ScyLight / Luxemburger Unternehmen arbeiten an der Quantenrevolution
Luxemburg beteiligt sich an einem Forschungsprojekt der europäischen Weltraumbehörde ESA, mit dem die Satellitenkommunikation der Zukunft erforscht wird. Es geht um Laser und Quantenphysik. Auch hiesige Unternehmen beteiligen sich daran.
Das kleine Großherzogtum liebt das Weltall nicht erst, seitdem Etienne Schneider mit der Space-Mining-Initiative die Welt verblüfft hat. Mit der Gründung des Satellitenbetreibers SES im Jahr 1985 wurde im Großherzogtum ein Unternehmen geschaffen, das heute einen Milliardenumsatz generiert. Satelliten sind also seit 35 Jahren Teil der luxemburgischen Unternehmenslandschaft.
Erst 20 Jahre später, im Jahr 2005, trat Luxemburg der europäischen Weltraumbehörde ESA bei. Seitdem beteiligt sich das Land an den Forschungsprogrammen der Weltraumbehörde. Neben vielen europäischen Staaten ist auch Kanada Mitglied der Organisation. Die Mitgliedschaft bringt mit sich, dass auch die Luxemburger Regierung alle paar Jahre einen Weltraum-Aktionsplan vorlegen muss. Im Januar dieses Jahres war es der scheidende Wirtschaftsminister Etienne Schneider, der als eine seiner letzten Amtshandlungen dem Parlament den neuesten Aktionsplan vorgestellt hat.
In dem Aktionsplan werden eine ganze Reihe von Schwerpunkten gesetzt und Forschungsprogramme genannt, an denen sich Luxemburg beteiligen will. Besonderes Hauptaugenmerk wird auf die Satellitenkommunikation gelegt. Dabei taucht der Name eines Programms immer wieder auf: ScyLight. Der Name steht für „Secure and Laser Communication Technology“.
Nächste große Revolution
„Optische Kommunikationstechnologien gelten als eine der nächsten großen Revolutionen in der Satellitenkommunikation, die im kommenden Jahrzehnt ein beispiellos hohes Niveau an Übertragungsraten, Datensicherheit und Ausfallsicherheit bringen wird“, schreibt die ESA. Optisch bedeutet hier nichts anderes als dass Licht zum Einsatz kommt, um Informationen zu übertragen – etwa in Form von Laserstrahlen.
Ein Aspekt, den ScyLight untersucht, ist die sichere Übertragung von Daten im Weltall. Dabei kommt eine Technik zum Einsatz, die als Quantenkryptografie bezeichnet wird. Diese macht sich Effekte der Quantenphysik zunutze, die Albert Einstein noch als „Spuk“ bezeichnete. Damit Kommunikation auch in Zukunft sicher bleibt, muss die Verschlüsselung ein immer höheres Niveau erreichen. Das wollen Wissenschaftler mit der Quantenverschlüsselung erreichen.
Diese Forschung wird von einem Konsortium mit dem komplizierten Namen „Quantum Cryptography Telecommunication System“ (Quartz) durchgeführt. Dieses wird von der SES geleitet. Unter den zehn Partnern befinden sich auch die Luxemburger Unternehmen LuxTrust und itrust.
„Ich habe mich vor 30 Jahren schon mit dem Thema Quantenkryptografie beschäftigt“, sagt Carlo Harpes, Managing Director des Luxemburger Unternehmens itrust. „Damals habe ich es als Spinnerei abgetan. Jetzt bin ich überrascht darüber, wie konkret das heute geworden ist.“ itrust ist eines der Luxemburger Unternehmen, die sich mit der SES an Scylight beteiligen. Eigentlich ist der Weltraum nicht das Kerngeschäft von itrust – Datensicherheit hingegen schon.
Derzeit stecken Quantencomputer noch in den Kinderschuhen. Aber wenn es so weit ist und Quantencomputer zuverlässig arbeiten, dann hält auch die beste heute gängige Verschlüsselungstechnik dem nicht mehr stand, befürchtet Harpes. „Dem Überwachungsstaat öffnet das Tür und Tor.“ Quantencomputer können theoretisch binnen Sekunden Berechnungen anstellen, für die klassische Computer Jahrhunderte bräuchten. Deshalb hält auch eine für heutige Verhältnisse gute Verschlüsselung ihnen nicht stand.
