Digitale Kompetenzen / Luxemburger Schüler schneiden trotz teurer iPads schlecht ab
In der neuesten Icils-Studie (International Computer and Information Literacy Study) über digitale Kompetenzen von 14-jährigen Schülern hat Luxemburg sehr schlecht abgeschnitten. Dabei gab der Staat in den vergangenen zwei Jahren über 6 Millionen Euro für neue iPads in den Schulen aus. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, sagt das Bildungsministerium.
Die ICILS-Studie geht der Frage nach, wie gut Schüler auf ihr Studium, ihren Job und ihr Leben in einer digitalen Welt vorbereitet sind. Das Fazit: Luxemburger Schüler sind bislang überhaupt nicht darauf vorbereitet. Dabei nennt das Luxemburger Bildungsministerium „Coding“ und „Computational Thinking“ – zwei Bereiche aus der ICILS-Studie – „Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts“.
Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden den Schülern in luxemburgischen Schulen knapp über 14.000 iPads im Wert von 6,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Bildungsministerium bietet den Lehrern Weiterbildungen für die Gestaltung ihres Unterrichts mit Tablets an. 3.008 Lehrer nahmen an den iPad-Weiterbildungen teil. Das entspricht 7 Prozent aller Fortbildungen.
„Mit der Fortbildung soll ein nachhaltiger Effekt erreicht werden, indem die Lehrer die Möglichkeit erhalten, die behandelten Inhalte in ihre Schulpraxis umzusetzen“, schreibt Bildungsminister Claude Meisch (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Die Weiterbildungen über neue Medien im Allgemeinen würden auf die Kompetenzen der Lehrer in drei Bereichen zielen: technologische, pädagogische und didaktische Kompetenzen. Und weiter: „Durch die Weiterbildungen bekommen die Lehrer das nötige technische Know-how, um Tablets im Unterricht einzusetzen und auf Problemsituationen reagieren zu können.“ Inzwischen arbeiten in Luxemburg 649 Klassen des Sekundarunterrichts mit iPads. Dies geht ebenfalls aus einer parlamentarischen Anfrage hervor.
Luxemburg ist Schlusslicht
Zurück zur Studie. Dort wurden bei 46.000 Schülern und 26.000 Lehrern aus 14 Ländern bzw. Regionen zwei Bereiche getestet: CIL (Computer and Information Literacy) und CT (Computational Thinking) (siehe Kasten). Beim ersteren Ranking platziert sich Luxemburg auf Rang 10 von 14 und erreicht damit eine sehr niedrige Quote, die sich klar unter dem Durchschnitt befindet. Dabei fallen die Luxemburger Schüler nur auf Level 1 von 4. Es ist die unterste Kategorie. Bei Level 1 sind Schüler lediglich fähig, „eine zweckmäßige Arbeitsweise mit Computern als Werkzeuge“ zu erreichen. Bei Level zwei – eine Stufe höher – brauchen Schüler „Hilfe bei der Recherche von Informationen im Internet“, bei Level drei sind sie „autonom“, bei Level 4 haben sie „präzise Kompetenzen“. Beim zweiten Bereich, der in der Studie getestet wurde, dem „Computational Thinking”, ist Luxemburg sogar Schlusslicht.
In der Studie wird weiterhin bemängelt, dass Luxemburg nur 4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Erziehung ausgibt und sich mit den beiden Schlusslichtern Russland (ebenfalls 4 Prozent) und Kasachstan (3 Prozent) hinten in die Reihe stellt. Beim BIP führt Dänemark klar mit knapp 8 Prozent vor Frankreich (5,5) und Finnland (5,3).
