Russischer Überfall auf Ukraine / Luxemburger Parlament unterstützt Sanktionen und Waffenlieferungen
Zum zweiten Mal nach dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine beschäftigte das Parlament sich am Dienstag mit dieser Invasion. Diesmal im Rahmen einer von Yves Cruchten (LSAP) angefragten Aktualitätsstunde, die teils sehr emotional und mit scharfen Worten geführt wurde.
Eigentlich sollte die Sitzung sich hauptsächlich mit der Zukunft Europas beschäftigen, dies im Rahmen einer breit und demokratisch angelegten Konferenz, bei der die Bürger der EU ihre Vorstellungen zur gemeinsamen Zukunft einbringen konnten. Dies, so Yves Cruchten (LSAP), sei allerdings kaum möglich, ohne auf die aktuelle Lage in der Ukraine einzugehen. Putins Versuch, die Weltordnung zu verändern, stoße auf breiten Widerstand, und die Möglichkeiten Luxemburgs, hiergegen vorzugehen, würden weit über die reine Symbolpolitik hinausgehen.
Die Regierung habe eine Reihe dieser Möglichkeiten auf vielen Ebenen genutzt – die LSAP stehe hinter den Sanktionen sowohl der EU als auch Luxemburgs. Cruchten verwies auf die großen Protestbewegungen europa- und weltweit, aber auch auf den großen Mut jener, die in Russland gegen den Krieg auf die Straße gegangen sind und gehen.
Die aktuelle Solidarität mit der Ukraine zeige sich vielfältig: Luxemburg habe so in einer ersten Phase eine Million direkte humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt; weitere Gelder würden folgen; Gesundheits- und Innenministerium würden zusätzliche Hilfe vorbereiten. Die Ukraine, so der Redner, brauche voraussichtlich über viele Jahre Unterstützung für den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Landes.
Vier Millionen Flüchtlinge
Laut UNO seien durch den Krieg bis zu vier Millionen ukrainischer Flüchtlinge zu erwarten. Es müssten Korridore geschaffen werden, die es den Menschen ermöglichten, auch in jene EU-Mitgliedsländer zu reisen, die sich nicht an der Grenze zur Ukraine befinden. Alle Ukrainer dürften nunmehr 90 Tage visafrei in der EU bleiben. Es solle in dieser Situation nicht bürokratisch vorgegangen werden, so Yves Cruchten. Darüber hinaus begrüße er die militärischen Lieferungen des Landes in die Ukraine, auch wenn dies seine Partei nicht erfreue.
Es gebe ein Vorher und ein Nachher der Invasion, so Claude Wiseler (Parteipräsident der CSV). Über vieles, was in der EU gehofft und geglaubt wurde, über bestehende Regeln z.B., sei Putin mit seinen Panzern einfach hinweggefahren. Jetzt gelte es, den Ukrainern zu helfen, so Wiseler, der besonderes Lob für den Präsidenten des Landes, Selenskyj, fand. Die CSV stehe hinter den Sanktionen und dem Handeln der Regierung, inklusive der Waffenlieferungen. Die Geschwindigkeit des Handelns und die aktuelle Solidarität in der EU habe er im Vorfeld dieser Krise nicht für möglich gehalten.
Die Oppositionspartei sei bereit, bei den Vorbereitungen zur Aufnahme von Flüchtlingen in Luxemburg zu helfen. Luxemburg solle seine Militärausgaben, die aktuell bei 0,6 Prozent des Haushaltes liegen, auf ein Prozent erhöhen, so Wiseler. Weiter solle das Parlament eine „technologisch offene Debatte“ zur energetischen Transition – weg von Karbon-Energien, hin zu den Erneuerbaren – führen, so der CSV-Präsident, ohne die Nuklearenergie allerdings zu benennen.
Hundert Panzerabwehrwaffen
Gusty Graas (DP) verwies ebenfalls auf das große Leid, das Putin in die Ukraine gebracht hat. Die Notwendigkeit der NATO sei inzwischen außer Frage. Die Sanktionen, so Graas weiter, haben Russland ins wirtschaftliche Herz getroffen. Dass die Luxemburger Armee Geländefahrzeuge, Panzerabwehrwaffen (100 an der Zahl) und Zelte liefere, werde von der DP begrüßt.
Es gelte nun weiter, das russische System zu schwächen und die Opposition in dem Land zu stärken: Putin müsse in die Knie gezwungen werden.
Die Invasion der Ukraine laufe nicht nach Plan, so Stéphanie Empain („déi gréng“), die ihre Sorge ausdrückte, dass der damit verbundene Frust bei Putin zu weiterer militärischer Eskalation führen könnte.
Auch sieht sie eine andere Welt nach der Invasion; die Politik müsse deshalb auch eine andere werden. Die Sanktionen seien notwendig, die Aufstockung der Luxemburger Soldaten von vier auf sechs Mann in Litauen sei richtig. Ziel der aktuellen Maßnahmen müssten Verhandlungen sein, so Empain.
