Forschung / Luxemburg will Wasserstoff umweltfreundlicher machen
Eine neue Maschine in Beles soll dazu beitragen, die Energieproduktion ein Stück weit sauberer zu machen und vielleicht sogar die Stahlindustrie zu revolutionieren.
Ein paar Fußminuten von der Universität entfernt, in Beles, stehen die Labore des luxemburgischen Forschungsinstitutes LIST. Ein längliches Gebäude, das von außen nicht vermuten lässt, was sein Zweck ist. Drinnen reihen in einem langen Flur Labore aneinander, die gefüllt sind mit allerlei Maschinen, über deren Funktion man als Laie, wenn überhaupt, bloß spekulieren kann.
Eine dieser Maschinen ist neu. Die Wissenschaftler scheinen von ihr aber begeistert. Die Maschine, ist eine der größten ihrer Art auf der ganzen Welt, versichern sie. Sie soll, wenn es nach den Männern und Frauen hier geht, dazu beitragen, die erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Worum geht es? In den vergangenen Jahren sind die katastrophalen Folgen, die mit dem steigenden Energiehunger der Menschheit einhergehen, immer deutlicher geworden. Sogenannte erneuerbare Energien, die das Klima schonen und keine radioaktiven Abfälle hinterlassen, haben deshalb in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Zu ihnen zählen etwa die Windkraft und die Fotovoltaik. Ein Nachteil dieser Energiequellen ist, dass sie nicht zuverlässig Strom liefern. An bedeckten Tagen kann eine Solarzelle keinen Strom produzieren und bei Windstille dreht keine Windturbine.
Wasserstoff statt Batterie
Für die Nutzung ist es also unumgänglich, den Strom zwischenzuspeichern – zum Beispiel in Batterien. Eine andere Methode der Speicherung ist Wasserstoff. Wenn Energie bereitsteht, wird sie verwendet, um Wassermoleküle in ihre Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen. Wenn Strom benötigt wird, dann werden Sauerstoff und Wasserstoff wieder zusammengeführt, um die gespeicherte Energie freizusetzen. Als „Abfallprodukt“ entsteht Wasser oder Wasserdampf, weshalb die Technologie als sauber gilt – vorausgesetzt, der Wasserstoff wurde mit einer sauberen Energiequelle hergestellt.
Üblicherweise wird Wasserstoff mithilfe von Elektrolyse erzeugt. Ein Prozess, den die meisten Menschen aus dem Chemieunterricht kennen. Strom wird durch das Wasser geleitet – an der Kathode bildet sich Wasserstoff und an der Anode Sauerstoff. Woher der dafür verwendete Strom kommt, ist unerheblich für das Experiment. Es kann genauso gut aus einer Solaranlage, einem Atomkraftwerk oder einem Kohlekraftwerk stammen. Tatsächlich wird der meiste Wasserstoff auf der Welt mithilfe von fossilen Brennstoffen erzeugt.
Zwar könnte Solarzellenstrom für die Elektrolyse benutzt werden, aber diesen Prozess finden die Wissenschaftler am LIST ineffizient. Warum nicht das Sonnenlicht nutzen, um ohne verlustreiche Zwischenschritte Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten? Die Methode heißt „fotokatalytische Wasserspaltung“. Sie wird auch als „künstliche Fotosynthese“ bezeichnet. Dazu wird ein Material im Wasser versenkt und mit Licht beschienen. An der Oberfläche des Materials wird das Wasser in seine Bestandteile gespalten. Die beiden Gase Wasserstoff und Sauerstoff steigen in Form von Bläschen auf. Der Wasserstoff kann dann aufgefangen und später verwendet werden.
