Plattformarbeit / LSAP setzt sich für eine schnelle Umsetzung der EU-Direktive ein
Ein Teil des Wandels, der sich in der Arbeitswelt vollzieht, ist das Aufkommen digitaler Plattformen. Das Europaparlament hat dazu am 24. April eine lang erwartete EU-Richtlinie verabschiedet. Um diese in nationales Recht umzusetzen, bedarf es nach Ansicht der LSAP nur eines Griffs in die Schublade.
Sie chauffieren uns, liefern Essen und leisten viele andere Dienste, die per Smartphone-App gebucht werden und uns den Alltag vereinfachen – und werden ausgebeutet. Die Bedingungen, unter denen die Beschäftigten der sogenannten digitalen Plattformen arbeiten, sind meistens prekär. Prekär ist auch ihre Bezahlung. Die meisten von ihnen sind Nicht-Luxemburger, nicht wenige stammen aus Drittstaaten.
Diese „Gig-Worker“ arbeiten nicht selten in einem rechtsfreien Raum. Einige Plattformen, deren Backoffice nicht selten im Ausland sitzt, umgehen Mindestlohn, Sozialabgaben und Krankenversicherung. Über eine oder mehrere Plattformen sind heute bereits mehr als 28 Millionen Menschen beschäftigt. Laut Prognosen steigt ihre Zahl bis 2025 auf 43 Millionen. Hierzulande sind es nach Schätzungen zurzeit mehrere Tausend.
Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert die Arbeitsbedingungen des 19. Jahrhunderts herrschenLSAP-Abgeordnete
Als die beiden LSAP-Abgeordneten Taina Bofferding und Georges Engel die Presse empfingen, war die Meldung bereits raus, dass das multinationale Unternehmen Uber nun auch in Luxemburg startet. „Sicherlich erleichtern die digitalen Plattformen die Entstehung innovativer Dienstleistungen und neuer Geschäftsmodelle“, weiß Bofferding. „Doch sie verändern auch den Arbeitsmarkt grundlegend und stellen die bestehenden Rechte und Pflichten bei der Regulierung klassischer Arbeitsverhältnisse sowie die sozialen Rechte infrage.“ Sie betont: „Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert die Arbeitsbedingungen des 19. Jahrhunderts herrschen.“
Die Mär der Selbstständigkeit
Das ist des Pudels Kern: Die Plattformen verstehen sich als Vermittler von Dienstleistungen und weniger als Arbeitgeber. Demnach betrachten sie Personen, die über eine digitale Plattform eine Arbeit verrichten, als Selbstständige. Doch von Selbstständigkeit können viele „Gig-Worker“ nur träumen. Das Tageblatt sprach bereits vergangenes Jahr mit einigen von ihnen. Ein Mann aus dem nahen Grenzgebiet, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, dass er einen Monat lang sieben Tage die Woche fast elf Stunden täglich arbeite. Er liefere mit dem eigenen Auto aus. Von Selbstständigkeit keine Spur. Er bekomme seine Anweisungen von einem Arbeitgeber, den er noch nie gesehen habe. Doch die Auftrag- beziehungsweise Arbeitgeber leugnen das Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen und den Arbeitnehmern.
Für Taina Bofferding untragbar. „Die Einstufung als Selbstständige ist jedoch schlichtweg falsch“, sagt die Oppositionspolitikerin und frühere Ministerin. „Diese Menschen haben einen Chef: einen Algorithmus, der entscheidet, wie viele Aufträge sie erhalten. Diesen Personen werden jedoch die im Arbeitsgesetzbuch verankerten Rechte und die Absicherung vorenthalten, auf die sie als Arbeitnehmer Anspruch haben.“
Die Plattformarbeiter sind demnach von einem Algorithmus abhängig, der „Gig-Worker“ streng überwacht und all jene bestraft, die etwa nicht arbeiten, weil sie krank ist. „Dann kommt kein Auftrag mehr rein“, weiß Taina Bofferding. Die Mär von der Soloselbstständigkeit ist demnach ein billiger Trick. Nach Schätzungen sind etwa 90 Prozent der Plattformarbeiter derart „unabhängig“, ohne selbst entscheiden zu dürfen und ohne im normalen Arbeitsrecht verankert zu sein.
Taina Bofferding verweist dabei auf die neue Richtlinie der Europäischen Union zur Regulierung der sogenannten Gig-Economy, die das Europaparlament am 24. April verabschiedete und die deren Scheinselbstständigkeit korrigieren sowie sicherstellen soll, dass die Betroffenen einen korrekt definierten beruflichen Status haben. Den Richtlinienvorschlag hatte Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, eingebracht. Auch wenn die Direktive nicht perfekt sei, so Bofferding, bringe sie zumindest Verbesserungen.
Entwurf liegt bereit in der Schublade
Georges Engel hatte sich als Arbeitsminister bereits intensiv mit dem Thema befasst. Unter seiner Leitung hatte das Ministerium einen Vorentwurf für ein Gesetz ausgearbeitet. Doch zur Verabschiedung kam es in seiner Amtszeit nicht mehr. Die DP habe damals zuerst auf die EU-Direktive warten wollen. Der Entwurf liege in der Schublade und könne nun eingereicht werden, um die EU-Direktive hierzulande umzusetzen. „Angesichts der rezenten Entwicklungen halten wir es für äußerst wichtig“, so der LSAP-Politiker, „sofort ein Gesetz zu erlassen, um die Praxis der über digitale Plattformen vermittelten Arbeit zu regulieren, indem der Einsatz von Scheinselbstständigkeit formell verboten wird, indem unter anderem die Rückverfolgbarkeit von Personen, die über eine digitale Plattform arbeiten, geregelt wird, und um deren wirksamen Schutz zu gewährleisten.“
Die EU-Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Kriterien für die Definition des Vertragsverhältnisses zwischen einer Plattform für digitale Arbeit und den „Gig-Workern“ festlegen. Die LSAP nennt sieben Kriterien. Wenn mehrere von ihnen erfüllt seien, gelten die Personen, die eine Arbeit über die Plattform ausüben, als Arbeitnehmer. Die Sozialisten fordern die Regierung auf, diese Kriterien zu verwenden. Sie solle ein Gesetz ausarbeiten, das klar zwischen Selbstständigen und Plattformbeschäftigten unterscheidet sowie einen Arbeitsvertrag vorsieht und einen damit verbundenen sozialen Schutz vorsieht. Für Gewerkschaften ist es traditionell schwer, an die „Gig-Worker“ ranzukommen. Umso dringender ist daher ein Gesetz.
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