Editorial / Luxemburg hat bei der Gleichberechtigung von Menschen mit einer Behinderung Nachholbedarf
Wer am gestrigen Tag in den sozialen Medien unterwegs war, dürfte – neben der Aufregung um gehackte Seiten der öffentlichen Institutionen und des Tageblatt – auch mehrfach Bilder von Menschen gesehen haben, die ihre zwei unterschiedlichen Socken zur Schau gestellt haben. Die Aktion war kein Fehlgriff in die Sockenkiste, sondern ist das Symbol des Welttags von Trisomie 21, der traditionell am 21. März stattfindet. So soll Aufmerksamkeit für die Lebensrealitäten von Menschen mit dieser angeborenen Besonderheit geschaffen werden.
Dazu gehört leider immer noch der folgende Fakt: Menschen mit einer Behinderung haben – auch in Luxemburg – nicht die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie Menschen ohne Behinderungen. Welche Hürden sich ihnen tagaus, tagein stellen oder ihnen in den Weg gestellt werden, hat sich gestern in der Chamber verdeutlicht.
Bei der Adapto-Diskussion geht es um eines der Rechte, die auch in dem von Luxemburg ratifizierten UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen festgelegt sind. Im Artikel 19 heißt es konkret: „Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens erkennen das Recht aller Menschen mit Behinderungen an, in der Gesellschaft mit der gleichen Wahlfreiheit wie andere Menschen zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts sowie ihre volle Eingliederung in die Gesellschaft und ihre volle Teilhabe an der Gesellschaft zu erleichtern.“ Punkt C führt weiter aus: „Soziale Dienste und Einrichtungen, die für die allgemeine Bevölkerung bestimmt sind, (sollen) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt zur Verfügung stehen und an ihre Bedürfnisse angepasst (sein).“
Luxemburg hat sich 2011 also unter anderem dazu verpflichtet, Menschen mit einer Behinderung den gleichen Zugang zur Mobilität zu garantieren wie ihren Mitmenschen ohne Behinderung. Rund 13 Jahre und zwei Aktionspläne später gibt es immer noch riesige Probleme, wie die Petenten am Donnerstag mehr als deutlich machten.
Mobilität ist beileibe nicht der einzige Punkt, wo in Luxemburg noch viel Luft nach oben bleibt. Der Aktionsplan 2.0 läuft 2024 aus. Der von der vorherigen Regierung als „ambitioniert“ bezeichnete Plan umfasste 97 Maßnahmen, die in acht verschiedenen Bereichen durchgesetzt werden sollen. Bereits 2022 war klar, dass die Behörden im Zeitplan hinterherhinken – und wichtige Dossiers, wie die Reform des Vormundschaftsgesetzes, trotz Versicherungen der zuständigen Minister, es noch vor Ende der Legislaturperiode zu schaffen, nicht wirklich weiterkamen, geschweige denn abgeschlossen wurden.
„Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann kämpfen wir in 50 Jahren noch für mehr Inklusion“, sagte Martine Kirsch, Präsidentin von „Zesumme fir Inklusioun“, im Dezember 2022 im Interview mit dem Tageblatt. Von einem erhöhten Tempo ist seitdem nicht wirklich etwas zu spüren. Im Gegenteil: Durch die Wahlen scheint es fast zum Stillstand gekommen zu sein.
Es bleibt abzuwarten, ob die Frieden-Bettel-Regierung sich als wirkungsvoller erweisen wird als die vorherige Dreierkonstellation. Bisher zumindest scheint die Inklusion von Menschen mit einer Behinderung nicht wirklich zu den Topthemen zu gehören.
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