Klima / Luxemburg will gegen Entscheidung der EU-Kommission, Atomenergie als grün einzustufen, vorgehen
Atomstrom ist nachhaltig? So sieht es die Europäische Kommission und hat an Silvester zwei Stunden vor Mitternacht ein Papier vorgelegt, das Atom und Gas als grüne Energiequellen einstufen will. Umweltministerin Carole Dieschbourg will zusammen mit Amtskollegen gegen die Entscheidung vorgehen.
Worum geht es? Die Europäische Union führt eine Liste mit Wirtschaftstätigkeiten, die als ökologisch nachhaltig gelten. Diese sogenannte „Taxonomie“ soll in der Finanzwelt Klarheit schaffen. Finanzprodukte dürfen nicht mehr beliebig als „nachhaltig“ vermarktet werden. Investoren sollen sich so besser entscheiden können, wie sie ihr Geld anlegen. Das ist wichtig, denn um die europäische Wirtschaft klimaneutral zu gestalten, setzt die Politik nicht nur auf öffentliche Finanzierung, sondern will auch den Rahmen richtig stecken, damit private Investoren sich daran beteiligen.
In den europäischen Ländern herrscht allerdings keine Einigkeit darüber, wie Nuklearenergie und Gas einzustufen sind. Besonders Frankreich ist Atomstrom-Befürworter, zu denen auch Finnland und die Visegrád-Staaten gehören. Luxemburg ist Teil einer informellen Allianz gegen Atomkraft, zu der auch Österreich gehört. Deutschland hat seine Meinung zur Atomkraft in den letzten Jahrzehnten immer wieder verändert – derzeit ist die Bundesrepublik dagegen. Die Gegner der Atomkraft unter den EU-Mitgliedern sind klar in der Minderheit.
„In eine Taxonomie, die zum Zweck hat, festzuschreiben, was unter einer grünen Investition zu verstehen ist, gehören für Luxemburg weder fossile Energieträger noch Nuklearkraft, die nicht zu einer umweltfreundlichen Entwicklung beitragen“, sagt Umweltministerin Carole Dieschbourg im Gespräch mit dem Tageblatt.
„Eine Taxonomie ist keine Kleinigkeit“, so die Ministerin weiter. Europa wolle eine Vorreiterrolle in diesem Bereich spielen. Deshalb müsse die Taxonomie glaubwürdig sein. Die Ministerin bezeichnet das Verhalten der Kommission als „green washing“.
Die Liste mit den Investitionen, die als nachhaltig gelten, steht nicht in der eigentlichen Taxonomie-Verordnung, sondern in einem ergänzenden Papier (Delegated Act), mit dessen Erstellung die EU-Kommission beauftragt wurde. Das nun publik gewordene Papier ist ein Entwurf. Jetzt müssen die Länder sich dazu äußern.
Die Entscheidung der EU-Kommission kam nicht überraschend. Bereits bei der Klimakonferenz in Glasgow hatten vier Umweltminister aus Luxemburg, Portugal, Dänemark und Österreich sich bei einer Pressekonferenz zu dem Thema geäußert. Im Dezember hatten die Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion in der EU-Kommission, Mairead McGuinness, und der ehemalige Finanzminister Pierre Gramegna bei einer Pressekonferenz in Luxemburg darüber mit Journalisten diskutiert. Während McGuinness ausweichend antwortete, hatte Gramegna die luxemburgische Position bekräftigt, nämlich dass das Land gegen Atomstrom ist.
Ganz klare Position
Politisch kann die Ministerin zwar auf Unterstützung aus anderen Ländern zählen, aber: „Es wird nicht so einfach sein, diese Entscheidung zu kippen.“ Nun müsste geschaut werden, wie man gegen die Entscheidung der EU-Kommission vorgehen könnte. Luxemburg müsse jetzt eine „ganz klare Position“ vertreten, so Dieschbourg im Gespräch mit dem Tageblatt. Am Freitag veröffentlichten dann Umweltministerium, Finanzministerium und Energieministerium eine gemeinsame Stellungnahme, in der sie sich noch einmal klar gegen Nuklearkraft stellen und ihr Bedauern über die Entscheidung der Kommission ausdrücken.
