Sozialdialog / „Lügen“ oder „pure Ideologie“? OGBL bricht Tripartite-Verhandlungen ab
Flüchtende Gewerkschafter des LCGB und der CGFP, eine isolierte OGBL-Präsidentin Nora Back und aufgebrachte Patronatsvertreter: Der OGBL hat die Tripartite am späten Mittwochabend abgebrochen. Das von der Regierung vorgeschlagene Maßnahmenpaket kommt nun wohl ohne Zustimmung des OGBL – möglicherweise aber mit dem Segen der anderen Gewerkschaften – zustande.
Es waren bezeichnende Szenen, die sich nach dem Abbruch der Tripartite am späten Mittwochabend abspielten. Die Vertreter des LCGB und der CGFP verschwanden fluchtartig in ihren Autos, während OGBL-Präsidentin Nora Back kurz vor Mitternacht als einzige Gewerkschaftsvertreterin vor die Presse trat. „Es gibt keine Vereinbarung“, sagte Back in die Mikros der seit 18.00 Uhr gespannt wartenden Journalisten. „Der OGBL konnte das vorgeschlagene Paket nicht mittragen.“ Man sei als OGBL mit dem Willen, die arbeitende Bevölkerung zu verteidigen, in diese Verhandlungen gekommen. Genau jener Teil der Bevölkerung würde aber einen entscheidenden Anteil seiner Kaufkraft verlieren. „Das war für den OGBL inakzeptabel“, so Back.
Einer der Knackpunkte waren, wie schon vor Beginn der Tripartite zu erwarten, die Diskussionen rund um den Index. „Jede Indexmanipulation stellt für den OGBL eine rote Linie dar“, sagte Back. Man sei verhandlungsbereit gewesen, habe tage- und nächtelang gestritten. Selbst die Aufschiebung einer Indextranche wäre akzeptabel gewesen, wenn eine über dem Wert des Index gelegene Entschädigung, eine sogenannte Überkompensierung, stattgefunden hätte. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten jedoch dazu geführt, dass viele Menschen weniger gehabt hätten, als wenn der Index normal ausgezahlt worden wäre“, erklärte Back. In einer Krisen- und Kriegssituation, wie sie derzeit in Europa vorherrsche, habe man aber kein längerfristiges Engagement zu einer Indexmanipulation geben können.
Schon während der Verhandlungen waren erste Informationen nach außen gedrungen, dass es nicht zwischen Regierung, Patronat und Gewerkschaften knarzte, sondern zwischen den einzelnen Gewerkschaften. Ein Punkt, den Nora Back jedoch nicht weiter kommentieren wollte. „Der LCGB und die CGFP sind noch in Gesprächen und müssen ihre jeweiligen Positionen verteidigen – das hier ist ein Bruch des OGBL mit dieser Tripartite“, so Back. „Wir können uns als OGBL nicht mehr in den Spiegel schauen, wenn alleine den Unternehmen flächendeckend geholfen wird“, sagte Back und nannte die Summe von 830 Millionen Euro, die den Unternehmen „geschenkt“ werden würde. Das sei nicht gezielt geholfen, sondern, einfache „Gießkannenpolitik“. Auch das letzte Angebot der Regierung sei noch weit unter den Erwartungen des OGBL gewesen, weshalb man als OGBL beschlossen habe, die Verhandlungen abzubrechen.
„Es werden Lügen erzählt“
„Dem OGBL wird vorgeworfen, horrende Summen gefordert zu haben und nicht kompromissbereit gewesen zu sein“, sagte Back und sprach von Lügen, die die Runde machen würden. „Das stimmt alles nicht und wir werden uns am Donnerstagmorgen auf einer Pressekonferenz erklären.“ Auch stimme es nicht, dass das Maßnahmenpaket Überkompensierungen vorsehe – das genaue Gegenteil von dem, was die drei Regierungsvertreter kurze Zeit später auf einer Pressekonferenz sagten. Der OGBL könne zudem nicht akzeptieren, dass Maßnahmen, die bereits vor der Tripartite beschlossen wurden, nun in dem Maßnahmenpaket aufgeführt werden würden – „das ist nicht richtig“, sagte Back. Auch das ein Punkt, in dem Premierminister Xavier Bettel der Gewerkschafterin später widersprechen sollte.