Die Ausstattung von Schülern oder Lehrern mit ICT-Geräten wie beispielsweise iPads reicht nicht aus, um die digitalen Kompetenzen zu verbessern
Dabei hat Luxemburg gute Voraussetzungen. Gemeinsam mit Dänemark haben im Großherzogtum 97 Prozent der 16- bis 74-Jährigen in einem Zeitraum von drei Monaten Zugang ins Internet gehabt, so die ICILS-Studie. Damit belegen beide Länder Rang eins. Das Gleiche gilt beim Zugang zu einem Internet-Netzwerk in den Schulen, wo Luxemburg eine 100-Prozent-Quote erreicht. Auch bei den digitalen Lernquellen, die nur online verfügbar sind, erreicht das Großherzogtum eine Rate von 100 Prozent und ist mit Abstand Nummer eins aller getesteten Länder.
iPads bringen nichts
Die Ausstattung von Schülern mit iPads reicht also nicht aus, um die digitalen Kompetenzen zu fördern. Darauf wird auch in der ICILS-Studie mit folgenden zwei Thesen hingewiesen: Erstens sind „digital natives“ keine digitalen Experten. Junge Menschen entwickeln keine anspruchsvollen digitalen Kompetenzen, indem sie nur im Umgang mit digitalen Geräten aufwachsen, steht in der Studie. Zweitens reicht die Ausstattung von Schülern oder Lehrern mit ICT-Geräten wie beispielsweise iPads nicht aus, um die digitalen Kompetenzen zu verbessern. Den Schülern muss beigebracht werden, wie sie diese Computer wirksam nutzen, und die Lehrer brauchen Unterstützung darin, wie sie die Geräte im Unterricht einsetzen sollen.
Doch Luxemburg bietet den Lehrern Fortbildungen zum Umgang mit dem iPad im Unterricht an. Dann müsste doch zumindest die zweite These der Studie erfüllt sein, nämlich jene, die besagt, dass den Schülern beigebracht werden müsse, wie sie die Tablets wirksam nutzen können, und dass die Lehrer darin Unterstützung brauchen, wie sie die Geräte im Unterricht einsetzen sollen. Da diese Voraussetzung ja durch die Fortbildungen gegeben sein müsste, fragt man sich weiterhin, wieso Luxemburger Schüler so schlecht bei der Studie abgeschnitten haben. Wir haben beim Bildungsministerium nachgefragt.
Die beiden Bereiche Coding und Computational Thinking waren bislang nicht Gegenstand des Bildungswesens in Luxemburger Schulen, auch nicht in den iPad-KlassenPressesprecherin Bildungsministerium
„In den iPad-Klassen wird mit dem Tablet als multimediales Werkzeug gearbeitet“, so Myriam Bamberg, Pressesprecherin des Bildungsministeriums, gegenüber dem Tageblatt. Das iPad solle dabei das digitale Lernen und Lehren im Unterricht unterstützen. Dadurch würden in den jeweiligen Fächern multimediale Inhalte und deren Verarbeitung in den Unterricht eingebaut werden. Laut Bamberg habe die ICILS-Studie die Kompetenzen im Coding und Computational Thinking analysiert; also das Problemlösen und das algorithmische Denken. „Diese beiden Bereiche waren bislang nicht Gegenstand des Bildungswesens in Luxemburger Schulen, auch nicht in den iPad-Klassen.“ Deshalb könne man auch keine Rückschlüsse von der Studie auf das iPad-Projekt ziehen.
Bislang keine Förderung
Aber dennoch sollte man sich an dieser Stelle die Frage stellen, wieso Luxemburg nicht unter all diesen positiven Voraussetzungen, die in der Studie genannt werden, und parallel zur Einführung der iPad-Klassen auch die Kompetenzen in den Bereichen Coding und CT gefördert hat. Hier gilt wohl die Devise „Besser spät als nie“. Bei der Rentrée kündigte Claude Meisch an, dass diese beiden „Schlüsselkompetenzen“ auf „systematische Weise in das öffentliche Bildungswesen verankert werden würden“.
Demnach soll Coding in der Grundschule ab dem Schuljahr 2020-2021 im Cycle 4 in den Mathematikstunden gelehrt werden, dann ab 2021-2022 auch fachübergreifend in den Zyklen 1-3. Die Lehrer bekommen Weiterbildungen und werden von auf digitale Kompetenzen spezialisierten Lehrkräften begleitet. Diese sollen ab 2020 eingestellt werden. Im Sekundarunterricht wird das neue Fach Informatikwissenschaft (Computer Science), in welches Coding und Computational Thinking integriert sind, ab 2021-2022 auf dem Stundenplan der niedrigen Klassen eingeführt.
