/ Luxemburger Piloten fliegen zwei Belugawale in die Freiheit – von China nach Island
Für die beiden Belugawale Little Grey und Little White wird es wohl die aufregendste Reise ihres Lebens. In einem 12-Stunden-Flug rund um die Welt fliegen sie aus dem Changfeng Ocean World Aquarium in China nach Island in das Beluga Whale Sanctuary, wo sie nach acht Jahren in Gefangenschaft wieder in ein sicheres, freies Umfeld entlassen werden sollen. Eine Reise, die bis ins kleinste Detail geplant werden muss.
Lesen Sie zu diesem Thema auch den Artikel „11.000 Kilometer bis ins neue Zuhause – Wie Cargolux zwei Wale um die halbe Welt fliegen will“ von Tobias Senzig
Der natürliche Lebensraum von Belugawalen sind polare und subpolare Meere. Aquarien sind es nicht und schon gar nicht der Luftraum zehn Kilometer über dem Boden.
An Bord einer Boeing 747-400ERF der Cargolux findet Mitte Frühjahr eine der spektakulärsten Befreiungsaktionen statt. „Belugawale sind unglaublich intelligente Tiere, unsere Priorität ist also, ihnen die Reise so angenehm wie möglich zu gestalten“, erklärt Robb Lott von der Naturschutzvereinigung Whale and Dolphin Conservation. Nachdem das Aquarium in China von Merlin Entertainments aufgekauft wurde, kontaktierten diese die Tierschutzorganisation, um nach einer Möglichkeit zu suchen, die Tiere wieder in die Natur zu entlassen.
Es gilt, Regeln zu befolgen
Dies kann jedoch nicht von heute auf morgen passieren, so Lott: „Nachdem die beiden in Klettsvik Bay in Island angekommen sind, werden sie erst einmal vorsichtig in Pools an das neue Umfeld akklimatisiert. Wir werden ihnen nach und nach Tiere und Pflanzen der Gegend vorstellen und ihre Futterrationen erhöhen, damit sie mehr Speck ansetzen, um mit den subarktischen Temperaturen zurechtzukommen. Wir hoffen, sie danach so schnell wie möglich wieder komplett in die freie Wildbahn entlassen zu können, aber wie lange das dauern wird, ist noch unklar.“ Der Transport der vier Meter langen und 900 Kilo schweren Säugetiere über Land und in der Luft ist dabei eine logistische Herausforderung.
Diese fällt der Cargolux zu. Der Transport von Tieren ist für diese fast Normalität. Unter anderem Bisons, Nashörner und Tiger wurden schon von dem Unternehmen um die Welt geflogen. Die beiden Weißwale sind dabei noch nicht einmal die ersten Meeressäuger: ein Orca war hier bereits Passagier. Einige Regeln gibt es jedoch, die oberste: Es werden nur Tiere, die in Gefangenschaft leben, in die Freiheit geflogen, nie andersrum. Drei Piloten werden sich während des elf bis zwölfeinhalb Stunden langen Nonstop-Fluges abwechseln. Zwei davon, Claude Zehren und Claude Konsbrück, freuen sich über die ungewöhnliche Fracht. Für sie ist der Flug eher Routine: „Der Ablauf des Fluges ist für uns nicht wirklich außergewöhnlich. Wir bereiten uns wie gehabt vor und hoffen, dass alles so reibungslos wie möglich bleibt. Wir zählen also auf das Ingenieur- und Tiertrainer-Team, die hier eher in einer Ausnahmesituation sind als wir.“
Die größte technische Herausforderung ist dabei den Ingenieuren zugefallen: Der Schwerpunkt des Flugzeuges muss während des ganzen Fluges zentral bleiben, soll die Maschine sicher ihr Ziel erreichen.
„Wasser lässt sich nicht festnageln“
Jeder, der versucht hat, schnell ein zu volles Glas Wasser zu tragen, wird das Problem verstehen. Verantwortlich dafür, dass genau das klappt, ist unter anderem Michael Verhülsdonk, „Ground Operations Engineer“ der Cargolux: „Der Tank selbst ist zwar schwer, aber mehr Gurte anbringen hat bisher immer geklappt. Das größere Problem ist, dass sich Wasser nicht festnageln lässt. Normalerweise umgehen wir das Problem mit herumschwappendem Wasser, indem wir die Wassertanks so voll wie möglich machen und fest verschließen. Hier arbeiten wir jedoch mit einem offenen Tank, da wir die Säuger nicht einschließen können oder wollen.“ Also musste eine andere Lösung her: Während des Starts und der Landung wird möglichst viel Wasser aus dem Tank mit den Walen in geschlossene Kanister, in denen sich das Wasser nicht bewegen kann, gepumpt.
In dieser Zeit werden dann etwa 45 Zentimeter Wasser im Tank sein. Während des Fluges werden etwa 1.000 Liter Wasser, was grob 10 Zentimetern entspricht, zurück in den Tank gepumpt, um den Passagieren die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Das Team, zu dem auch die Trainer gehören, die sich acht Jahre in China um die Wale gekümmert haben, wird die Säugetiere während des Fluges ständig mit Schläuchen befeuchten. Diese liegen während der Reise in hängematteartigen Transportbefestigungen, die im Tank nach vorne und hinten geneigt werden können, damit die Gesichter der Weißwale ständig unter Wasser sind. Die Anwesenheit des Betreuerteams ist auch für das emotionelle Wohlbefinden der Tiere wichtig, erklärt auch Pilot Konsbrück: „Little Grey und Little White werden trotz aller Sorge während des Fluges unter erheblichem Stress stehen. Die Anwesenheit von Vertrauenspersonen wird da sicherlich Linderung bringen.“
Die meisten Sorgen machen dem Team die Momente, in denen die Tierärzte und die Trainer nicht um die Tiere herum sein können, also während der Landung und beim Abheben. Während dieser Zeit kann das Team die Wale durch eine Kamera beobachten, die im Frachtraum angebracht ist. Dabei werden auch die Herzfrequenz und die Atmung gemessen, um die Tiere möglichst sicher in ihre neue Heimat zu bringen. Aktuell werden diese mit Übungen auf die Reise vorbereitet.
„Wir hoffen, mit diesem Projekt eine Inspiration für andere Organisationen zu sein“, so Lott. „Little Grey und Little White sind die perfekten Kandidaten für diesen ersten Schritt, und wir haben mit Heimaey das perfekte Reservat gefunden. Dieses wird in Zukunft Platz für etwa zehn weitere Wale bieten. Bis dahin werden wir die Prozedur hier genau im Auge behalten.“
Text von unserem Korrespondenten Misch Pautsch, Fotos von unserem Fotografen Fabrizio Pizzolante
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All Respekt fir d‘Cargolux. Eng gewessenhaft Airline dei nemmen Guddes mecht.