Während der Verhandlungen soll der OGBL angeblich gefordert haben, Jahresgehälter von bis zu 160.000 Euro zu entschädigen. Tageblatt-Informationen aus Kreisen des OGBL zufolge lag die Forderung der Gewerkschaft näher beim Fünffachen des Mindestlohns – was einem Jahresgehalt von 128.400 Euro gleichkäme. „Die Details erklären wir am Donnerstag auf der Pressekonferenz“, sagte die OGBL-Präsidentin, als sie von den anwesenden Journalisten nach einer konkreten Summe gefragt wurde. Die Senkung der Kraftstoffpreise um 7,5 Cent pro Liter (Heizöl, Diesel, Benzin) bis Ende Juli 2022 oder auch das Einfrieren der Mieten seien gute Maßnahmen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen würden, so die Gewerkschafterin.
Der Präsident des Unternehmerverbandes UEL, Michel Reckinger, reagierte ebenfalls kurz nach Abbruch der Verhandlungen auf das Scheitern. „Die europäische Wirtschaft steckt im Krieg“, so Reckinger. „Wenn wir uns nicht auf diesen Fakt einigen können, hat einer doch komplett die Raison verloren.“ Es sei ein außergewöhnliches Maßnahmenpaket geschnürt worden, bei dem die gefährdetsten Mitglieder der Gesellschaft um das Dreifache überkompensiert worden wären. „Wenn das aus purer Ideologie abgelehnt wird, nur um Nein sagen zu können, dann …“ Im Handwerk gebe es keinen, der 160.000 Euro pro Jahr verdiene – eine Summe, die an diesem Abend mehrfach genannt wurde. „Ich habe das Gefühl, dass hier nicht versucht wurde, eine Lösung zu finden“, fügte Reckinger an.
Regierung verteidigt Maßnahmenpaket
Premierminister Xavier Bettel (DP) trat im Anschluss an den Verhandlungsabbruch zusammen mit den beiden Vizepremierministern Paulette Lenert (LSAP) und François Bausch („déi gréng“) vor die Presse. „Eine Vereinbarung ist eigentlich möglich gewesen“, sagte Bettel. Jeder habe Zugeständnisse machen müssen, nachdem der OGBL sein Veto gegen den „accord de principe“ der vergangenen Woche eingelegt habe. Zusammen mit den Patronatsvertretern sowie auch der CGFP und dem LCGB hätte man sich einigen können. „Lediglich der OGBL kann die vorgeschlagene Vereinbarung nicht gutheißen“, sagte Bettel. CGFP und LCGB hatten unterdessen nach Bedenkzeit gebeten und wollten am Donnerstagmorgen eine Entscheidung fällen.
Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket bezeichnete der Premier als historisch, mit einem Umfang von 830 Millionen Euro und Steuerkrediten in Höhe von rund 400 Millionen. „Durch diese Maßnahmen wird die Kaufkraft der Haushalte mit geringem Einkommen überkompensiert“, sagte Bettel in direktem Widerspruch zu den Aussagen von Nora Back. Finanzministerin Yuriko Backes (DP) und Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) würden die technischen Details der Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal genauer erklären.
Auch habe die Regierung einen weiteren Vorschlag gemacht, den Kaufkraftverlust durch Steuerkredite und Energiezuschüsse aufzufangen. „Geringverdiener können mit einem Nettozuschuss von 750 Euro rechnen“, meinte der Premier auf der Pressekonferenz kurz nach Mitternacht. Für Menschen, die den Revis beziehen oder noch einen Studentenkredit aufweisen, würden weitere 14,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Die Senkung der Kraftstoffpreise um 7,5 Cent würde die Regierung weitere 75 Millionen Euro kosten. Für Mietzuschüsse würden zusätzliche fünf Millionen Euro veranschlagt werden.
