Besuch in Chișinău / Luc Frieden über die Zukunft Moldaus: „Das kann uns in Luxemburg nicht egal sein“
Nach seinem Abstecher nach Budapest garantiert Luc Frieden der Republik Moldau Unterstützung auf ihrem Weg in die Europäische Union. Auch wenn es ein steiniger Weg wird.
Was für ein Kontrast. Luc Friedens zweitägige Reise führte Luxemburgs Premier am Donnerstag erst für wenige Stunden nach Budapest zu Ungarns rechtem Regierungschef Viktor Orban. Nur um dann gleich weiter in die Republik Moldau zu fliegen. Während Orban im Juli zu Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft noch den russischen Präsidenten Wladimir Putin besuchte und das eine „Friedensmission“ nannte, geht in Moldau weiter die Angst vor Moskau um.
Aus zweierlei Gründen, historischen und aktuellen. Ein schmaler Streifen der kleinen Ex-Sowjetrepublik, mit Grenzen zu Rumänien und der Ukraine, hat sich mit Unterstützung der russischen Armee und unter Leitung des Kreml bereits 1990 faktisch vom Rest der Republik Moldau abgetrennt. International wird Transnistrien zwar weiter zur Republik Moldau gezählt. Tatsächlich hat die Regierung in der Hauptstadt Chișinău aber keinen Einfluss mehr auf das Gebiet. Und die russische Invasion der Ukraine hat die Probleme der Moldauer nur anwachsen lassen.
Moldau sucht sein Heil im Westen
Sollte Russland, was es bereits versucht hat, die ukrainische Hafenstadt Odessa erobern, hätte Moskau keine Probleme mehr, noch wesentlich mehr als die rund 1.500 „Friedenstruppen“ genannten Soldaten, die es in Transnistrien stationiert hat, in die Region zu verlegen. Für die Republik Moldau wäre das ziemlich sicher das Ende.
Sein Heil sucht Chișinău im Westen. Im März 2022 und damit kurz nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine stellte Moldau einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft. Wenig später bekam das Land den Kandidatenstatus zugesprochen. Ende vergangenen Jahres ebnete die EU dann den Weg für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Doch dieser Weg wird lang und steinig sein für die kleine wirtschaftsschwache Republik.
Eine wichtige nächste Etappe will Chișinău am kommenden 20. Oktober erreichen. Zeitgleich zur Präsidentenwahl findet ein Referendum statt, in dem die Moldauer gefragt werden, ob sie für oder gegen den Weg hin zum Beitritt zur EU sind. Kommt es zu einem Ja, soll die EU-Integration als „strategisches Ziel der Republik Moldau“ in die Verfassung einfließen. Dem Kreml gefällt das wenig überraschend nicht, und so sehen sich die Moldauer mit immer mehr Desinformation, Propaganda und versuchtem Stimmenkauf konfrontiert.
Dass das pro-westliche Lager, dem sowohl Ministerpräsident Dorin Recean als auch Präsidentin Maia Sandu angehören, jede Hilfe willkommen heißt, liegt auf der Hand. Und damit: Auftritt Luc Frieden. In Chișinău sagt Luxemburgs Premier nach Gesprächen mit seinem Amtskollegen Recean, die am Freitag unterzeichnete gemeinsame Erklärung („Joint Declaration“) zur Unterstützung von Moldaus EU-Beitrittsprozess sei „eine starke politische Botschaft“.
Deswegen sei er hier, sagt Frieden im Amtssitz des moldauischen Regierungschefs: „Um den Menschen in Moldau zu sagen, dass Luxemburg will, dass sie Teil der europäischen Familie sind und Demokratie, Frieden, Rechtsstaatlichkeit, die Grundwerte, an die wir glauben, auch hier bestehen.“ Frieden sieht die gemeinsame Erklärung als „starke außenpolitische und europapolitische Botschaft“. Jetzt gelte es, „zu schauen, wie wir die Republik Moldau auf ihrem alltäglichen, langen und komplizierten Weg in die Europäische Union unterstützen können“.
