„Klima an Energie 2022“ / Luxemburg erreicht Emissionsziel 2021 – zwei Sektoren machen aber Sorgen
Die Regierung hat am Freitag (8.10.) im Rahmen der „KlimaExpo“ auf Kirchberg Bilanz ihrer Klimapolitik gezogen: Luxemburg hat es geschafft, sein Emissionsziel für das Jahr 2021 einzuhalten. Das bedeute jedoch nicht, dass man sich jetzt auf seinen Lorbeeren ausruhen könne. Vor allem in zwei Sektoren bedürfe es unbedingt zusätzlicher Anstrengungen und Lösungen.
„In Luxemburg haben wir eine sehr ambitiöse Klimapolitik“, sagte Luxemburgs Umweltministerin Joëlle Welfring („déi gréng“) beim Auftakt der Klimakonferenz „Klima an Energie 2022“ am Freitagmorgen in der Luxexpo „The Box“. Aber ist die Luxemburger Klimapolitik auch ambitiös genug, um dem entgegenzutreten, was uns erwartet, wenn all den Zielen und Versprechen keine Handlungen folgen? „Wir befinden uns gerade in einem Prozess, am Anfang des Überarbeitungsprozesses unseres nationalen Klima- und Energieplans“ (PNEC), erklärte die Umweltministerin auf der Pressekonferenz und machte gemeinsam mit Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) sowie Vertretern des „Observatoire de la politique climatique“ (OPC) und der ASTA eine Bestandsaufnahme der Luxemburger Klimapolitik.
Luxemburg habe sein Ziel erreicht und seine Treibhausgasemissionen bis 2021 – verglichen mit dem Basisjahr 2005 – um 20 Prozent gesenkt, sagte Welfring. Insgesamt 8,08 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent habe das Großherzogtum – außerhalb des EU-Emissionshandelssystems – im Jahr 2021 ausgestoßen. In der neuen sogenannten Kyoto-Periode strebe Luxemburg an, seine Emissionen bis 2030 um ganze 55 Prozent zu reduzieren (verglichen mit dem Basisjahr 2005), was einen jährlichen Rückgang von 6,3 Prozent voraussetzt.
Rund 60 Prozent der Luxemburger Emissionen stammen aus dem Transportwesen, gefolgt von etwa 25 Prozent von Gebäuden, sagte Welfring. Der restliche Teil gehe auf die Landwirtschaft, Industrie und Abfallbehandlung zurück.
Neben den nationalen, lohnt es sich jedoch auch, einen Blick auf die sektoralen Ziele zu werfen. In den Bereichen des Verkehrs, der Land- und Forstwirtschaft sowie der Abfall- und Abwasserbehandlung hat Luxemburg seine Vorgaben einhalten können, meinte die Umweltministerin. Allerdings gebe es zwei Problemsektoren, in denen die nationalen Ziele nicht erreicht wurden: in der verarbeitenden Industrie und bei Wohn- und Dienstleistungsgebäuden.
Die Luxemburger Industrie habe ihre Emissionsziele um über 20 Prozent verfehlt. Dabei wurden die „ganz großen Betriebe“ in den Berechnungen nicht berücksichtigt, da sie zum europäischen Emissionshandelssystem gehören, so Energieminister Turmes. Er merkte zudem an, dass 2021 „ein a-typisches Jahr“ gewesen sei: Nach dem Lockdown von 2020 und dem damit einhergehenden Produktionstopp beziehungsweise -verzug, hätte die Industrie im Folgejahr in ganz Europa „überproportional viel produziert“. So erklärte der Energieminister zumindest einen Teil dieses „overshoot“.
