Umwelt / Luxemburg hält an Glyphosat-Verbot fest: Wissenschaftliche Studie soll erneute Einschränkung begründen
Landwirtschaftsminister Claude Haagen hat am Freitagvormittag auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes, das das Glyphosat-Verbot in Luxemburg aufgehoben hat, reagiert. Die Regierung will an ihrem Kurs festhalten – und an die Bauern ergeht der Appell, freiwillig auf Glyphosat zu verzichten.
Die Entscheidung der Regierung, 16 Pflanzenschutzmittel nicht mehr in Luxemburg zuzulassen, wollte der deutsche Pharmakonzern Bayer nicht hinnehmen. Das Unternehmen hat in Luxemburg geklagt – mit Erfolg. „Acht der 16 verbotenen Pflanzenschutzmittel stammen von Bayer und enthalten Glyphosat“, sagte Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) auf einer Pressekonferenz am Freitagmorgen im Landwirtschaftsministerium. Auf dieser hat Haagen auch Stellung zum Urteil des Verwaltungsgerichtes genommen, das die weithin unter dem Namen „Glyphosat-Verbot“ bekannte Regelung am 30. März dieses Jahres gekippt hatte. „Aufgrund des Urteils sind diese Produkte in Luxemburg wieder erlaubt“, musste Claude Haagen eingestehen.
Die Regierung wolle aber weiterhin an ihrem „Plan d’action national de réduction des produits phytopharmaceutiques“ festhalten, so Haagen weiter. Bis 2025 wolle man den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln somit um insgesamt 30 Prozent reduzieren. „Mit dem Verbot des Glyphosat-Einsatzes liegen wir derzeit bei 36 Prozent“, so Haagen. „In nächster Zeit wird sich herausstellen, wie viel davon durch das Glyphosat-Verbot bedingt war.“ Insgesamt aber sollte man festhalten, dass eine „Abstraktion von Pflanzenschutzmitteln“ schon der richtige Weg sei. Er sei kein „Freund von Verboten“ – „jedoch stelle ich mir die Frage, wie hoch der Prozentsatz wäre, wenn wir das Mittel nicht verboten hätten“, sagte Haagen.
„An dieser Stelle deshalb auch mein Appell an die Bauern und Winzer, auch zukünftig kein Glyphosat zu benutzen“, so Haagen. „Warum auf ein altes System zurückspringen, wenn man weiß, wie fragil unser Ökosystem ist und es in den letzten beiden Jahren doch auch so geklappt hat.“ Vor dem Glyphosat-Verbot hätten bereits 60 Prozent der Landwirte auf den Einsatz dieser Chemikalie verzichtet, so der Minister.
Weitere Anstrengungen für Verbot
Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtes ist jedoch in der Causa Glyphosat-Verbot das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) soll in naher Zukunft eine Studie über die Risiken von Glyphosat auf Mensch, Tier und Umwelt publizieren. Ein Dokument, das wohl auch die Entscheidung auf EU-Ebene Ende des Jahres beeinträchtigen wird.
Als Reaktion auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes will die Luxemburger Regierung nun eine eigene Studie in Auftrag geben. „Laut Urteil des Verwaltungsgerichtes muss Luxemburg seine spezifische Situation insbesondere im Vergleich zu Belgien hervorheben können“, sagte Haagen. Luxemburg bildet mit Belgien eine landwirtschaftliche Region innerhalb der EU – und Belgien erlaubt derzeit weiterhin den Gebrauch von Glyphosat. Die Studie soll in den kommenden Wochen in Auftrag gegeben werden. „Die Regierung ist weiterhin gewillt, den Gebrauch von Glyphosat in Luxemburg zu verbieten und beim Gebrauch der Pflanzenschutzmittel in die richtige Richtung zu gehen“, so Haagen.
Diese Absicht unterstreicht das Luxemburger Landwirtschaftsministerium mit einem großherzoglichen Reglement, das am Freitag in Luxemburg in Kraft getreten ist und den Gebrauch von Glyphosat in allen Wasserschutzzonen des Landes verbietet (siehe Karte.) „17.365 Hektar Land stehen damit unter Schutz“, so Haagen.
