Graffiti / Lokalkolorit aus der Dose: Alain Welter besprüht Differdinger Kühltürme
Die grauen Kühltürme, die einst im Schatten des Hadir-Towers in Differdingen standen, bekommen seit Anfang Juli ein buntes „Relooking“. Im Auftrag der Gemeinde Differdingen und des Stahlkonzerns ArcelorMittal erzählt der luxemburgische Graffiti-Künstler Alain Welter die Geschichte der Südregion und der Stahlindustrie auf seine eigene Weise. Nämlich mit Pinsel und Spraydose.
Am 2. Juli haben Alain Welter und sein fünfköpfiges Team mit dem gigantischen Kunstprojekt begonnen. Seitdem haben sie unzählige Höhenmeter auf den Gerüsten rund um die Kühltürme zurückgelegt. An manchen Tagen arbeiten sie bis zu zehn Stunden in den luftigen Höhen, und das mit nur einem Ruhetag in der Woche. Während der ganzen Zeit sind sie Sonne, Wind und Regen schutzlos ausgeliefert. „Zwei Kühltürme sind bereits fertig. Das gesamte Kunstwerk soll Anfang September fertig werden. Aus Platzgründen können immer nur zwei Gerüste entlang der Kühltürme aufgebaut werden. Zur Grundierung wurde weiße Farbe auf die Türme aufgetragen, dann habe ich die Motive aufgezeichnet. Bislang haben wir schätzungsweise rund 30 Liter weiße Farbe und rund 80 Spraydosen verbraucht. Seit ein paar Tagen macht uns auch die Hitze zu schaffen. Ich versuche, ausreichend zu trinken und wenn es geht mich mit der Sonne zu drehen, damit ich auch mal im Schatten arbeiten kann“, erzählte Alain Welter.
360 Grad
Obwohl es sich um fünf verschiedene Türme handelt, sollen die Graffiti nach der Fertigstellung als ein einziges und zusammenhängendes Kunstwerk wahrgenommen werden – und hier liegt auch die Schwierigkeit „Jeden Turm muss ich rundum, also 360 Grad, besprayen. Das war bei der Umsetzung sehr schwer, denn die Skizze musste im Loop funktionieren. Ein anderes Problem ist die räumliche Nähe zwischen dem Gerüst und der Betonwand. Meistens kann ich das Kunstwerk erst aus einiger Entfernung begutachten, wenn das Gerüst abgebaut wurde. Für Nachbesserungen nutze ich dann eine Leiter“, verrät Welter, der seine Erfahrungen mit der Spraydose im Skatepark in Hollerich gesammelt hat.
Nachdem der 26-jährige Graffiti-Künstler, der in Berlin studiert hat, vor ein paar Jahren ein größeres Kunstprojekt in Kahler umgesetzt hat, trat die Gemeinde Differdingen an ihn heran, um die fünf Kühltürme entlang der Avenue de la Liberté zu verschönern. „Zunächst sollte eigentlich nur die Seite zur Straße bemalt werden, doch dann hat ArcelorMittal – das noch immer zwei der Türme nutzt – beschlossen, dass auch die Seite zum Werk hin besprayt werden solle. Der Stahlkonzern wollte allerdings schon, dass seine Produkte auch mit in das Kunstwerk einfließen. Deshalb habe ich beschlossen, die Geschichte der Stahlindustrie, aber auch die der Menschen aus dem Süden Luxemburgs grafisch umzusetzen“, erklärt Welter.
Neben den typischen Wohnkolonien, in denen früher die Stahlarbeiter gewohnt haben, spielt der Gütertransport eine zentrale Rolle in dem fünfteiligen Kunstwerk. Auch die Farbe Rot dominiert nicht ohne Grund. Sie soll an die rote Erde erinnern. Auch Wörter wie „Goar“ oder „Minettsdapp“ sind bereits auf den Türmen zu lesen. Die Stahlarbeiter, aber auch die Bewohner der südlichen Gemeinden wurden früher etwas abwertend „Minettsdäpp“ genannt. Heute überwiegt jedoch der Stolz und das Wort hat eher einen positiven Touch. „Ich komme nicht aus dem Süden und dennoch möchte ich, dass die Menschen sich mit meinem Kunstwerk identifizieren und stolz auf ihre Geschichte sind“, so der junge Künstler, der extra eine Schulung von ArcelorMittal absolvieren musste, um sich rund um die Kühltürme frei bewegen zu dürfen.
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Wie heisst der Junge denn jetzt richtig, Welter oder Weber?
Welter. Wir haben die fehlerhafte Bildunterzeile korrigiert und bitten um Entschuldigung.
– Die Red.
Es ist mir ein Rätsel, wie man bei so großflächigen Motiven die Proportionen richtig hinbekommt. Bin extra mal nach Kahler gefahren, um seine Kunstwerke zu sehen – toller Künstler!