Staatsfinanzen / Luxemburg droht eine Rezession – Wiederaufschwung für 2024 prognostiziert
Steht Luxemburg eine Rezession bevor? Das legt zumindest das Arbeitspapier des „Comité économique et financier national“ für die Koalitionsverhandlungen nahe. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen der Staatsfinanzen.
Formateur Luc Frieden hat gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen von einer „schwierigen makroökonomischen Situation“ gesprochen. Wie schwierig, wollte der designierte Premierminister zu dem Zeitpunkt noch nicht sagen, sprach lediglich von einer „Stagnation oder sogar Rezession“ der Luxemburger Wirtschaft. Die Daten von Luxemburger Finanzexperten und Beamten, die dem Formateur vorgelegt wurden, waren zu dem Zeitpunkt streng geheim. Bis jetzt: Die Daten wurden am 7. November dem Parlament zugänglich gemacht.
Das Arbeitsdokument, das den Verhandlungsparteien in Senningen vorgestellt wurde, liegt nun auch dem Tageblatt vor. Und tatsächlich geht das „Comité économique et financier national“ (CEFN) für das Jahr 2023 von einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität aus. „L’économie luxembourgeoise ne semble pouvoir éviter une contraction en 2023“, schreibt das CEFN. Was das konkret heißt, halten die Experten in einer Fußnote fest. „Die Annahme eines Quartalswachstums, das etwas unter dem historischen Durchschnitt von 0,6 Prozent liegt, in diesem Fall bei 0,4 Prozent, würde zu einer Rezession von minus 0,8 Prozent im Jahr 2023 führen.“ Grund zur Panik gibt es jedoch keine: Das CEFN schätzt, dass die Luxemburger Wirtschaft 2024 um etwa 1,5 Prozent wachsen wird.
Was ist eine Rezession?
Ökonomen sprechen dann von einer Rezession, wenn eine Wirtschaft (BIP) im Jahresvergleich zwei Quartale hintereinander schrumpft. Im dritten Quartal wurde in Luxemburg ein Wirtschaftswachstum von minus 0,1 Prozent gemessen. Auch aufs Jahr gerechnet wird Luxemburgs Wirtschaft wahrscheinlich schrumpfen.
Der Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums sei vor allem auf den Finanzsektor zurückzuführen. In seiner Konjunkturnote im Juni ging das nationale Statistikamt Statec noch davon aus, dass sich der Finanzsektor nach dem Rückgang 2022 erhole. Das sei jedoch nicht geschehen, weshalb das Bruttoinlandsprodukt für das Jahr 2023 wahrscheinlich – anders als noch im Juni erwartet – sinken wird.
Leere Staatssäckel
Grund zur Sorge bieten eher die Pläne für Luxemburgs Staatsfinanzen. Im Pandemiejahr 2020 verzeichnete der Luxemburger Zentralstaat ein Minus von 3,1 Milliarden Euro. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnlichen Maßnahmen, hieß das Credo während der Corona-Pandemie. Im darauffolgenden Jahr belief sich das Minus „nur“ noch auf 596 Millionen Euro. Dann aber kam der Ukraine-Krieg und damit die Energie- und Inflationskrise. Die Tripartite-Maßnahmen ließ sich die Dreierkoalition einiges kosten. Für die Jahre 2022 und 2023 steht somit ein Minus von 1,08 Milliarden Euro respektive 2,22 Milliarden Euro zu Buche.
Für 2023 bedeutet das: Obwohl die Einnahmen des Luxemburger Staates bis September um fünf Prozent gewachsen sind, sind die Ausgaben im gleichen Zeitraum jedoch um satte 15 Prozent gestiegen – zurückzuführen vor allem auf die Ausgaben für die Solidaritätspakete 1.0 bis 3.0. Bei den gestiegenen Einnahmen macht sich vor allem das Mehr an Steuereinnahmen durch die Indextranchen bemerkbar (plus 311 Millionen Euro). Auch bei der Mehrwertsteuer wird weiterhin ein Plus von knappen 100 Millionen Euro verbucht. Im Jahresvergleich mit 2022 fällt im Gegenzug auf, dass bei den Eintragsgebühren („droits d’enregistrement“) ein Minus von 50 Prozent (minus 197 Millionen Euro) festzustellen ist. Das ist vor allem auf den schwächelnden Luxemburger Wohnungsbaumarkt zurückzuführen.
Da die Energiepreise von der Dreierkoalition aus DP-LSAP-„déi gréng“ für das Jahr 2024 noch gedeckelt werden, steht auch für 2024 ein Minus von 3,259 Milliarden Euro beim Zentralstaat zu Buche. Problematisch ist derweil, dass – bei unveränderter Politik – auch für die darauffolgenden drei Jahre mit einem Minus von fast drei Milliarden Euro geplant wird.
Zinslast
Im Jahr 2027 soll das Defizit beim Zentralstaat verglichen mit der Planung von April 2023 um fast eine Milliarde Euro höher liegen. Das setzt sich aus steigenden Funktionskosten (plus 214 Millionen Euro), Gehaltskosten (plus 202 Millionen Euro), Sozialausgaben (plus 179 Millionen Euro) und nicht zuletzt einer steigenden Zinslast zusammen (plus 152 Millionen Euro).
Das CEFN geht davon aus, dass die Schuldzinslast des Luxemburger Staates bis 2027 auf 624 Millionen ansteigen wird. Einerseits, weil für die Rückzahlung bestehender Schulden neue Schulden zu einem höheren Zinssatz aufgenommen werden müssen. Andererseits, weil Luxemburg zur Finanzierung der geplanten Defizite neue Schulden aufnehmen muss. Zum 2. Oktober betrug der durchschnittliche Zinssatz der Luxemburger Schulden 1,61 Prozent. Bei einer Refinanzierung dieser Schulden muss Luxemburg mit einem Zinssatz von ungefähr 3,625 Prozent rechnen. Luxemburg hat derzeit eine Schuldenlast von 17,260 Milliarden Euro.
Die Schuldquote des Luxemburger Staates (Zentralstaat, Gemeinden und Sozialversicherung) soll Ende 2023 bei 25 Prozent des BIP stehen. Angaben der „Trésorerie de l’Etat“ zufolge dürfte die Schuldenquote 2026 die 30-Prozent-Grenze, die sich die jetzige Regierung im Koalitionsvertrag gesetzt hatte, überschreiten. Dann soll die Schuldenquote bei 31,2 Prozent liegen, 2027 auf 32,4 Prozent ansteigen. In Wirklichkeit dürfte diese Zahl sich noch weiter verschlechtern, da die Pläne noch auf den besseren Juni-Prognosen des Statec basieren. Mit einem sinkenden BIP verschlechtern sich nämlich sämtliche Werte, die auf Basis des Luxemburger Bruttoinlandproduktes berechnet werden.
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