OGBL nicht zu überzeugen
„Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind mit einem Umfang von 650 Millionen Euro für Privatleute im Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn außergewöhnlich“, sagte Bettel. Auch sei zu keinem Zeitpunkt um den Wegfall, sondern lediglich um das Aufschieben einer bis maximal zwei Indextranchen um acht beziehungsweise zwölf Monate gegangen. „Ich will noch einmal betonen: Mit dieser Regierung wird keine Indextranche aufgehoben“, so Bettel. „Die aufgeschobenen Indextranchen würden ja dann ebenfalls noch einmal überkompensiert werden.“ Er bedauerte es, dass eine Gewerkschaft trotzdem nicht überzeugt werden konnte. „Ich werde dann am Donnerstagnachmittag in der Chamber erklären, was wir als Regierung entschieden haben“, sagte Bettel. Appelle von Regierungsseite, am Donnerstagmorgen noch einmal zusammenzufinden, seien von Gewerkschaftsseite ausgeschlagen worden.
Auch Paulette Lenert verteidigte das von der Regierung geschnürte Maßnahmenpaket. „Das, was wir vorgeschlagen haben, war ein ausgeglichenes Paket“, sagte Lenert und sprach von einer historischen Anstrengung. „Ich will ebenfalls betonen, dass wir den Index nicht infrage stellen.“ Zu dieser späten Stunde sei das Scheitern der Tripartite eine traurige Feststellung. Auch François Bausch verteidigte den eingeschlagenen Kurs. „Wir sind ein soziales Modellland.“
Streit um kolportierte 160.000 Euro
Auf Nachfrage der Journalisten, ob tatsächlich Entschädigungen für Jahresgehälter von 160.000 Euro gefordert wurden, sagte Bettel: „Keiner von uns dreien wird ein Entschädigungsmodell, bei dem Gehälter von bis zu 13.000 Euro Monatsgehalt Kompensationen erhalten (ungefähr 160.000 Euro Jahresgehalt, Anm. d. Red.), unterstützen.“ Die von Gewerkschaftsseite vorgeschlagenen Modelle würden teilweise ein Gesamtbudget von einer Milliarde Euro bei weitem übersteigen. Ob eine Forderung des OGBL tatsächlich die Summe von 160.000 Euro umfasste? „Das waren Vorschläge, die auf dem Tisch lagen“, antwortete die sozialistische Ministerin Paulette Lenert.
Letzten Endes sei es am Luxemburger Parlament, über die vorgeschlagenen Maßnahmen der Regierung abzustimmen – eine Unterschrift des OGBL sei aus formaljuristischer Sicht nicht nötig. „Die Chamber erlässt das Gesetz, der Sozialdialog ein Ausdruck des politischen Willens“, stellte Bettel klar. Ein Sozialdialog, der nach Aussage des Premiers mit dem Scheitern am Mittwochabend eine Delle abbekommen habe. „Der Sozialdialog ist nicht tot, aber auch nicht vollständig“, meinte Bettel. „Es ist ein Modell einer gemeinsamen Lösungsfindung – auch wenn man nicht immer in jedem einzelnen Detail mit den Dialogpartnern übereinstimmt.“
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Hat der Verein um die Dame Back den Verstand verloren? Ein Gehalt von 13000€ genügt nicht mehr um eine Inflation wie heuer zu überstehen? Was machen dann jene die nur die Hälfte verdienen,oder noch weniger? Ein Blick über die Grenzen würde dem OGBL sicher gut tun. Die Made im Speck räkelt sich und schreit lauthals nach mehr. So,jetzt gehe ich tanken und dann bleibe ich den Rest der Woche zuhaus.
Waat muss di Madame Back schwéngsech Geld als Présidentin verdingen. (…) wann si de Minimum vum Joeresgehalt op 160.000.-€ wëll héijen
Aaah nee, di Gewerkschaflter(in(nen) déi maachen daat jo als Bénévol(e) also GRAAATIS.
Si kukken als éischt noo sech, an dann nach eng Kéier noo sech, an dann kënnt laaang näischt, da kukken si nach eng Kéier noo sech AN DANN kukken si VLÄICHT noo deenen Klengen Leit !
Zuerst stimmt der OGBL zu, danach zieht er seine Zustimmung zurück. Was soll das Kasperletheater ? Die Gewerkschaft kann dadurch nur ihre Glaubwürdigkeit verspielen.