Finanzen und Rechtsstaat
Zur konkreten Hilfestellung, die Luxemburg Moldau anbieten könne, zählt Frieden u.a. die Unterstützung bei der Gesetzgebung zu Finanzdienstleistungen und generell der Rechtsstaatlichkeit. In diesem Prozess könne Luxemburg Moldau beistehen. Der wesentliche Punkt sei aber nicht dieser technische Teil, „sondern dafür zu sorgen, dass was in der Ukraine geschehen ist, nicht in der Republik Moldau geschehen kann, denn das kann uns in Luxemburg nicht egal sein“.
Nicht nur Frieden liegt viel an einer europäischen Zukunft Moldaus. Allein in den vergangenen sechs Wochen besuchten der polnische Premier Donald Tusk sowie die Präsidenten aus Rumänien, Litauen, Estland, Lettland sowie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz die Republik. Was zweierlei verdeutlicht: Wie sehr den Europäern am westlichen Kurs Moldaus gelegen ist. Und wie ernst sie die Gefahr der weiteren russischen Einflussnahme sehen. Damit sehen sie die Situation am Rand des Kontinents wohl so wie Luxemburgs Premier. Auch für Luxemburg sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass diese Volksbefragung ein Erfolg wird, sagt Frieden: „Wenn wir am Rand Europas Unstabilität oder Diktaturen haben, dann ist das eine Gefahr auch für uns.“
Drei Fragen an: Dorin Recean, Ministerpräsident der Republik Moldau
Tageblatt: Die Republik Moldau hat bereits 1990 die Kontrolle über die Region Transnistrien verloren, in der faktisch Russland herrscht. Mittlerweile streben Sie in die Europäische Union. Halten Sie das unter diesen Umständen überhaupt für möglich?
Dorin Recean: Moldau ist ein sicheres Land und ein friedfertiges Land. Wir wollen in Frieden leben mit Transnistrien und tun alles dafür. Das ist nicht nur wichtig für Moldau, sondern für die ganze Region. Und wir haben einen Plan zur Reintegration. Bereits jetzt sehen wir einen Trend zur wirtschaftlichen Reintegration Transistriens in die Republik. Auch ein großer Teil des Handels der Region Transnistrien findet bereits mit der EU statt. Dazu arbeiten wir ständig daran, die Möglichkeiten des sozialen Austauschs auszuweiten, etwa bei der Sozialfürsorge oder bei der medizinischen Versorgung. Die Wiedereingliederung läuft also auf zwei Ebenen: der wirtschaftlichen, aber auch der gesellschaftlichen.
Am 20. Oktober findet ein Referendum statt, bei dem die Moldauer gefragt werden, ob ihr Land weiter in die EU streben soll. Sind Sie optimistisch, dass es zum von der Regierung erhofften Ja kommt?
Wir sind optimistisch, klar. Doch wir werden herausgefordert von der immer stärker werdenden Propaganda des Kreml, der daran arbeitet, dass wir nicht Teil der EU werden, dass wir keine richtige Demokratie werden. Aber wir arbeiten hart. Und das Referendum ist auch eine nationale Übung in Einheit und Solidarität. Wir wollen gemeinsam unseren Willen unterstreichen, Teil der EU zu werden. Wir wollen das Referendum nicht nur gewinnen. Wir wollen es hoch gewinnen.
Sie sprachen die russische Propaganda und Desinformation an. Wie kann man sich das vorstellen? Findet diese vor allem in den sozialen Medien statt?
Der Kreml setzt in Moldau die gesamte Palette dessen ein, was man mittlerweile die hybride Kriegsführung nennt. Moskau versucht, unsere Gesellschaft zu destabilisieren. Inklusive des Versuchs, Stimmen gegen Cash zu kaufen und so die Fundamente des Staates zu untergraben. Die Regierung hat sich aber inzwischen dagegen gewappnet. Wir sind absolut in der Lage, uns dagegen zu wehren. Dazu kommt, dass wir die notwendigen Schritte für einen EU-Beitritt bereits eingeleitet haben. Wir haben die notwendigen Reformen im Bereich der Justiz und der Bekämpfung der Korruption in die Wege geleitet und haben begonnen, unsere Institutionen anzupassen. Dazu versuchen wir, unsere Wirtschaft zu stärken. Von unserem Kampf gegen die russische Desinformation kann auch die EU lernen. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt und wissen inzwischen, wie man gegensteuert.
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