Luxemburg / Denkmalschutz: „Es fehlt der politische Wille“
Am Denkmalschutz in Luxemburg scheiden sich die Geister. Es ist ein emotional beladenes Thema für die, die sich dafür engagieren. Seitens der Politik steht dem das Argument der Wohnungsnot gegenüber und ein oft mehr als pragmatisches Vorgehen der Behörden. Ein Abriss schafft Fakten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind.
„Wir bekommen meist erst mit, dass etwas abgerissen wird, wenn der rote Punkt dranklebt“, sagt Karin Waringo (54), Co-Autorin der jüngsten Petition zum Thema Denkmalschutz. „Und gerade wird unglaublich viel quer durchs Land abgerissen.“ Das Thema bewegt. Schließlich geht es, wie bei allem, was sich um Immobilien dreht, um viel Geld und das zukünftige Aussehen des Landes. Geschichtsbewusst und modern oder nur noch zeitgenössisch? Auch im ländlichen Raum?
Deswegen hat es diese Petition ins Parlament geschafft und zu einer öffentlichen Anhörung (siehe Tageblatt vom 22. Oktober). Zahlen darüber, wie viel in den letzten zehn Jahren in Luxemburg abgerissen wurde, gibt es nicht. Das zeigt die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Piratenpartei vom Oktober dieses Jahres. Sie ist knapp und erschöpft sich in dem politischen Bekenntnis: „Was den Erhalt von existierender Bausubstanz vor dem Hintergrund des Denkmalschutzes angeht, ist das Potenzial von bewohntem und bewohnbarem (…) Patrimoine in Luxemburg groß.“
Das antworten Kulturministerin, Wohnungsbauminister, Innenministerin und Umweltministerin in ihrer ungewöhnlich kurz gehaltenen Antwort auf die detaillierte parlamentarische Anfrage Nummer 2977. Der jüngste rote Punkt klebt in der rue de l’Aciérie an einem Gebäudeensemble, das Waringo Anfang des 20. Jahrhunderts verortet. Die promovierte Politologin mit einem Gesellenbrief als Maurerin und Zusatzausbildungen in Holzbau und Denkmalpflege hat sich auf ökologische Altbausanierung und Denkmalpflege spezialisiert. Seit Jahren engagiert sie sich für den Erhalt alter Bausubstanz.
Denkmalschutz fristet Stiefmütterchendasein
Ihr Engagement und das der Mitglieder der Facebook-Gruppe „Luxemburg under destruction“ klingt wie ein Kampf gegen Windmühlen. Die Gründe sind vielfältig und beginnen beim Ansehen des Denkmalschutzes. Staubig, rückwärtsgewandt, von vorgestern, das sind die Klischees. „Interessiert niemand, warum brauchen wir das?“, fügt Waringo noch hinzu.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch ein verwirrendes Nebeneinander an Inventaren. Diese Listen weisen schützenswerte Gebäude aus. Auf der Seite des Denkmalschutzamtes findet sich eine 119 Seiten lange Liste mit Gebäuden in jeder Gemeinde, die nationalen Schutz genießen. 1.643 sind es insgesamt. Dabei ist, laut Waringo, der Schutzstatus der 666 Gebäuden, die lediglich im „Inventaire supplémentaire“ verzeichnet sind, unklar. Es steht zu befürchten, dass sie deshalb trotzdem abgerissen werden.
Daneben publiziert die Behörde drei Werke mit dem Titel „Nationale Inventarisierung der Baukultur im Großherzogtum Luxemburg“ für die Gemeinden Fels, Helperknapp und Fischbach auf ihrer Seite. Dabei handelt es sich um Gebäude, die zukünftig geschützt werden sollen. Echternach ist wohl auch abgeschlossen, das sind vier von 102 Gemeinden im Land.
National, kommunal, „supplémentaire“ …
Neben den nationalen Listen kommen die hinzu, die die Gemeinden zum Schutz von Gebäuden auf ihrem Gebiet erstellen. Sie müssen das im neuen allgemeinen Bebauungsplan (PAG) tun. Die Deadline dafür ist im November 2019 abgelaufen. Demnach soll es bereits 27.000 Gebäude geben, die schützenswert sind, als Wohnraum genutzt werden oder nutzbar wären.
