Editorial / Luxemburger Sozialmodell: Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr aus
Seit nunmehr 13 Tagen befindet sich die Belegschaft des Plastikgranulat-Herstellers Ampacet im Streik. Ein außergewöhnlicher Vorgang in Luxemburg. Es ist die längste Arbeitsniederlegung seit 1995. Damals streikten die Fliesenleger ganze 28 Tage. Streiks sind in Luxemburg eher die Ausnahme, auch wenn der letzte Arbeitskampf erst wenige Monate her ist. Damals dauerte es drei Tage, bis die Direktion der Cargolux und die Gewerkschaften an den Verhandlungstisch zurückgekehrt sind. Werden solche Streiks in Zukunft auch in Luxemburg öfters vorkommen oder die Ausnahme bleiben?
Für den Direktor des Arbeitgeberverbandes UEL könnten sich die rezenten Streiks durch die anstehenden Sozialwahlen im März erklären, oder aber dadurch, dass der frankofone Einfluss in den Gewerkschaften zunehme, wie er gegenüber L’essentiel erklärte. Im Fall Ampacet sind die Gründe allerdings naheliegender, als Olingers Erklärungsversuche es vermuten lassen könnten. Die Direktion hat den Kollektivvertrag einseitig gekündigt und scheint nicht sonderlich viel vom luxemburgischen Sozialmodell zu halten. Während der UEL-Vertreter einen möglichen Kulturwandel bei den Gewerkschaften erkennen will, könnte man diesen allerdings auch auf der Arbeitgeberseite feststellen.
Die neue CSV-DP-Regierung bekennt sich zum altbewährten Sozialmodell. Ein Modell, das keine Selbstverständlichkeit ist. Wie schnell der Sozialdialog ausgehebelt werden kann, ist seit nunmehr 13 Tagen vor der Granulatfabrik in Düdelingen zu beobachten. Die neue Regierung unter Premierminister Luc Frieden (CSV) will ein wirtschaftsfreundliches Umfeld schaffen, um neue Unternehmen anzuziehen. Sollte Frieden es mit dem Erhalt des Sozialdialogs ernst meinen, muss seine Regierung dafür sorgen, dass auch neue Unternehmen das Sozialmodell respektieren. Lippenbekenntnisse reichen da nicht aus. Das mussten auch die Vorgängerregierungen immer wieder feststellen. Nach dem Cargolux-Streik zum Beispiel bedankte sich LCGB-Präsident Patrick Dury öffentlich beim damaligen Premierminister Xavier Bettel (DP). Ob und wie dieser letztendlich zur Schlichtung beigetragen hat, blieb allerdings unbeantwortet.
Beim letzten längeren Streik 2018 im Pflegesektor hat sich die Regierung zwar erst spät eingeschaltet, aber immerhin kam eine Reaktion vom damaligen Sozialminister Romain Schneider und Arbeitsminister Nicolas Schmit (beide LSAP), während die zuständige Familienministerin Corinne Cahen (DP) auf Tauchstation ging. Auch Bettels Vorgänger Jean-Claude Juncker (CSV) hat sich in seiner Laufbahn mehr als einmal für den Erhalt des Sozialmodells hervorgetan.
Beim Ampacet-Streik scheint eine Rückkehr an den Verhandlungstisch auch nach 13 Tagen noch in weiter Ferne. Die Belegschaft stellt sich bereits auf einen langen Kampf ein und ist bereit, diesen auch über die Feiertage fortzuführen. Frieden und seinem Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) wurde keine Schonfrist zugestanden. Sie müssen gleich zeigen, wie ernst es ihrer Regierung mit dem luxemburgischen Sozialmodell ist. Mischos Aussage zum Fall Ampacet, dass die Wahrheit immer in der Mitte liege, war dabei ein eher unglücklicher Start.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Wenn man sieht was seit Jahren in den USA abläuft, wen wundert es dann, dass amerikanische Firmen auch anderswo glauben sie könnten tun und lassen was sie wollen? Es würde mich interessieren wieviele finanzielle « Förderungen » oder Steuergeschenke diese Firma bisher vom Staat erhalten hat oder noch wird. Es wäre an der Zeit, diese in solchen Fällen zurückzufordern und/oder zu stoppen. Per Gesetz! Da die neue Regierung die Sonntagsarbeit « liberalisieren » möchte, kann sie ja mit gutem Beispiel voran gehen und immer auch Sonntags arbeiten. Dann wäre das entsprechende Gesetz auch schnell durch.
A propos « unglücklicher Start » des Arbeitsministers: Das ist aber mehr als freundlich ausgedrückt. Wenn in Luxemburg ausgerechnet ein Politiker Arbeitsminister wird, der nicht einmal weiß was der Index ist, so erwarte ich mir von diesem wenig bis gar nix. Zumindest in Bezug auf die Arbeitnehmer. Zudem sagt diese Besetzung viel über die Prioritäten dieser Regierung aus. Das Wohl der Arbeitnehmer gehört sicherlich nicht dazu.
De Mischo hätt besser gehat sech e beispill un sengem Pap ze huelen an sein Amt als Arbechtsminister ze verlounen an sech sou e puer Mischos bei zeverdengen an firun allem eis all seng peinlech Aussoen an Wessenslakünnen ze erspueren!