Qubits
Klassische Computer speichern und verarbeiten Daten in Form von „0“ und „1“. Die Transistoren auf dem Prozessor eines Computers können zum Beispiel entweder unter Spannung stehen oder auch nicht. Ein Bereich auf einer Festplatte kann in die eine oder die andere Richtung magnetisch polarisiert sein. Ein Bit kann entweder „0“ oder „1“ sein. Quantencomputer machen sich die Gesetze der Quantenmechanik zunutze. Diese beschreibt die Naturgesetze, denen winzigste Objekte wie etwa Atomteilchen gehorchen. In der Quantenwelt treten Phänomene auf, die es in der großen Welt nicht gibt. Darunter die Quantenverschränkung und die Superposition.
Quantencomputer machen sich diese zunutze und verwenden keine Bit, sondern Qubit (kurz für QuantenBit). Diese Qubits können nicht nur die Werte „0“ oder „1“ annehmen, sondern auch „überlagerte Zustände“. Das eröffnet den Wissenschaftlern eine völlig neue Welt. Mit Qubits sind Schaltungen möglich, die mit Bits nicht möglich sind. Dabei entsprechen n Qubits 2n Bits. Die Rechenleistung eines Quantencomputers steigt also exponentiell mit jedem weiteren Qubit.
Scylight hat eine klare wirtschaftliche Ausrichtung. Das Programm sei ins Leben gerufen worden, um „die europäische und kanadische Industrie zu unterstützen“, so die ESA. Dabei soll ein Augenmerk auf mögliche Anwendungen gelegt werden, anders als bei der Grundlagenforschung, bei der es darum geht, neue Erkenntnisse zu gewinnen, ohne bereits darauf zu schielen, wie sie der Wirtschaft nützen können.
Getragen wird das Projekt Scylight von 14 ESA-Mitgliedstaaten. Neben Luxemburg sind das Österreich, Kanada, die Tschechische Republik, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Norwegen, die Niederlande, Rumänien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich.
Natürlich sei es schwer, den Menschen, die sich gerade mit Problemen wie dem Coronavirus oder der Rezession beschäftigen, die Bedeutung solcher Forschung zu erklären, sagt Harpes. Diese sei jedoch nicht zu unterschätzen.
Kommunikations-Schild
ScyLight ist ein Teil des Artes-Programms der ESA, das Luxemburg bereits seit 2000 unterstützt. Artes steht für „Advanced Research in Telecommunication Systems“ und dient der Erforschung fortschrittlicher Telekommunikationssysteme. Das derzeitige ScyLight-Projekt soll 2021 abgeschlossen werden. Im Luxemburger Weltraum-Aktionsplan heißt es dazu: „Dieses Projekt wird die SES in die Lage versetzen, kryptografische Kapazitäten im Rahmen des ‚Quantum Communication Infrastructure‘-Programms (QCI) der Europäischen Union anzubieten.“
Ziel der QCI-Initiative ist laut der Europäischen Kommission, einen „Kommunikations-Schild“ aufzubauen, der die Wirtschaft und die Gesellschaft vor Cyber-Bedrohungen schützt. Quanten sollen eine hochsichere Form der Verschlüsselung ermöglichen. Dafür soll Infrastruktur sowohl auf der Erde wie auch im Weltall dienen. „Wir werden diese Technik benutzen, sobald sie ausgereift ist“, sagte eine Sprecherin der SES gegenüber dem Tageblatt.
Bei den Bemühungen in Sachen Quantenkryptografie geht es auch darum, Standards zu setzen und sich nicht international abhängen zu lassen. Bei Quantencomputern haben US-Unternehmen wie IBM und Google derzeit einen Vorsprung. Auch chinesische Wissenschaftler forschen in diesem Bereich und jenem der Quantenkryptografie.
Die Mitgliedstaaten hatten der ESA zuletzt für das Jahr 2020 zu einem Rekordhaushalt von 6,68 Milliarden Euro verholfen. Die zuständigen Minister aus den Mitgliedsländern und Beobachter der EU hatten sich im vergangenen November im spanischen Sevilla getroffen, um die Zukunft der europäischen Raumfahrt zu diskutieren, und den Weg für das Budget freigemacht.
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