Das teilen die drei Minister in ihrer Antwort auf die parlamentarische Antwort der Piratenpartei mit. In einer von „Luxembourg Patrimoine“, der „Fondation de l’architecture et de l’ingénierie“ und „Sites et monument“ gemeinsam herausgegebenen Broschüre sind 16 Kriterien aufgeführt, nach denen die Gemeinden vorgehen sollen. Authentizität, Architektur und Kunstgeschichte, Seltenheit oder Baujahr sowie Gebäudetyp, soziale und industrielle Geschichte sind nur einige Variablen, nach denen die Aufnahme zum Schutz der Bauten in den PAG erfolgen soll.
„Das Problem ist, dass die Gemeinden oft nur den sogenannten ,Gabarit’ schützen“, sagt Waringo. Das heißt, alte Bausubstanz darf abgerissen werden. Nur muss sich der Neubau in die äußeren Umrisse des abgerissenen Gebäudes einfügen. Hausbesitzer betrifft das Thema genauso und beginnt mit einer Überzeugung. Viele sind stolz darauf, was ihr Haus wert ist.
Zukunft beschlossene Sache
„Wir glauben alle, dass wir reich sind“, macht Waringo die Rechnung auf. „Nach einem Verkauf müssen die Verkäufer aber wieder mindestens dasselbe dafür bezahlen, woanders wieder im Eigentum zu wohnen.“ Hinzu kommt in ihren Augen ein unkritisches Konsumverhalten. „Die Menschen gehen mit ihrem Haus um wie mit ihrem Handy“, sagt Waringo. „Es kommt ein neues Modell raus, also wollen sie das haben.“
Für jemand wie sie ist das nicht nachvollziehbar. Waringo ist mit dem Schutz und der Pflege alter Häuser aufgewachsen. Ihr Vater renovierte permanent sein Elternhaus, ein altes Tagelöhnerhaus im Ösling. Seit sie zehn Jahre alt ist, erlebte sie ihn, den gelernten Banker, als Hobbyhandwerker.
Auf der Ebene der Politik steht der Denkmalschutz genauso hinten an. „Hier in Luxemburg wird auf ein bestimmtes Wirtschaftsmodell gesetzt und alles, was sich dem in den Weg stellt, muss weg“, sagt Waringo. „Ein Bauernhof ist alt, gehört zur Vergangenheit, also kann er weg.“ Für sie ist die Zukunft beschlossene Sache: Internationale Ausrichtung, Finanzplatz, Hightech-Sektor und entsprechend hochqualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland, die die einheimischen in diesen Wachstumsbranchen unterstützen. Vor diesem Hintergrund bleibt für die Denkmalschutz-Aktivistin das Fazit: „Es fehlt der politische Wille.“
- Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein - 10. November 2024.
- Verlust oder Chance? Wenn jeder Tag ein Sonntag ist, helfen Pensionscoaches - 2. November 2024.
- „Habe eine Welt kennengelernt, die ich so nicht kannte“ – Porträt einer Betroffenen - 29. Oktober 2024.
Ma da versteet en den Engagement.
Mir kënnen net an der Vergaangenheet liewen. Wann déi do d’Soe gehat hätten, da hätte mer amplaz eng Rise-Bankeplaz eng Dose renovéiert Villaen um bld. Royal, mat engem Centre de documentation dran, an e puer Muséeën a Galerien, mä näischt wat Geld abréngt.
@Zillerthal: Äre Commentaire verstin ech beim Beschte Wëllen nët: Waat heescht hei, an der Vergangenheet liewen? D’Zukunft baut ëmmer op der Vergangenheet op an ët gët och kee Widersproch, tëscht Denkmalschutz a wirtschaftlecher Aktivitéit. Do braucht der nëmmen iwert d’Grenzen ze kucken. Par contre profitéiert deen aktuellen Bau- an Ofrappboom just puer Akteuren a mëcht de Gros vun der Populatioun ëmmer méi aarm.
Leider stimmt es, dass es am politischem Willen fehlt, die alten, erhaltenswerten z.T. historischen Gebäulichkeiten zu erhalten oder entsprechend zu restaurieren. Lieber moderne nichtssagende würfelartige Klötze für Banken oder sonstige Finanzinstitute damit der Wachstum weiter steigt…. bis wohin? Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft. Unsere Vorfahren waren nicht dümmer oder blöder als wir, von denen manche glauben die Quadratur des Kreises erfunden resp. entdeckt zu haben.zu haben
„Ein Bauernhof ist alt, gehört zur Vergangenheit, also kann er weg“
Nein, alte Bauernhöfe sind begehrt, rar und teuer – und sie passen nicht ins heutige Bauklötzchendenken (sprich PAP) der Gemeinden, was ihren Umbau in Wohneinheiten zu einem schwierigen und langwierigen Prozess macht.