für andere als dringend eingestufte Arbeiten, etwa im Straßenbau, gewährt.
Wir waren einverstanden, den Bau dieses Jahr nicht zuzumachenOGBL-Zentralsekretär
Eine Einigung auf eine Abänderung dieser Regel konnten die Sozialpartner jedoch auch nach vier Sitzungen nicht finden. Dabei hatte sich auch der OGBL, die stärkste Arbeitnehmervertretung in der Branche, zum Einlenken bereit erklärt. „Wir waren einverstanden, den Bau dieses Jahr nicht zuzumachen“, so Jean-Luc De Matteis, OGBL-Zentralsekretär und für den Bausektor zuständig. Zwischen dem 15. Juli und dem 15. September hätte normal weitergearbeitet werden können, unter der Voraussetzung, dass jedem Beschäftigten das Recht auf drei Wochen Urlaub eingeräumt worden wäre. Wer seinen Urlaub vor dem Lockdown gebucht hatte, hätte ebenfalls Anrecht auf diese Auszeit gehabt.
Der Kollektivurlaub fällt ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der Sozialpartner. Die Regierung wäre mehr als froh gewesen, wenn beide eine Lösung gefunden hätten, sagt De Matteis. Ein Eingreifen der Regierung, um doch eine Abänderung ohne Zustimmung der Gewerkschaften zu beschließen, wäre ein Casus Belli, so der Gewerkschaftssekretär.
Nie eine Abschaffung gefordert
Der Regierung wäre durchaus daran gelegen gewesen, die Arbeiten dieses Jahr ausnahmsweise weiterführen zu können, meint Pol Faber, Generalsekretär des „Groupement des entrepreneurs du bâtiment et des travaux publics“. Auch wenn sie die Regelung ausschließlich den Sozialpartnern überließ.
Er sei lediglich an einer Sitzung beteiligt gewesen, sagte uns Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP). Der Wunsch sei gewesen, eine Einigung allein zwischen Sozialpartnern zu finden. Die Regierung habe sich darauf beschränkt zu vermitteln. Sie hätte sich über eine Einigung gefreut, so Kersch. Politische Schritte schließt er aus. Das wäre ein präzedenzloser Eingriff in die Tarifautonomie, betont er.
Man habe nie eine Abschaffung des Kollektivurlaubs gefordert, weist Faber entsprechende Behauptungen zurück. Das sei für die Gewerkschaften wie ein „rotes Tuch“. Die Schließung der Baustellen sei auch für weite Bereiche der Baubranche von Vorteil, so Faber. Große Baufirmen, die über viele Facharbeiter wie Kranführer verfügen, könnten es verkraften, wenn der eine oder andere Urlaub macht. Kleinere Unternehmen müssten jedoch den Betrieb quasi einstellen, wenn ein oder zwei Lkw-Fahrer in Urlaub gehen. Aber die Corona-Krise stelle eine außergewöhnliche Situation dar, weshalb außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich seien. Daher der Wunsch, dieses Jahr ausnahmsweise während des Monats August weiterarbeiten zu können.
Verlegung kam nicht infrage
Pol Faber zufolge hatte die Arbeitgeberseite mehrere Vorschläge unterbreitet, zuerst die Übertragung von drei Wochen Urlaub auf 2021, dann von lediglich einer Woche. Man sei bereit gewesen, den Beschäftigten, die vor dem Lockdown Mitte März gebucht hatten, die Flugkosten zurückzuerstatten. Man habe sich um eine Lösung bemüht, unterstreicht Faber. Manchmal hatte man jedoch den Eindruck, man stoße auf taube Ohren.
Für die Gewerkschaften kam eine Verlegung des Urlaubs nicht infrage. Zuletzt hätten die Arbeitgeber eine Reduzierung des Kollektivurlaubs auf zwei Wochen vorgeschlagen. Die dritte Woche sollte später im Winter genommen werden, schrieb der LCGB nach den gescheiterten Verhandlungen. Er lehnte diesen Vorschlag mit der Begründung ab, die elf Wochen vor Beginn des Kollektivurlaubs würden ausreichen, „um die Arbeitszeit dieser dritten Woche des Kollektivurlaubs, die infrage gestellt wird, auszugleichen“. Außerdem hätten viele Arbeitgeber im Baugewerbe die drei Wochen Kollektivurlaub bereits gewährt. Man habe außerdem festgestellt, dass Verzögerungen bei den Arbeiten verstärkt durch Überstunden wettgemacht würden.
Auch für den OGBL war die Verschiebung des Urlaubs in den Winter unannehmbar gewesen. „Die Menschen arbeiten seit Dezember fast ohne Unterbrechung. Sie bekamen wegen der Kurzarbeit weniger Lohn, befanden sich während des Lockdowns in einer Stresssituation“, so De Matteis.
Für die Arbeitgeber kam hingegen die vom OGBL vorgeschlagene Frist – 15. Juli bis 15. September – nicht infrage. Damit wäre die Zeit der Unwägbarkeiten für die Betriebe noch verlängert worden, so Pol Faber. Dann lieber den auf vier Wochen begrenzten Kollektivurlaub.
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Es wird ohne Überlegung gehandelt. Viele Arbeiter aus kleinen Betrieben brauchen nicht mehr aus dem Urlaub zurück zu kommen, denn nach 3 Wochen ohne Arbeit werden viele Firmen bankrott sein. So vertritt dann die Gewerkschaft seine Anhänger! Brawo!
Der Unverstand der Gewerkschaften ist diesmal wirklich ausserordentlich. Alle stecken zurück , aber die Gewerkschaften machen weiter wie bisher.
Statt die vermeintlichen Interessen ihrer Mitglieder so vehement zu verteidigen, sollten die Gewerkschaften ihre Mitglieder mal per Referendum fragen, was die eigentlich wollen (in einem normalen Jahr – zu Coronazeiten ist ja nichts normal).
Ich habe den Eindruck, dass die Gewerkschaften nur noch für sich sprechen. Viele Baubeschäftigte wollen keinen erzwungenen Kollektivurlaub mehr.
Nicht zu vergessen: dieses Jahr werden viele Beschäftigte wegen Corona auch nicht in Urlaub fahren, denn sie wollen ihre Angehörigen, meist Eltern und Großeltern nicht in Gefahr bringen.
Auf Überstunden zu zählen, um den Lockdown zu kompensieren, ist höhnisch, denn die Baufirmen haben sowieso schon viel höhere Kosten.
Eine Alternative wäre, das Arbeitsverbot aufzuheben, damit Firmen, die arbeiten wollen und können, nicht zum Schließen gezwungen werden. Größere Firmen hätten mit der Organisation zwar Probleme, aber kleinere Firmen würden meist gerne weiterarbeiten, auch mit reduzierter Mannschaft.
Ich bin weder Bauarbeiter noch Chef einer Baufirma. Ich höre nur, dass Arbeiter von großen und kleinen Firmen sowie Chefs von kleinen Firmen jedes Jahr jammern, wenn der Kollektivurlaub in Sicht ist.
Wenn man einen Teich trockenlegen will, dann redet man nicht mit den Fröschen.