Die Suche nach dem besten Material
Entdeckt wurde der Prozess 1972 von den japanischen Wissenschaftlern Akira Fujishima und Kenichi Honda. Das Material, das sie untersuchten, war Titan-Oxid. Seitdem versuchen Wissenschaftler weltweit, das beste Material für diesen Prozess ausfindig zu machen. Eine langwierige Aufgabe, denn es gibt Milliarden von Konfiguration, die untersucht werden können. Und genau hier kommt die neue Maschine des LIST ins Spiel. Sie bedampft Scheiben (Wafer), die etwas größer sind als eine Schallplatte mit einem Stoff. So entsteht ein dünner Film, der unterschiedliche Kombinationen abbildet, wodurch das Testen von Materialien sehr viel schneller vorangehen soll. Sie müssen nicht mehr mühsam eine Kombination nach der nächsten testen. So kommen die Wissenschaftler ihrem Ziel, das perfekte Material für die fotokatalytische Wasserspaltung zu finden, sehr viel schneller näher. Dabei spielt die Größe der Maschine eine Rolle, denn je größer die Wafer, desto größer die Tests. Außerdem wollen die Wissenschaftler so demonstrieren, dass die Wafer auch „in Groß“ hergestellt werden können – ein wichtiger Schritt in Richtung industrieller Anwendung.
„Es ist eine wunderschöne, weltweit führende Maschine“, so LIST-Direktor Thomas Kallstenius. Der Apparat ist ein gemeinschaftliches Projekt des LIST und des französischen Hightech-Unternehmens 3D-Oxides. Gelder erhält das Projekt auch vom National Research Fund (FNR). Die Kooperation dauert erst einmal vier Jahre und kann verlängert werden. Die Beteiligten hoffen, dass sie in vier Jahren etwas Brauchbares vorzeigen können. Am Mittwoch unterschrieben LIST und 3D-Oxides zusätzlich eine weitere Zusammenarbeit.
Wasserstoff als Energiespeicher ist nicht völlig neu. Autos, die mit Wasserstoff fahren, gibt es bereits – Brennstoffzellenautos. Die konnten sich jedoch bislang nicht durchsetzen. Bei den alternativen Automobilen scheinen sich Elektroautos mit Batterien durchzusetzen. Wasserstoff hat aber den Vorteil, leichter zu sein als Batterien. Deshalb könnte es sich für Flugzeuge oder LKWs, die weite Strecken zurücklegen, rechnen. Daneben ist Wasserstoff ein wichtiger Rohstoff für die Chemieindustrie.
Wasserstoff für die Stahlindustrie
Wasserstoff, so heißt es, könne auch die sehr energiehungrige Stahlindustrie auf dem Weg in eine grünere Zukunft begleiten. Der Stahlriese ArcelorMittal experimentiert derzeit damit. Um Eisen aus Erz zu gewinnen, braucht es eine gute Portion Chemie. Die Zutaten: Eisenoxid, Koks und Sauerstoff. Im Hochofen ordnen sich die Atome dieser Grundstoffe unter großer Hitze neu an. Das Resultat dieses Prozesses: nützliches Eisen – und das Abfallprodukt CO2. Aber es geht auch anders. Benutzt man nämlich Wasserstoff statt des fossilen Brennstoffs Koks, steht am Ende der chemischen Reaktionen im Hochofen neben Eisen lediglich Wasser.
Der Wasserstoff, der für diese neue Methode der Eisenherstellung verwendet wird, kommt derzeit noch aus einer unsauberen Quelle: Er wird vorerst noch von Erdgas abgespalten. Die Rede ist von „grauem Wasserstoff“. In Zukunft könnte der Wasserstoff aber sauber hergestellt werden.
Das „Luxembourg Institute of Science and Technology“ (LIST) ist eine öffentliche Forschungseinrichtung und ein bedeutender Akteur in der Luxemburger Forschungslandschaft. Die Kernkompetenz des LIST sind die Naturwissenschaften, während sich die Institute LIH und Liser der Medizin beziehungsweise der sozioökologischen Forschung verschrieben haben. 3D-Oxides ist ein französisches Technologieunternehmen aus Saint-Genis-Pouilly.
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