Mobilität: Internationaler Tag des Fahrrads / Luxemburg hat noch einen langen Weg vor sich
Wie ernst meint es die neue Regierung mit der Förderung der sanften Mobilität? Bleibt der nationale Mobilitätsplan auf der Strecke, wenn das erste Sparpaket beschlossen ist? Am Internationalen Tag des Fahrrads am Montag stehen einige Termine für Mobilitätsministerin Yuriko Backes auf dem Programm.
Dass der 3. Juni der Internationale Tag des Fahrrads ist, lässt sich unschwer am Terminkalender von Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) erkennen. Am Montag wird Backes zuerst um 8.00 Uhr ein Stückchen des nationalen Radweges PC27 in Luxemburg-Cents eröffnen, um eineinhalb Stunden später in Eppeldorf den „Vëlosummer 2024“ sowie die in Zukunft prioritären Infrastruktur-Projekte zugunsten des Rads vorzustellen. Meint es Backes also ernst mit der Förderung des Zweirads, zumal sie Anfang April mit den 26 weiteren EU-Verkehrsministern die „Europäische Erklärung zum Radverkehr“ unterschrieben hat?
Die neue CSV-DP-Regierung hat sich jedenfalls zum nationalen Mobilitätsplan PNM2035 bekannt. Die großen Linien aus dem PNM sollen weiterverfolgt werden, heißt es im sechsseitigen Kapitel „Mobilität“ des Koalitionsabkommens. Was bedeutet, dass der öffentliche Transport weiter ausgebaut werden soll, genau wie die sanfte Mobilität. Beim Radwegenetz soll es schneller vorangehen als bisher. Auch will die neue Regierung eine Sensibilisierungskampagne für Radfahrer in Sachen Straßenverkehrsordnung starten. Sämtliche Subventionen für CO2-neutrale Verkehrsmittel sollen beibehalten werden, verstärkt Fahrradstationen installiert und auch die Kapazität für die Radmitnahme im öffentlichen Transport erhöht werden.
Fahrradverkehr soll bis 2035 um 15% wachsen
Der PNM2035 war von Backes’ Vorgänger François Bausch („déi gréng“) ins Leben gerufen worden. Er verfolgt ein ambitioniertes Ziel, nämlich die für ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent vorausgesagte Steigerung der Mobilitätsnachfrage um 40 Prozent bis 2035 mit weniger Autoverkehr als 2017 zu bewältigen. Damit das gelingt, soll dem Fahrrad eine Hauptrolle zukommen.
Das Rad ist klimaneutral, geräuschlos, gesundheitsfördernd und braucht kaum Platz. Laut einer TNS-Ilres-Umfrage sind im Jahr 2020 immerhin 58 Prozent der Einwohner Luxemburgs mit dem Rad gefahren. Im Durchschnitt besitzt jeder Haushalt zwei Fahrräder. In der Pandemie erfuhr das Zweirad zudem einen weiteren Aufschwung, auch wenn der Fahrradboom nach Angaben der Hersteller inzwischen vorbei ist. Trotzdem entdecken dank des Siegeszugs der E-Bikes viele Menschen das Fahrrad neu. All das brachte das Mobilitätsministerium unter François Bausch zu folgendem Schluss: „Nicht die Motivation der Menschen zum Radfahren fehlt, sondern qualitativ hochwertige Radinfrastruktur.“ In anderen Worten: Soll die Verkehrswende gelingen, müssen sichere Fahrradwege geschaffen werden.
Zu lange wurde in Luxemburg ausschließlich in die Infrastruktur für den motorisierten Verkehr investiert. So verwundert es nicht, dass ein Drittel aller Bewegungen unter einem Kilometer mit dem Auto bestritten werden, während das Fahrrad bei diesen Distanzen lediglich in fünf Prozent der Fälle benutzt wird. Bei Fahrten zwischen einem und fünf Kilometern wird das Rad zwar etwas konsequenter genutzt, jedoch dominiert das Auto mit zwei Dritteln aller Bewegungen deutlich. Das, obwohl die Fahrzeiten bei solchen Distanzen innerstädtisch quasi identisch sind. Innerhalb der Ballungsräume Luxemburg-Stadt und Esch-Belval ist die Diskrepanz weniger groß, 2017 wurden hier 46 Prozent aller Bewegungen unter fünf Kilometern mit dem Pkw absolviert. Ziel des nationalen Mobilitätsplans ist, diese Zahl bis 2035 auf 21 Prozent zu reduzieren. Um das zu erreichen, wird ein Anstieg der Bewegungen zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln um jeweils fünf Prozent angepeilt. Der Fahrradverkehr soll dagegen um 15 Prozent wachsen.
