Frankfurter Buchmesse / Luxemburg zeigt seine literarische Vielfalt
Das weltweit größte Treffen für Buchverlage findet derzeit in Frankfurt statt: die Frankfurter Buchmesse. Sie lockt jährlich Agenten, Lektoren, Verleger und Publizisten aus mehr als 150 Ländern an – und natürlich auch aus Luxemburg. Am Stand von kultur.lx präsentiert eine feine Auswahl an Luxemburger Verlagen ihr Programm. Ein Einblick in die Vielfalt des Luxemburger Buchwesens.
Luxemburg ist von der Einwohnerzahl etwa vergleichbar mit den deutschen Buchmessestädten Frankfurt oder Leipzig. Während diese Städte jedoch literarische Juwelen im größten europäischen Buchmarkt sind, ist Luxemburg für sich ein Buchmarkt – und zwar einer der kleinsten des Kontinents. Dass trotzdem zehn Verlage den Weg aus dem Großherzogtum nach Frankfurt geschafft haben, wirkt da nahezu unglaublich. Bis man sich vor Augen führt, dass das Verlegergeschäft in Luxemburg hauptsächlich aus Liebe zum Buch existiert. Wirklich von der Arbeit leben kann quasi niemand, nur die Editions Schortgen und Guy Binsfeld haben überhaupt festangestellte Mitarbeiter. Die Liebhaberei hat allerdings eine durchaus vielfältige Verlagslandschaft geboren, die sich auch am Stand von kultur.lx auf der Frankfurter Buchmesse zu präsentieren weiß. Das Tageblatt hat mit einigen Verlegern gesprochen und gibt einen kleinen Einblick hinter die Buchdeckel des Luxemburger Literaturbetriebes.
Editions Guy Binsfeld
Die Editions Guy Binsfeld sind an die gleichnamige Kommunikationsagentur angeschlossen, deren Arbeit das Verlagswesen wesentlich mitfinanziert. Binsfeld gehört zu den großen Playern auf dem Luxemburger Buchmarkt und mischt seit nunmehr 40 Jahren mit. Hier veröffentlichen Granden der Luxemburger Literatur wie Nico Helminger und Guy Rewenig, aber auch Personen des öffentlichen Lebens wie Gaston Vogel. Überdies hat der Verlag ein mehrsprachiges Kinderbuchprogramm, das auch prominent auf der Buchmesse vertreten war. Kein Wunder: Der Markt für Kinderbücher ist bei weitem der einträglichste, hier werden in Frankfurt auch Kontakte ins Ausland geknüpft, um Lizenzen für Übersetzungen ins Luxemburgische zu erwerben. Mit Tullio Forgiarini hat Binsfeld allerdings auch einen Autoren im Programm, dessen Buch „Amok“ von 2011 bis heute den Titel des vermutlich meistübersetzten Buches aus Luxemburg für sich reklamieren kann. Der Verlag legt sein Augenmerk allerdings auch auf die außergewöhnliche Gestaltung seiner Werke. So wurde das konzeptuelle Buch „To LIVE heißt Leben und LIEBE heißt Love” von Fabienne Hollwege unter anderem von der deutschen Stiftung Buchkunst in Frankfurt ausgestellt.
Hydre Editions
Eines der jüngeren, wenn auch nicht mehr ganz jungen Verlagshäuser Luxemburgs ist Hydre. 2012 gegründet, damals noch mit dem Fokus auf dramatische Texte, hat sich der Kleinstverlag in den vergangenen Jahren das Diktum „Klein, aber fein“ auf die Fahne geschrieben. Die Publikationen, die Ian de Toffoli und Jeff Thoss verantworten, füllen regelmäßig die Shortlists der nationalen Literaturpreise. Auch die Erfolgsbilanz im Ausland muss sich nicht verstecken: In den vergangenen fünf Jahren hat der Verlag fast 20 Lizenzen für Übersetzungen an ausländische Verlage verkauft – bei etwa drei Veröffentlichungen pro Jahr kein schlechter Schnitt. Jüngster Wurf ist die Kurzgeschichtensammlung „Hirngespinste und Silberstreife“ von Luc François, die im September 2024 erschienen ist.