Bereits vor Weihnachten hatte sich die Regierung geeinigt, falls es so weit kommt, zusammen mit Österreich rechtliche Schritte einzuleiten, sagt Dieschbourg. Ihre Mitarbeiter stünden mit den Kollegen in Österreich und Deutschland im Austausch. Österreich hat bereits ein Gutachten vorgelegt, wonach Atomstrom nicht als nachhaltige Investition eingestuft werden kann. Dieses soll als Grundlage für eine Klage dienen.
Es geht um einiges: „Es geht um große Investitionen. Es macht einen großen Unterschied, ob Frankreich weiter auf private Investoren zählen kann, um in die Atomenergie zu investieren oder nicht. Es macht einen großen Unterschied, welches Signal wir aussenden, wie wir Klimaneutralität erreichen wollen“, so Dieschbourg.
Schwache Argumente
Die Argumente der Atombefürworter kann sie nicht nachvollziehen. Ihr Narrativ lautet derzeit, dass Atomenergie eine gute Übergangslösung ist, bis die Erneuerbaren ausgebaut sind. Die Bauzeit von Atomkraftwerken sei viel zu lang, entkräftet die Ministerin das Argument. „Der Reaktor Flamantville sollte 2012 fertig sein. Ursprünglich wurden die Baukosten mit 3,5 Milliarden Euro beziffert. Mittlerweile kostet er fast 20 Milliarden und wird mit Glück 2023 fertiggestellt.“ Wenn das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll, müsse noch in diesem Jahrzehnt gehandelt werden, um die Emissionen zu senken, so die Ministerin.
Sie erinnert auch an den radioaktiven Abfall: „Nach jahrelanger Forschung – auch mit öffentlichen Geldern – wurde bis heute keine Lösung gefunden. Nach jahrelanger Forschung gibt es immer noch Risiken.“ Die Ministerin gibt darüber hinaus zu bedenken, dass mittlerweile selbst französische Experten warnen, eine „relance nucléaire“ würde genauso teuer werden wie der Ausstieg aus der Atomkraft.
Woher kommt die plötzliche Renaissance der Atomkraft? „Erneuerbare machen ganz klar das Rennen“, sagt Dieschbourg. „Hier wird versucht, etwas wieder salonfähig zu machen, von dem viele Länder sich schon längst verabschiedet hatten.“ Hinzukommt: Die alten französischen Reaktoren müssen saniert und es muss in ihre Sicherheit investiert werden. Für Paris wäre es von Vorteil, diese Investitionen als Klimainvestitionen verbuchen und so Privatinvestoren dafür gewinnen zu können.
Die Aktivisten des Climat Action Network Europe drücken sich weniger diplomatisch aus: „[Die EU-Kommission] opfert die wissenschaftliche Integrität der Taxonomie auf dem Altar der fossilen Gas- und Atomlobbys, ohne der europäischen Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen eines angemessenen Konsultationsverfahrens zum Inhalt des Delegated Act zu äußern.“
Laut einer rezenten Eurobarometer-Umfrage glauben nur 46 Prozent der Befragten in Europa, dass Atomkraft in den kommenden 20 Jahren positive Effekte auf ihr Leben haben werde. Allerdings mit sehr unterschiedlichen Resultaten in den einzelnen Ländern. In 20 Mitgliedsstaaten sieht eine Mehrheit die Atomkraft positiv, allen voran die Tschechische Republik (79%), Bulgarien (69%) und die Slowakei (66%). Am anderen Ende liegen Deutschland (25%), Österreich (30%) und Griechenland (35%). In Luxemburg glauben 41% der Befragten, dass die Kernkraft in den nächsten 20 Jahren einen positiven Effekt auf ihr Leben hat. Selbst in Frankreich herrscht keine Einigkeit in der Bevölkerung. 45% der Bewohner des Hexagons denken positiv und 45% negativ über Atomkraft.
Tja, das kommt davon wenn man alle Energiequellen welche kein CO2 ausstossen als „grün“ bezeichnet… Damals waren die Grünen auch für diese Klausel, vermutlich weil ihnen damals wie heute die Kompetenz fehlt weiter als 3 zu denken…
Wenn Atomstrom als grün bezeichnet werden sollte, dann aber auch mein alter Diesel. Werde dazu schon einen Antrag vorbereiten.
Carole, bitte um den Adressaten in Brüssel!
Grüner Ponyhof vs. Realität. Bin gespannt, wer gewinnt.
Et ass einfach lächerlech datt déi elo deck optrieden an eisen Zwergstaat muss alles importéieren.
…eigentlich der Turmes? Ist der am Motzen oder bereitet er uns eine Überraschung vor?