Serie / Luxemburgische Komponistinnen im Mittelpunkt: Nigji Sanges
Spotlight auf Musikerinnen aus Luxemburg: Das Tageblatt präsentiert in Zusammenarbeit mit „Musik und Gender in Luxemburg“ jeden Monat nationale Komponistinnen. Das neueste Porträt der neunteiligen Serie gilt Nigji Sanges: eine Komponistin, die international für Musikschaffende kämpft.
„In dieser Kultur, in meinem damaligen Umfeld, war immer und überall Musik“. Die italienisch-luxemburgische Komponistin Nigji Sanges wurde am 22. Februar 1984 in Kinshasa in der Republik Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) geboren, wo sie bis zu ihrem fünften Lebensjahr lebte. Auf Kinshasa folgten einige Monate des Reisens durch Japan und Europa, ehe sich die Familie in Luxemburg niederließ.
In der Grundschule hatte Nigji Sanges Blockflötenunterricht, begeisterte sich für das Instrument und wurde auf eigenen Wunsch hin von ihren Eltern am Conservatoire de la Ville de Luxembourg angemeldet, wo sie Kurse in Solfège (Fabienne Stephany-Krier und Romain Becker), Geige (Dominique Poppe-Giampellegrini), Klavier (Iglika Marinova), Kammermusik (Henri Foehr), Harmonielehre (Romain Becker) und Komposition (Alexander Müllenbach) belegte. Blockflöte studierte sie zunächst bei Johny Fritz, dem sie auch ihre ersten Kompositionsversuche zeigte, und später im Conservatoire du Nord bei Marion Michels.
Faszination Filmmusik
Ihre Kindheit war sehr von Filmen geprägt, vor allem von italienischen Klassikern wie die von Bernardo Bertolucci oder Federico Fellini. Die Musik von Ennio Morricone, Nino Rota oder Ryūichi Sakamoto zog Nigji Sanges in ihren Bann. Die Filmmusik der Fernsehserie Rivière Espérance von Bruno Coulais bezeichnet Sanges rückwirkend als „Auslöser dafür, sich für den Beruf der Filmmusikkomponistin zu entscheiden“. Durch ihren Vater, der gerne Opernarien hörte, kam sie in Berührung mit Giacomo Puccini und Giuseppe Verdi. „Die Oper“, so Sanges, „ist quasi die Vorgängerin des Films und der Filmmusik.“
Als prägend beschreibt Nigji Sanges den Unterricht bei Romain Becker, der ihre Leidenschaft für das Komponieren nicht nur wahr-, sondern auch ernst nahm und ihr im Rahmen des Harmonielehrekurses den Freiraum verschaffte, sich kompositorisch auszuprobieren. Ihre Begeisterung für Jazz entstand im Teenageralter; sie besuchte Kurse in Jazzharmonie und -komposition bei Gast Waltzing. Sie studierte zudem am Conservatoire à rayonnement régional in Metz Harmonielehre und Kontrapunkt (Barbara Clausse-Bardy) und am Conservatoire du 17e arr. in Paris Écriture (François Narboni) sowie Komposition und Musikanalyse (Eurydice Jousse).
Danach zog es Nigji Sanges ans Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Lyon, zu diesem Zeitpunkt einzige Conservatoire national supérieur in Frankreich, an dem Filmmusik unterrichtet wurde. Sie nahm Kurse in Harmonielehre, Kontrapunkt und Orchestrierung und verfolgte die Spezialisierung in Filmmusik. Am Royal College of Music in London studierte sie neben Filmmusik auch zeitgenössische Kompositionslehre. Die letzte Station ihrer Ausbildung war das Conservatoire national supérieur de musique et de danse de Paris, wo sie neben der neu gegründeten Filmmusikklasse (Post-Master) von Laurent Petitgirard auch Kurse in Orchestrierung und Elektroakustik belegte. Sanges lehrte anschließend am Conservatoire de la Ville de Paris (10e arr.) und seit 2021 am Conservatoire de la Ville de Luxembourg die Fächer Filmmusik, Komposition, Orchestrierung und Harmonielehre.