Das Ministerium hatte dennoch darauf bestanden, bei der Studie mitzumachen, um sich einen messbaren Anhaltspunkt über die reellen Kompetenzen der Schüler 2018 zu geben und so die Evolution der schulischen Leistungen in der Zeit verfolgen zu können. Der Ausbau von Coding und Computational Thinking gehört zu den Prioritäten des neuen Regierungsprogramms und wird demnach systematisch in das Bildungswesen integriert. Die Teilnahme an der Studie 2023 wird die Wirksamkeit dieser Maßnahmen begutachten. Man darf gespannt sein.
Computer and Information Literacy (CIL)
CIL (Computer and Information Literacy) bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, Computer zu benutzen, um zu recherchieren, etwas zu erschaffen und zu kommunizieren – und dies auf wirksame Art zu Hause, in der Schule, auf der Arbeit oder in der Gesellschaft anzuwenden. CIL bezieht sich auf die Kompetenzen der Schüler, wie diese auf produktive Weise Zugang zu digitalen Information erhalten und diese dann bewerten und benutzen. Luxemburg kam auf Platz 10 von 14 und erreichte nur Level 1 von 4. Hier die Resultate im Überblick:
1. Dänemark (553 Punkte), 2. Moskau* (549), 3. Korea (542), 4. Finnland (531), 5. USA (519), 6. Deutschland (518), 7. Portugal (516), 8. Nordrhein-Westfalen* (515), 9. Frankreich (499), 10. Luxemburg (482), 11. Chile (476), 12. Italien (461), 13. Uruguay (450), 14. Kasachstan (395).
*Moskau und Nordrhein-Westfalen haben als Region mitgemacht
Computational Thinking (CT)
CT (Computational Thinking) ist die Fähigkeit einer Person, Aspekte realer Probleme zu erkennen und dazu algorithmische Lösungen auszuwerten und zu entwickeln, damit diese anhand eines Computers operationalisiert werden können. CT war in der Studie keine zwingende Teilnahmebedingung. Acht Länder haben dennoch mitgemacht, darunter Luxemburg. Das Großherzogtum kam auf den letzten Platz.
1. Korea (536 Punkte), 2. Dänemark (527), 3. Finnland (508), 4. Frankreich (501), 5. USA (498), 6. Deutschland (486), 7. Portugal (482), 8. Luxemburg (460).
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn die Grundschüler erst einmal richtig lesen und schreiben lernen würden!
Daat verstinn ech awer elo guer net.
Wann den Ipad gudd deier ass, dann misst daat jo awer och gudd klappen. oder?
Pisa Gau aber dann noch schlimmer…
Ech mengen am MEN huet nach keen verstaan waat „DIGITAL“ ass !!
Leider ass d,Liewen awer nit digital. Da muss jo mol fir d,eischt geleiert gin fir dat e boesschen ze meeschteren anstatt de Pc.
Eng relevant, an virun allem legitim Evaluatioun vum Erfolleg vun den Ipad Klassen brauch fir d‘ aller éischt en Kritär un der sech sou eng Evaluatioun moossen kann. An aneren Wieder: et muss definéiert sinn, wat d‘ Zieler hannert der Introduktioun vun Ipads sinn. Sinn et sozial Zieler (bspw. an dem den Ipad een Medium ass fir Chancëgläichheet hierzestellen), sinn et fachkompetenzlech Zieler (bspw. spezifesch Informatik Kompetenzen ze erwerben, wei an der Studie mat programméieren), sinn et demokratesch Zieler (bspw. am Sënn vun Medienkritik, den SchülerInnen mam Ipad een Medium zur Verfügung ze stëllen, mat dem si sech sélwer an hier Meenung an den gesellschaftlechen Diskus abréngen kennen), asw. Ech fannen et wier ze kuerz gegraff un den Ergebnisser dëser Studie den Ipad-Klassen hier Legitimatioun ofzeschwätzen an si als reng Geldverschwendung ze betitelen, genau sou ze kuerz gegraff ass et allerdéngs Ipaden anzeféieren ouni explizitt Zieler auszeschaffen an genau ze definéieren, wéi an wou eng Ëmsetzung geschéien kann.