Wasserschutzzonen in Luxemburg
17.365 Hektar (auf der Karte farbig gekennzeichnet) stehen laut Landwirtschaftsminister Claude Haagen unter besonderem Schutz. In diesen Gebieten darf laut einem großherzoglichen Reglement ab dem 7. April 2023 kein Glyphosat mehr verwendet werden. Auf eine Anfrage an das Landwirtschaftsministerium, wie viel Landwirtschafts- oder Ackerbaufläche in den 17.365 Hektar enthalten sind, erhielt das Tageblatt bis Redaktionsschluss keine Antwort.
Luxemburg verfügt über 125.000 Hektar Landwirtschaftsfläche. „Eine knappe Mehrheit davon ist Dauergrünland“, erklärte Guy Feyder von der Landwirtschaftskammer. Etwas weniger als die Hälfte würde tatsächlich als Ackerbauland benutzt werden. „Ein Teil des Ackerbaulandes wird wiederum für sogenannte Dauerkulturen benutzt.“ Dabei handele es sich meistens um Grasmischungen oder Klee. „Glyphosat wird eigentlich nur in Verbindung mit verschiedenen Getreidesorten, eventuell Raps und etwas seltener noch Mais, verwendet“, so Feyder.
Blanche Weber (Mouvement écologique)
Die Präsidentin des „Mouvement écologique“ (Meco), Blanche Weber, appelliert an die Luxemburger Bauern, trotz Aufhebung des Verbotes auf Glyphosat zu verzichten. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es auch ohne geht“, meint Blanche Weber. „Vor allem, weil Glyphosat am Ende des Jahres eventuell auf EU-Niveau verboten werden könnte.“ Wenn es trotzdem wieder zum Glyphosat-Einsatz vonseiten der Bauern kommt, sei das zwar „wesentlich, aber eben auch nicht alles“. „Es ist vielmehr eine Grundsatzfrage.“
Luxemburg dürfe sich nicht geschlagen geben. „Bayer mag jetzt sehr stolz sein, aber das darf sich Luxemburg nicht bieten lassen“, meint die Meco-Präsidentin. Und: „Wir erwarten, dass der Landwirtschaftsminister diese Message auch an die Bauern weitergibt.“ Die Gründe für das Verbot würden nach Meinung des Meco weiterhin bestehen bleiben. „Wir fordern deshalb, dass das Landwirtschaftsministerium das Verbot erneuert.“
Das Urteil sei eigentlich nur ein weiterer Grund, die Biolandwirtschaft weiter zu fördern. „Die Bio-Bauern hatten in letzter Zeit viele Probleme“, sagt Weber. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, dass der Landwirtschaftsminister die Bio-Bauern noch stärker unterstützt.
Aloyse Marx (Fräie Lëtzebuerger Baureverband)
Aloyse Marx, Präsident des „Fräie Lëtzebuerger Baureverband“ (FLB), meint, dass der Grund für das Verbot für die Luxemburger Bauern von vorneherein nicht unbedingt nachvollziehbar gewesen sei. „Das ausgegebene Ziel war ja die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit“, so Marx. „Es durften demnach keine Glyphosat-Rückstände auf Lebensmitteln mehr auffindbar sein.“
In Luxemburg aber sei das Glyphosat ohnehin nicht auf Pflanzen angewendet worden, die zur Weiterverarbeitung in der Lebensmittelindustrie bestimmt waren, sondern lediglich zum Abtöten bestehender Kulturen. „Glyphosat wurde eingesetzt, um eine Pflanzenkultur zum Absterben zu bringen, ehe eine neue Kultur angepflanzt wurde“, erklärt Marx. Ohne Bodenbearbeitung würden die alten Pflanzen in Konkurrenz zur neuen Kultur wachsen. Seit dem Verbot habe man die Felder stattdessen wieder mechanisch bearbeiten müssen.
Der Vorteil von Glyphosat zum herkömmlichen mechanischen Pflügen: „Beim Pflügen kommt Sauerstoff in den Boden, Humus wird abgebaut und die Nitratmineralisierung wird begünstigt“, erklärt Marx. Das sei in mehrerer Hinsicht ein Problem.