Kremart Edition
Der Verlag von Christiane Kremer und Luc Marteling ist nur ein Jahr jünger als Hydre und entstand im Rahmen der Luxemburger Debatte um die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe – anlässlich dieser hatte Christiane Kremer das Kinderbuch „Mammendag: Dem Sarah seng Sich nom richtege Cadeau” geschrieben, in dem ein Junge mit zwei Vätern einen Auftritt hatte. Als sie für die Veröffentlichung einen eigenen Verlag aus dem Boden stampfte, hatte die ehemalige RTL-Journalistin plötzlich noch weitere Manuskripte auf ihrem Schreibtisch liegen. Heute publiziert der Verlag viele Kinderbücher, der Erlös aus dem Verkauf ermöglicht das übrige, „ernste“ Verlagsgeschäft. Kremart legt dabei hohen Wert auf die Verbreitung des Luxemburgischen als Literatursprache und setzt dabei auf Kurzgeschichten: Die Reihe „SMART“ mit zwanzig Geschichten kann mit 36.000 verkauften Einzelexemplaren vermutlich als erfolgreichste Reihe der Luxemburger Literaturgeschichte gelten. Insgesamt zwanzig Bücher im Format eines Smartphones à jeweils 40 Seiten zum Preis von zwei Euro pro Buch – literarische Snacks, wenn man so will. Mit der Serie „Timba“, ausgesprochen wie das luxemburgische Wort für Briefmarke, knüpfte Kremart an das Konzept an. Die letzten beiden der 24 Bände erscheinen samt dem dazugehörigen Schober im November dieses Jahres: „Komm zeréck, Stevie Ray“ von Jérôme Netgen und „Gëff mer keng Bees“ von Christiane Kremer selbst.
Editions Schortgen
Editions Schortgen zählt zu den ältesten und bedeutendsten Verlagshäusern Luxemburgs. Seit seiner Gründung im Jahr 1949 hat der Verlag eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen und bietet heute ein breit gefächertes Programm mit über 200 Titeln. Von Sachbüchern über Biografien bis hin zu Kunst- und Kinderbüchern – die Vielfalt spiegelt sich in zahlreichen erfolgreichen Veröffentlichungen wider.
Im Jahr 2020 erweiterte Editions Schortgen sein Angebot durch die Übernahme eines Großteils der Buchverlags-Aktivitäten von Editions Saint-Paul und verstärkte dadurch seine Position auf dem luxemburgischen Buchmarkt. Die besondere Stärke des Hauses liegt nicht nur in seinem umfangreichen Portfolio, sondern auch in der intensiven Betreuung, von der Manuskripterstellung bis hin zum Vertrieb – neben Binsfeld ist Schortgen der einzige Luxemburger Verlag mit eigenen Angestellten. Die Verlagshistorie wurde über Generationen hinweg geprägt und nach dem plötzlichen Tod von Manuel Schortgen im Jahr 2021 führt seine Frau Lena Schortgen das Unternehmen weiter. Auf der Frankfurter Buchmesse präsentierte Schortgen großformatige Kinderbücher und Coffeetable-Books wie den Fotoband „Focus on Women in Jazz“ von Guy Fonck. Die Verlagsmitarbeiter waren indes so schnell vor Ort und wieder verschwunden, dass das Tageblatt sie nicht zum Gespräch bitten konnte.
capybarabooks
Schortgen und Binsfeld mögen die großen Player in Luxemburg sein, aber capybarabooks ist eine Ein-Frau-Armee. Die Verlegerin Susanne Jaspers würde die Beschreibung ihrer Person als „umtriebig“ mit Sicherheit als Kompliment verstehen, denn sie hat sich in den vergangenen Jahren darauf spezialisiert, literarische Nischen zu besetzen – insbesondere im Bereich der Reiseliteratur und der wissenschaftlichen Publikationen. Gegründet hat sie den Verlag 2012 mit ihrem verstorbenen Ehemann, dem Luxemburger Schriftsteller Georges Hausemer. Capybara ist der luxemburgische Hausverlag des Schriftstellers Guy Helminger, der hier seine jüngsten Werke veröffentlicht hat, so unter anderem „Lärm“ und die Geschichtensammlung „Das Geräusch der Stillleben“. Vom hart umkämpften Markt der Kinderbücher nimmt capybara laut Jaspers mittlerweile Abstand und verlegt sich stärker auf Projektpartnerschaften mit der Universität Luxemburg.