Kritischer sah Fernand Kartheiser (ADR) die Sanktionen, der sich fragte, ob sie zielführend seien, unter welchen Umständen sie wieder aufgehoben würden, ob sie nicht gegen unsere eigenen Werte verstießen (Verbot von Fernsehsendern) und ob sie die Lage nicht verschlimmern würden. Weiter sprach er sich gegen eine überhastete EU-Mitgliedschaft der Ukraine und gegen eine europäische Armee aus.
Waffenlieferungen: Öl ins Feuer
Für Nathalie Oberweis („déi Lénk“), die den Überfall auf die Ukraine ebenfalls verurteilte und auf die starken Emotionen verwies, die dieser auslöste – Trauer, Wut, Angst –, sind Waffenlieferungen das falsche Mittel; sie würden eher Öl ins Feuer gießen. Selbstverständlich habe die Ukraine ein Recht auf bewaffneten Widerstand gegen den Aggressor, so Oberweis, die dazu aufforderte, intensiv nach Geldern von Oligarchen auf dem Luxemburger Finanzplatz zu suchen.
Marc Goergen (Piraten) meinte, Putin müssten seine Grenzen aufgezeigt werden, ansonsten er nicht an den Grenzen der Ukraine stoppen werde. Die Energiepolitik des Landes müsse neu aufgestellt werden, so Goergen, der auch dafür plädierte, dass von Oligarchen genutzte, in Luxemburg angemeldete Privatjets keine Flugrechte mehr erhalten sollten.
Außenminister Jean Asselborn versuchte, einen Überblick zur aktuellen militärischen Situation in der Ukraine zu geben. Die Ukraine wisse, dass der Kampf gegen den übermächtigen Gegner militärisch nicht zu gewinnen sei. Bislang habe aber noch keine Stadt sich ergeben, der Widerstand sei groß, die Gegenwehr müsse militärisch unterstützt werden. Die Bürger im perfekten Polizeistaat Russland, so Asselborn, wüssten nicht, was in der Ukraine ablaufe. Dass große Firmen wie BP oder Shell den Handel mit und in Russland verweigerten, sei ein gutes Zeichen, so der Außenminister, der die Militärhilfe aus Luxemburg verteidigte.
Gergijew nicht mehr Honorarkonsul
95 Personen hätten sich beim Ministerium gemeldet, die raus aus der Ukraine wollten. Wenigstens 30 sei dies bislang gelungen; unbestätigten Gerüchten zufolge seien Busse mit Flüchtlingen in Richtung Luxemburg unterwegs. Unser Land sei vorbereitet, werde aber wohl zusätzliche Hallen zur Aufnahme anmieten müssen. Weiter kündigte Asselborn an, die Honorarkonsule in Russland unter die Lupe zu nehmen. Dirigent und Putin-Freund Valery Gergijew werde der Titel sofort aberkannt. Asselborn plädierte dafür, dass Putin vor den internationalen Gerichtshof wegen Menschenrechtsverletzungen, resp. Kriegsverbrechen zitiert und bestraft wird.
Die eigentlich vorgesehene Debatte über die europäische Konferenz zur Zukunft der EU, vorgestellt von Yves Cruchten, der eine entsprechende parlamentarische Unterkommission leitet, wurde im Anschluss durchgezogen. Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen konnten bei den Schlussfolgerungen dieser basisdemokratischen Konferenz, bei der die Bürger in vielfacher Weise befragt wurden, selbstredend noch nicht berücksichtigt werden. Außerdem, so monierte auch Cruchten, sei die Konferenz mit einem Jahr Verspätung gestartet und werde – wohl wegen der anstehenden französischen Wahlen – früher als geplant abgeschlossen. Trotz dieser Unzulänglichkeiten beschäftigte das Parlament sich ausführlich und in langen Beiträgen mit der Zukunft Europas. Wir möchten uns auf die Hauptforderungen der Bürger Luxemburgs im Rahmen dieser Befragung beschränken, zumal unklar ist, in welcher Form die Resultate der europaweiten Befragung in die reale politische Arbeit einfließen werden.
Yves Cruchten und die Kommissionsmitglieder identifizierten vier prioritäre Forderungen, die da heißen: – offene Grenzen, – soziales Europa mit weniger Ungleichheiten, – eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, – eine gemeinsame Energiepolitik, bei der Atomkraft und Gas nicht als nachhaltige Energieformen betrachtet werden.
Laut Resolution soll die Unterkommission weiter bestehen bleiben und das Ohr auch künftig am Bürger und den entsprechenden europapolitischen Vorstellungen haben.
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„..Für Nathalie Oberweis („déi Lénk“),…“ Öl ins Feuer? Aber liebe Dame Nathalie,mit weißen Fahnen lassen sich die Dörfer nicht verteidigen.Dann ist die Nato ja auch eigentlich Öl ins Feuer. Der Coup der Mahatma Ghandi gegen die Engländer gelungen ist wird sich gegen einen Putin nicht wiederholen. Millionen Ukrainer im Sitzstreik?! Warum nicht.
Wei‘ wär et dann wann mir hei och gei’fen dei‘ russech Ambassade sanctionnei’eren. Et kann dach net sinn dass an der Ukraine de Putine d’Vollek affamei’ert , an hei d’russech Ambassade Schampes bei de pickechen Preisser keeft vir daat ze feieren.