„Humus ist ein CO2-Speicher und kann im Kampf gegen den Klimawandel eine tragende Rolle spielen“, sagt Marx. Auch heute noch würde in Seminaren zur regenerativen Landwirtschaft darauf verwiesen werden.
Ein weiterer Aspekt, der dem FLB-Vertreter nicht oft genug beachtet werde, sei der Vorteil von Glyphosat in Wasserschutzgebieten. „In Wasserschutzgebieten darf der Boden nicht maschinell bearbeitet werden, da dadurch die Nitratmineralisierung gefördert wird“, sagt Marx. „Die Stickstoffe lassen sich bei Regen leichter auswaschen und geraten dann ins Wasser.“ So aber könnten Bauern den Boden nur oberflächlich bearbeiten, was nicht den gleichen Effekt habe. Die einzige Methode, die das Absterben vorheriger Kulturen, die CO2– und die Nitrat-Problematik vereint hätte, sei das Glyphosat gewesen. „Das Glyphosat wurde ja Mitte der 2000er Jahre durch Agrarumweltmaßnahmen noch gefördert, weil es die Zielsetzungen im Bereich der Humus-, Nitrat- und Bodenerosionsproblematik vereinen konnte“, sagt Marx.
Warum denn gerade Glyphosat in der Landwirtschaft beliebt sei? „Glyphosat ist ein Produkt, das sich nach der Anwendung extrem schnell abbaut“, sagt Marx. Innerhalb von zwei, drei Tagen würde sich Glyphosat in seine Metabolyten, also Zwischenprodukte im Abbauprozess, zerlegt haben. Deswegen sei das Argument der Lebensmittelsicherheit ein wenig an den Haaren herbeigezogen. „Dann hat Glyphosat den Vorteil, dass es nur bei grünen Pflanzen Wirkung zeigt und nicht etwa bei Samen oder keimenden Pflanzen.“ Die krebserregende Wirkung könne Marx nicht bewerten, da sei er kein Experte. „Andere Substanzen, die ähnlich krebserregend sind, wie beispielsweise Alkohol, sind nicht verboten.“
Glyphosat: Krebserregend oder nicht?
Die Weltgesundheitsorganisation kommt in ihrem Gutachten zu keinem eindeutigen Urteil, inwiefern Glyphosat krebserregend ist. „Es gibt nur begrenzte Beweise beim Menschen für die
Karzinogenität von Glyphosat. Eine positive Assoziation wurde jedoch im Zusammenhang mit Non-Hodgkin-Lymphomen beobachtet“, schreibt die WHO in ihrem Gutachten. Bei Tierversuchen gebe es hingegen „ausreichende“ Beweise, die auf eine krebserregende Wirkung der Chemikalie hindeuten. Da diese aber nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen werden können, schreibt die WHO: „Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend für Menschen.“
Ohne Glyphosat bleibe den Landwirten nur die mechanische Bearbeitung des Bodens. „Der Dieselverbrauch beim Pflügen ist um ein Vielfaches höher, als wenn man das Feld mit Glyphosat behandelt“, sagt Marx. Dieser sei bei den Luxemburger Landwirten dementsprechend in die Höhe geschnellt. „Das ist eine Tatsache.“
Marx habe auch gelesen, dass die Landwirtschaft sich doch für ein Verbot des Glyphosat starkmachen müsse. „Solange in den Supermärkten die Regale mit importierten Produkten gefüllt sind, die mithilfe von Glyphosat angebaut wurden, interessiert das den Verbraucher nicht“, sagt Marx. „Er ist nicht bereit, den Preis für eine Landwirtschaft ohne Glyphosat zu bezahlen.“ Bei den importierten Lebensmitteln gebe es zudem noch das Problem, dass in südamerikanischen Ländern das Herbizid direkt in Kontakt mit Pflanzen käme, die zur Weiterverarbeitung in der Lebensmittelindustrie bestimmt sind. „Das ist leider alles Wunschdenken.“