„Andererseits sind wir uns bewusst, dass wir in diesem Bereich zusätzliche Instrumente brauchen“, räumte Turmes ein. Das Energieministerium arbeite derzeit gemeinsam mit dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium sowie weiteren Akteuren aus der Luxemburger Wirtschaft, darunter die „Fédération des industriels luxembourgeois“ (Fedil), an einem Dekarbonisierungsfahrplan. Ziel sei die Umstellung auf eine „low-carbon“-Industrie. ArcelorMittals Entscheidung, Luxemburg zu einem seiner ersten „Green-steel“-Standorten zu machen, sei diesbezüglich ein erster Erfolg. Auf den Stahlriesen sollen laut Turmes systematisch alle großen Konzerne sowie mittelständischen Betriebe folgen.
Klimapakt für Betriebe
Turmes kündigte zudem an, dass in den nächsten Wochen ein neuer Klimapakt für die Betriebe in die Wege geleitet werde. Dieser werde ganz nach dem Vorbild des Klimapaktes mit den Gemeinden ausgearbeitet und darin bereits bestehende Elemente wie luxinnovation oder „House of Entrepreneurship“ integrieren. Turmes glaube, dass dieser neue Klimapakt besonders den klein- und mittelständischen Unternehmen gute Möglichkeiten bieten werde, um gezielter in die Klimaneutralität zu investieren.
Zudem würden bereits bestehende Hilfen ergänzt. So habe man bei der Tripartite entschieden, „das größte Steuerabschreibungsregime, das es für die Luxemburger Betriebe gibt“ – über 1 Milliarde Euro –, weiterzuentwickeln und diese Steuerabschreibungen gezielt für den Klimaschutz einzusetzen.
Auch beim zweiten Sorgenkind, dem Bausektor, wolle die Regierung künftig bessere Ergebnisse erzielen. So würden beispielsweise ab 2023 keine Genehmigungen für mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizungsanlagen in Neubauten erteilt werden. Auch beim Renovieren bestehender Gebäude müssten noch deutliche Fortschritte gemacht werden. Einerseits werde trotz finanzieller Unterstützungen nicht genug renoviert, andererseits werde auch nicht energieeffizient genug renoviert. „Es ist eine Herausforderung für die nächsten 30 Jahre“, meinte Turmes.
Elektromobilität auf dem Vormarsch
Die CO₂-Bilanz des Transportwesens hingegen sei ein Erfolg: „Die massive Unterstützung“ der Regierung „hat mittlerweile Früchte getragen“, meinte Turmes. Die Umstellung von Autos mit Verbrennungsmotoren auf Elektroautos schreite zügig voran. Inzwischen würden Elektroautos 30 Prozent aller verkauften Wagen ausmachen – vor vier bis fünf Jahren seien es nicht einmal drei Prozent gewesen. Zudem werde Luxemburg noch dieses Jahr massiv SuperChargy-Ladestationen installieren und so die Niederlande als Europas Nummer eins bezüglich der Dichte an Ladestationen im öffentlichen Raum ablösen. Auch Privathaushalte und Unternehmen würden zunehmend Anträge für Ladestationen stellen. Eine Schwachstelle gebe es allerdings noch: Wohngemeinschaften. In diesem Bereich müsse man noch nach Lösungen suchen.
Pressekonferenz des „Observatoire de la politique climatique“ (OPC)
Das OPC stellte in seiner ebenfalls in der Luxexpo abgehaltenen Pressekonferenz am Freitag seinen ersten Jahresbericht vor. Darin definierte das Gremium seine Grundprinzipien „für einen raschen und gerechten Übergang zu einer nachhaltigen und emissionsfreien Gesellschaft“: die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, ein gerechter Übergang zu einer klimaresilienten Entwicklung und eine neue und transformative Governance.
Sorgen aufgrund einer potenziellen Überbelastung des Stromnetzwerkes oder eines Stromdefizits, provoziert durch die vielen neuen ans Netz gehenden Elektroautos, mache Turmes sich nicht: „Ein Elektroauto ist drei- bis fünfmal effizienter als ein Diesel- oder Benzinauto“, sagte der Energieminister. Bei der Umstellung mache man einen großen Effizienzsprung, weshalb das notwendige Energievolumen auch geringer sei. Demnach sei es viel weniger ein Problem des Volumens als des richtigen Zeitpunkts. Darum setze Luxemburg auch bewusst auf intelligente Ladestationen. (Unter intelligenten Ladestationen versteht man Geräte, die ihre Ladeaktivität beziehungsweise -intensität an die Belastung des Stromnetzwerks anpassen.)
