Editorial / Luxemburg zählt bald 700.000 Einwohner – die Wachstumsfrage will trotzdem niemand stellen
Wo soll Luxemburg hin? Wie wollen wir künftig leben? Ein Jahr unter schwarz-blauer Regierung hat uns in dieser Frage nicht schlauer gemacht. Eine Vision, wie Luxemburg aussehen soll, damit die Menschen es hierzulande möglichst gut haben, fehlt weiterhin. Die altbekannte Wachstumsfrage bleibt unbeantwortet.
Dabei wird das Land bald 700.000 Einwohner zählen. Am vergangenen 1. Januar lebten 672.050 Menschen auf unseren 2.586 Quadratkilometern. Das Jahr zuvor waren 10.000 neu hinzugekommen. Demnach dürfte Ende kommenden Jahres jener Schwellenwert erreicht sein, den der ehemalige Premier Jean-Claude Juncker 2002 vorausgesagt hatte. Damals sorgte die Ankündigung eines 700.000-Einwohner-Staats für Entrüstung. Bald ist er Wirklichkeit. Doch ob es weiter in diese Richtung gehen soll, bleibt offen.
Zum Einjährigen seiner Regierung führten die meisten Medien des Landes Interviews mit dem Premier. Auch das Tageblatt tat dies. Er habe mit seiner Regierung „die Stimmung im Land gedreht“, sagte Frieden in dieser Zeitung. Ein anderer Aspekt des Gesprächs blieb weitgehend unbeachtet. Frieden verknüpfte die Rentendebatte mit der Wachstumsfrage. Das Pensionssystem müsse garantiert bleiben, „ohne dass wir permanent einen ganz starken Zuwachs von Arbeitsplätzen haben müssen“. Frieden fügte an der Stelle an, dass es „viele Bürger gibt, die sagen, wir hätten zu viel Wachstum“. Aus diesen Gründen sei die Debatte über die Pensionen auch eine „über die Zukunft des Landes“. Und verband so das Reizthema Renten mit dem Reizthema Wachstum.
Die ADR bespielte das Thema Wachstum bislang am stärksten. Um nostalgietrunken in Zeiten zu schwelgen, die es so nie gab, und ein Luxemburg wie früher zu versprechen, wo es allen gut ging, da wir, so der Unterton, noch unter uns waren. Doch das Luxemburg, in dem alles ist, wie es früher nie war, wird eine Illusion bleiben. Frieden will, „dass die Leute hier harmonisch und gut miteinander leben können“. Wie das im Detail aussehen soll, weiß niemand. Konkrete Wachstumsziele nannte der Premier, ein ferventer Verfechter des Leistungsprinzips, keine. Dass es in Friedens Luxemburg einmal „gemitterlech wéi fréier“ zugehen soll, davon ist aber eher nicht auszugehen.
Was Frieden nicht müde wird, zu betonen, ist, dass „Politik als Ganzes“ zu begreifen sei. Logement, Renten, Erziehung, Arbeitsrecht, Landesplanung, Verkehr, Sicherheit und, und, und – alles hänge zusammen, einzelne Maßnahmen müssten in ihrem Zusammenspiel und ihrer Wechselwirkung betrachtet werden. Das ist sicherlich nicht falsch. Doch wenn Politik als Ganzes zu betrachten ist, muss die Diskussion, deren Wichtigkeit Frieden ebenfalls unablässig betont, auch als Ganzes geführt werden. Anders gesagt: Bevor das Land umgebaut wird, wäre es gut zu wissen, wie sich der Bauherr das Endergebnis vorstellt. Auch nach einem Jahr Schwarz-Blau bleibt vieles schwammig. Eine Vision für Luxemburg ist nicht zu erkennen.
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