Für Marx ist es demnach wichtig, dass Luxemburg nicht im Alleingang ein Glyphosat-Verbot beschließt, sondern sich an die internationalen Richtlinien hält. „Im Hinblick auf die EU-Zulassungsprozedur, die am Ende des Jahres über den Gebrauch von Glyphosat in der EU entscheidet, glaube ich nicht, dass es im Land noch mal zu einem Trend hin zu Glyphosat kommt, bis eine endgültige Entscheidung gefallen ist“, sagt Marx. „Vereinzelt werden Bauern aber aufgrund seiner Effektivität bestimmt wieder auf das Mittel zurückgreifen.“ So sei gerade die Periode gegen Ende April und Anfang Mai die Zeit, den Boden entsprechend zu behandeln. „Es ist einfach und effizient.“
Guy Feyder (Landwirtschaftskammer)
„Die Entscheidung, Glyphosat zu verbieten, ist durch gesellschaftlichen Druck zustande gekommen“, meint der Präsident der Luxemburger Landwirtschaftskammer, Guy Feyder. Das Verbot habe keinen wissenschaftlichen Hintergrund gehabt, was die Landwirtschaftskammer von Anfang an bedauert habe. „Ich bin froh, dass es noch Gerichte gibt, die rational entscheiden können, was verhältnismäßig ist und was nicht.“ Luxemburg habe sich in dem Punkt eine Freiheit herausgenommen, die es aufgrund internationaler Verträge und Richtlinien eben nicht habe. „Bei der Entscheidung des damaligen Landwirtschaftsministers wurden wir Bauern ja auch nicht gefragt.“
Die Luxemburger Landwirtschaft sei keinesfalls abhängig vom Glyphosat, betont Guy Feyder weiter. „Es macht es vielen Bauern aber wesentlich einfacher, den Boden ohne Pflug zu bearbeiten.“ Die Arbeit mit Glyphosat sei eine sehr moderne Herangehensweise gewesen, da die Humus-Schicht im Boden nicht aufgewühlt wurde. „Auf mechanischem Wege ist es komplizierter, teurer und deutlich weniger effizient.“
Das Argument, dass es zwei Jahre lang geklappt hätte, will der Landwirtschaftskammer-Präsident auch nicht ohne Weiteres hinnehmen. „Die Branche wurde mit ihrer Fantasie und ihrem Geschick alleine gelassen“, sagt Feyder. Es sei ein Leichtes, jetzt zu behaupten, die Landwirtschaft habe zwei Jahre lang auch ohne Glyphosat überlebt. „Es ist eher die Frage, wie die Landwirte überlebt haben, die gestellt werden sollte.“ Denn wenn die Produktion ohne Glyphosat teurer und weniger effizient sei, habe die Branche ein Anrecht darauf, auch einen höheren Preis zu verlangen. „Auf den Märkten aber gibt es keine Anzeichen dafür, dass eine Produktion ohne Glyphosat einen entsprechenden Mehrwert liefert.“
Die Diskussion um die Karzinogenität hält Feyder für „aus dem Ruder gelaufen“. „Im technischen Bereich gibt es viele Flüssigkeiten, die krebserregend sind“, sagt Feyder. Glyphosat sei ja kein Produkt, das man direkt konsumieren könne. „Bei systematischen Erhebungen wurden noch nie Rückstände auf Produkten gefunden, die für den Lebensmittelvertrieb gedacht waren.“ Eine Behandlung mit Glyphosat erfolge in der Regel acht bis zehn Monate, bevor das Saatgut ausgebracht werde. „Da wurde ein Gespenst geschaffen, das in der Realität nicht existiert“, sagt Feyder. Die Politiker aber hätten dem öffentlichen Druck nicht mehr standgehalten. „Dafür haben wir dann die Gewaltentrennung und unabhängige Gerichte.“
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Marx und Feyder haben die Lektion gelernt, sind das auch grundehrliche Bauern oder werden die gesponsert?
Kann nur sagen, dass nach meinem Roundupgebrauch 2 Jahre lang nix mehr gewachsen ist, danach nur noch Unkraut. Die Würmer sind auch sofort getürmt.
Der Experte im Gartenzentrum hat gemeint ich hätte die Bedienungsanleitung nicht gelesen, das mag sein, wollte unbedingt was Definitives gegen UNKRAUT machen.
Und H. Marx steht ja für BIODIVERSITÄT, also.
Et seet jo keen, dass een de Glypho als Apéro soll kippen!