Auf europäischer Ebene würden zudem Forschungen finanziert und Regelungen ausgearbeitet, um den Materialfootprint von Elektroautos zu reduzieren und das in den Batterien verwendete Kobalt und Lithium effizienter zu recyceln.
Vergangenes Jahr sei außerdem eine Arbeitsgruppe gegründet worden, um eine Strategie zur Dekarbonisierung des Luxemburger Logistiksektors zu entwickeln. Noch Ende 2022 sollen Maßnahmen zur Unterstützung von Elektro- und Wasserstoff-LKWs eingeführt werden.
Solarboom in Luxemburg
Fast 90 Prozent der nationalen Energieproduktion sei erneuerbar, sagte Turmes. Luxemburg erlebe derzeit einen Solarboom. Das jährliche Wachstum des nationalen Solarparks übersteige jenen der vorherigen Regierung um ein vielfaches und dessen Ausbau soll noch weiter vorangetrieben werden: Noch dieses Jahr soll die Mehrwertsteuer auf Fotovoltaikanlagen von 17 auf drei Prozent gesenkt werden. Mit zusätzlichen Förderungen in der Industrie hofft die Regierung, den Luxemburger Solarpark jährlich um eine Produktion von über 100 Megawatt auszubauen.
Neben der Fotovoltaik setze das Großherzogtum auch auf die Windkraft. Die für 2030 im PNEC festgehaltenen Ziele werden bereits 2025 erreicht, meinte Turmes. In den vier bis fünf Jahren würden rund 40 neue Windkraftanlagen in Luxemburg gebaut werden. Daneben werde noch an diversen Anpassungsstrategien gearbeitet, so etwa die Renaturierung von Bächen, die Hochwasserrisikoplanung oder Studien zur Erfassung von Starkregen
Zur Verwaltung der Klimapolitik
Luxemburg hat sich die nötigen Mittel zur Verwaltung der Klimaproblematik gegeben, so Umweltministerin Joëlle Welfring: Einerseits das Klimagesetz von 2020, das die nationalen wie sektoralen Ziele gesetzlich festschreibt, und andererseits den nationalen Klima- und Energieplan, der vorgibt, wie Luxemburg seine Ziele erreichen will. Dieser soll zudem in den kommenden Monaten gemeinsam mit den beteiligten Akteuren überarbeitet werden.
Daneben gebe es noch eine Reihe an Gremien, darunter das „Comité interministériel pour l’action climatique“, das „Observatoire de la politique climatique“ und den Klimabürgerrat. Die Regierung werde sich in den nächsten Monaten „sehr intensiv“ mit den 56 Vorschlägen des Klimabürgerrats auseinandersetzen und versuchen, diese „bestmöglich“ in den nationalen Klima- und Energieplan aufzunehmen, kündigte Welfring an.
Darüber hinaus verfügt Luxemburg über einen nationalen Klima- und Energiefonds, anhand dessen in die Klimapolitik investiert wird. Der Fonds umfasst laut Welfring 267 Millionen Euro – etwa die Hälfte davon werde eingesetzt, um nationale (beispielsweise über den Klimapakt) Maßnahmen umzusetzen. Ein anderer Teil werde auf internationaler Ebene investiert, so etwa in Länder, die bereits hart vom Klimawandel getroffen wurden.
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Foto mit den neuen Eisheiligen.
Auch Privathaushalte und Unternehmen würden zunehmend Anträge für Ladestationen stellen.
Man sagte mir auf dem Ministerium privat Ladestationen zu installieren geht nicht, zuerst müsste ich eine Firma anmelden, was ist nun?
Will unbedingt an dem Elektroboom teilhaben!