Schleppender Ausbau des nationalen Netzes
Wie kann das erreicht werden? Zunächst einmal soll laut PNM das Fahrrad prinzipiell in allen Bauvorhaben berücksichtigt werden. Das gilt nicht nur für jede nationale oder kommunale Straße, sondern auch für jeden urbanen Entwicklungsplan und auch für jede neue Immobilie. Einer der Paradigmenwechsel des PNM2035 im Straßenverkehr soll sein, den motorisierten Transitverkehr in Zukunft aus den Ortskernen zu verbannen. Was die Straßen angeht, so sollen neue Radwege getrennt vom restlichen Verkehr sein.
World Bicycle Day im Pfaffenthal
Unter dem Lead der CFL steht heute am World Bicycle Day der Vorplatz der Bahnstation Pfaffenthal-Kirchberg ganz im Zeichen des Fahrrads. Von 8.00 bis 15.00 Uhr werden u.a. ein „Repair Cafe“ angeboten und wichtige Tipps für Reparatur und Wartung des Fahrrads gegeben. Zudem werden drei E-Bike-Touren organisiert (12.00, 12.30, 13.30 Uhr). Informationsstände rund ums Fahrrad runden das Angebot ab.
Der Staat beteiligt sich momentan zu 30 Prozent an kommunalen Zubringern auf das nationale Radwegenetz, das es zu 100 Prozent finanziert. Das nationale Radwegenetz hat sich seit 2015 um 92,5 Kilometer erweitert und beträgt nun insgesamt 640 Kilometer. Trotzdem geht der Ausbau auf die anvisierten 950 km schleppend voran, was die neue Regierung ändern will. Gebaut werden sollen drei Rad-Expresswege von der Hauptstadt nach Bettemburg/Düdelingen, nach Esch und in die „Nordstad“. Auf diesen „Autobahnen“ für Fahrräder hat das Rad bei etwaigen Kreuzungen stets die Vorfahrt, kommt also schnell voran.
Daneben sollen auf weiteren Hauptachsen sogenannte „Itinéraires cyclables performants à dominante pendulaire“ entstehen. Der Weg von Petingen, Steinfort, Wecker oder Junglinster in die Hauptstadt soll somit den Radfahrern erleichtert werden. Was die touristischen Routen betrifft, so ist Verlängerung der Vennbahn von Ulflingen aus Richtung Süden beschlossene Sache, womit dann auch das Ösling mit dem Raum „Nordstad“ und somit dem Rest des Landes via Radweg verbunden wäre. Prinzipiell sollen Fahrradrouten auf Landstraßen entstehen, die für den motorisierten Verkehr eine geringe Bedeutung haben.
Unter dem Strich bleibt, dass die Förderung der sanften Mobilität immer mit einer Zurückdrängung des Autos einhergeht. Dass das zu einer Erhöhung der Lebensqualität der Bewohner führt, diese Erfahrung machen momentan beispielsweise die Brüsseler und auch die Pariser. Hier setzen die Bürgermeister seit der Pandemie voll und ganz auf sanfte Mobilität anstelle motorisierten Verkehrs, und haben Erfolg damit. Ob die neue CSV/DP-Regierung eine ähnliche Richtung einschlägt, ist zu bezweifeln. Denn man will die Autofahrer nicht vor den Kopf stoßen, weshalb der Bau von Umgehungsstraßen ebenfalls laut Koalitionsvertrag vorangetrieben werden soll. Das Einknicken vor den Autofahrern übten Ministerin Yuriko Backes und Hauptstadtbürgermeisterin Lydie Polfer (beide DP) ebenfalls schon, als sie dem Tramausbau durch die Avenue de la Porte Neuve einen Riegel vorschoben und somit das Gesamtkonzept der Straßenbahn durch die Hauptstadt veränderten. Fazit: Luxemburg hat noch einen langen Weg vor sich, will es zum Radland werden.
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