In Frankfurt hat capybara vergangenes Jahr die Übersetzungsrechte von Jérôme Quiquerets historischem True-Crime-Epos „Tout devait disparaître“ nach Serbien verkauft, in diesem Jahr hofft Jaspers, dass ihr das gleiche Kunststück mit den Rechten für den italienischen Markt gelingt – Italien ist 2024 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse.
Black Fountain Press
Die sprachliche Entwicklung Luxemburgs führte 2017 zu einer Neugeburt im Luxemburger Verlagswesen: Mit Black Fountain Press hat Anne-Marie Reuter, ihres Zeichens selbst Schriftstellerin, das erste rein englischsprachige Haus in Luxemburg ins Leben gerufen und seither schon 15 Bücher publiziert – so unter anderem auch „The Idiot of St. Benedict and other stories“, den Überraschungssieger des nationalen Literaturwettbewerbs von 2022 aus der Feder von John-Paul Gomez, den man ansonsten eher für seine satirischen Beiträge aus „The Luxembourg Wurst“ kennt.
An Black Fountain Press lässt sich indes auch das Größenproblem des Luxemburger Buchmarktes aufs Feinste illustrieren: Obwohl Bücher in einer Weltsprache wie Englisch potenziell ein Millionenpublikum erreichen könnten, sind die hierzulande gedruckten Auflagen zu niedrig, als dass sie in den Katalogen in England oder den USA auch nur Erwähnung finden würden. Eine entsprechend hohe Auflage wäre allerdings ein finanzielles Risiko, das bei ausbleibendem Erfolg den Ruin des Verlages bedeuten würde. Deshalb ist die Frankfurter Buchmesse auch für Reuter interessant – hier kann sie Partnerschaften knüpfen, um die Bücher ihrer Autoren auf größere Märkte zu bringen. Einen Vorteil hat sie gegenüber anderen Luxemburger Verlagen: Sie muss keine Leseproben übersetzen lassen.
PassaParola
Was Black Fountain Press für die englischsprachigen Bewohner des Landes ist, ist PassaParola für die Italiener – na ja, nicht ganz. Paola Cairo und Maria Grazia Galati haben den Verlag 2004 ins Leben gerufen. PassaParola Media publiziert in erster Linie das Magazin der italienischen Gemeinschaft in Luxemburg, hat aber auch Bücher im Programm, die sich vornehmlich um die italienisch-luxemburgische Geschichte drehen. Vor dem Hintergrund des Gastlandes Italien an der Frankfurter Buchmesse stellen zahlreiche Länder und Verlage ihre Verbindungen ins Paradies südlich der Alpen ins Schaufenster und Luxemburg bildet hier keine Ausnahme.
Point Nemo Publishing
Jüngster Neuzugang in der Luxemburger Verlagswelt ist Point Nemo Publishing: Anna Valentiny, seit 2016 Chefredakteurin des Architekturmagazins Adato, hat den Verlag 2020 gegründet – ursprünglich mit dem Ziel, das Buch anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Architekturbüros ihrer Familie zu veröffentlichen. Aus diesem Projekt entsteht nun ein Verlag mit einem Vollprogramm, wobei die Architektur im weitesten Sinn das Herz des Verlags bleibt. „Im weitesten Sinne“ ist wörtlich zu verstehen, denn: „Alles ist Architektur“, wie Hans Hollein sagte. Dementsprechend sucht Valentiny die Verbindungen zur bildenden Kunst, zum Theater und zur Gesellschaftspolitik in ihrem Programm, das in den kommenden Monaten und Jahren noch weit ausgebaut werden soll. Das Buch versteht sie dabei nicht nur als Träger von Inhalt, sondern als Objekt, das in der zusehends digitalisierten Welt als physischer Anker fungiert. Das Design jeder Publikation soll in höchstem Maße eigenständig sein – „Wir wollen die Leute träumen lassen“, sagt Valentiny.
Und ihre Produkte scheinen zu überzeugen: Für den Band „Wild Site“ über Baulücken, Brachflächen, Zwischen- und Resträume wurde sie auf der Buchmesse mit dem Book Award des Deutschen Architekturmuseums ausgezeichnet. Valentiny nutzt die Buchmesse dann vor allem auch als Quell der Inspiration für kommende Buchprojekte von Point Nemo.
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