Walfer Bicherdeeg 2021 / Luxemburger Verlegerin: „Es ist ein extrem wichtiges Ereignis für die hiesige Bücherszene“
Bei Verlegern wie Besuchern war die Erleichterung, dass die „Walfer Bicherdeeg“ wieder stattfinden konnten, deutlich zu spüren. Dabei ging es ruhiger als in den Jahren davor zu.
Das wichtigste Luxemburger Literaturevent hat sein Comeback gefeiert. Nachdem die „Walfer Bicherdeeg“ 2020 pandemiebedingt ins Wasser gefallen waren, konnten sich dieses Jahr Bücherfreunde aller Couleur wieder in der Gemeinde nördlich der Hauptstadt begegnen – und zwar bei Lesungen, vor den aufgestellten Foodtrucks oder auch auf dem Secondhand-Büchermarkt in der „Halle 1“. Das zweitägige Programm war üppig und buntgemischt, ein Schlaglicht wurde diesmal auf die Kinder- und Jugendliteratur geworfen. Also alles wie gehabt? Nicht ganz, denn dass es wegen Corona nach wie vor besondere Regeln einzuhalten galt, machten nicht zuletzt die logistischen Anpassungen wie zum Beispiel die Absperrseile entlang des Wegs durch die Hallen deutlich. Davon einschüchtern ließen sich die Messeteilnehmer jedoch nicht, auf dem Gelände herrschte gute Stimmung.
„Ich bin froh, dass die ,Walfer Bicherdeeg‘ wieder stattfinden können, es ist ein extrem wichtiges Ereignis für die hiesige Bücherszene“, sagte Anne-Marie Reuter, Chefin von Black Fountain Press. Ihr Verlag ist noch vergleichsweise jung, 2017 gegründet, spezialisiert auf englischsprachige Literatur „made in Luxembourg“. An den „Walfer Bicherdeeg“ hat die Verlegerin seit der Entstehung von Black Fountain Press jedes Jahr teilgenommen. „Jeder, der sich für Bücher interessiert, ist hier – Verleger, Autoren, aber auch Leser.“
Diesen persönlichen Kontakt schätzt die Verlegerin: „Die Leser lernt man hier kennen.“ Für den Vertrieb sei das Wochenende zentral, erklärte sie. Möglicherweise jetzt mehr denn je, denn in der Pandemie sei es schwierig gewesen, Bücher zu verkaufen. Ohnehin habe gerade Luxemburger Literatur in Luxemburg einen schweren Stand, denn sie müsse mit der ausländischen Literatur konkurrieren. „Die Messe ist deswegen der Moment, in dem man eine Begeisterung für luxemburgische Bücher schaffen kann.“ Die „Walfer Bicherdeeg“ würden den Verlagen eine Gelegenheit bieten, ihre Neuerscheinungen vorzustellen. Das sei sehr wichtig, damit man öffentlich über die Bücher rede.
Ob sich diese Ausgabe denn sehr von den vorherigen unterscheide? „Es sind definitiv weniger Leute da“, sagte die Verlagsleiterin am ersten Tag der Veranstaltung. Neben Corona sei hierfür aber auch vielleicht das gute Wetter verantwortlich. „Meiner Erfahrung nach sind sonntags aber ohnehin mehr Leute da als samstags“, so Reuter.
Ein etwas anderer Text
Ein besonderes Buchprojekt wurde am Samstag bei einer Lesung mit dem Schauspieler André Jung vorgestellt: Romain Feltgens Autobiografie „Halbes Leben“. In dem Text, bei dessen Veröffentlichung die Vereinigung „Mathëllef asbl.“ mitwirkte, blickt der 1962 geborene Luxemburger auf seine bewegte Vergangenheit zurück: seine Flucht aus einer Erziehungsanstalt, den Kopfschuss, den er wenig später bei einem Einbruch erlitt und seine folgende Odyssee durch verschiedene Institutionen.
Feltgen signierte am Samstag Buchexemplare neben dem Stand von „Édtions Guy Binsfeld“. Die Vorstellung am Morgen sei „super“ gelaufen, auch wenn bei ihm dabei keine großen Emotionen hochgekommen seien, erzählte der Autor. Von Dan Kolber, der das Buchprojekt mit betreute, hieß es, dass kurz vor der Lesung auf einen größeren Saal zurückgegriffen werden musste, weil mehr Zuhörer gekommen seien als geplant.
Über das Buch sagte der Autor: „Den Text habe ich spontan geschrieben, wie er mir in den Kopf kam.“ Vorgeplant habe er nichts. Eben das sei laut Kolber so erstaunlich. „Das Werk hat eine unglaubliche erzählerische Qualität, von der ich anfangs überrascht war und die von Romain selbst zu kommen scheint“, bemerkte der junge Mann. Immerhin kenne sich Romain nicht mit Literatur aus.
Kistenweise gebrauchte Bücher
Vor den Grabbeltischen ein Gebäude weiter tummelten sich am Samstagnachmittag doch schließlich die Besucher. Eine von ihnen war Uma, die wir kurz darauf auf dem Spazierweg neben der Halle trafen. „Es ist eine gute Atmosphäre hier“, so die 16-Jährige. Die „Walfer Bicherdeeg“ besuche sie, seit sie klein sei. Ihre Mutter, die als Lehrerin arbeite, habe hier nämlich immer Bücher gekauft. „Das hat Tradition bei uns“, sagte die Jugendliche. Mittlerweile komme sie aber meistens mit Freunden oder auch mit ihrer Schwester hierher. Ihre Hauptstation: der Secondhand-Büchermarkt.
Eine ganze Tüte voll Bücher hat sie diesmal gekauft, dabei sei „ein wenig von allem“. Dass es dieses Jahr ruhiger zugegangen ist, findet Uma nicht schlimm: „Das ist nicht unbedingt schlecht, dann wird man nicht so zerdrückt zwischen den Leuten.“ Für sie habe sich der Besuch jedenfalls gelohnt.
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