Hauptberuf Komponistin
In erster Linie ist Nigji Sanges jedoch als Komponistin tätig. Sie schrieb die Musik für den Spielfilm „La Mort viendra / Death Will Come“, ein Thriller von Christoph Hochhäusler (produziert von Heimatfilm, Amour Fou und Tarantula Belgique), der Anfang 2025 in die Kinosäle kommt. Dieser Film wurde 2024 für den internationalen Wettbewerb des Locarno-Film-Festivals ausgewählt und dort erstmals gezeigt. Hervorzuheben ist auch ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur Jacques Lœuille: Für sechs seiner Filme komponierte sie die Musik. Sein Dokumentarfilm „Birds of America“ kam 2022 in die Kinosäle. Fürs Fernsehen bestimmt waren „Modigliani et ses secrets“ (2020, ARTE) und „Rubens – Peindre l’Europe“ (2017, France Télévisions, TV5Monde), zwei Dokumentarfilme, die sich mit der Malerei befassen. Zu erwähnen sei ebenfalls Sanges’ Musik für den Stummfilm „Finis Terræ“ von Jean Epstein (1929), die im Rahmen des Filmkonzerts am 2. Juni 2022 im CAPE in Ettelbrück von den United Instruments of Lucilin uraufgeführt wurde.
Auch Musik für die Theaterbühne spielte in den letzten Jahren eine zunehmend wichtige Rolle. Für den Theaterregisseur Fábio Godinho schrieb Sanges die Musik zu „Erop“ von Romain Butti (Théâtre du Centaure, 2022), „Die Laborantin von Ella Road“ (Théâtre des Capucins, 2022; Staatstheater Mainz, 2023) und „A la Carabine“ von Pauline Peyrade (Théâtre du Centaure, 2023): „La fête foraine, les musiques de manèges qui s’affrontent et se confondent, les cris de foule sous adrénaline, des sirènes, toute sorte de sons stridents et bruyants. A la carabine, un coup sec et direct. La musique et les sons viennent percuter“, so die Komponistin über die Musik in dem Stück.
Mit dem englischen Theaterregisseur Richard Twyman arbeitete Sanges erstmals in diesem Jahr in „Stolen Ground“ von Anna Leader zusammen (Théâtre des Capucins, 2024). Weitere Theaterproduktionen sind derzeit in Arbeit, beispielsweise „The Beacon / Leuchtfeuer“ von Nancy Harris (Théâtre des Capucins; Staatstheater Mainz, 2025).
Im Bereich Konzertmusik hat Nigji Sanges bereits knapp zwei Dutzend Werke zu verzeichnen, wie Malambo für Soloklavier, das für David Kadouch geschrieben und 2019 beim Festival aux armes, Contemporains! in La Scala in Paris uraufgeführt wurde. Vor zwei Wochen wurde Malambo im Salon de Helen Buchholtz im Bridderhaus in Esch/Alzette erneut zur Aufführung gebracht, interpretiert von der Pianistin Béatrice Rauchs.
De Magia für Flöte, Klarinette, präpariertes Klavier, zwei Metronome, Schlagwerk, Violine, Bratsche und Cello, ein Auftragswerk vom Luxemburger Kulturministerium, wurde 2022 von der Kammerata Luxembourg im Trifolion in Echternach uraufgeführt. „Jedes Genre, jede Besetzung erfordert eine andere Herangehensweise. Es ist fast wie ein Berufswechsel“, so Sanges.
Engagement
Ihr Engagement für die Rechte von Komponistinnen und Komponisten führt dazu, dass Nigji Sanges im Verwaltungsrat der U2C (Union des compositrices et compositeurs de musique pour l’image) in Paris tätig ist. Sie vertritt die FLAC (Fédération luxembourgeoise des auteurs et compositeurs) im Beirat der Luxemburger Filmakademie und ist Mitglied der Académie des arts et techniques du cinéma (Académie des César). Nigji Sanges war Initiatorin einer Studie über Arbeitsbedingungen von Filmkomponist:innen, die 2023 veröffentlicht wurde und für die sie das Vorwort verfasste (Jade Tifiou: „Etude de l’impact des conditions de travail sur les compositrices et compositeurs de musique pour l’image“, FEED BACK 2023).
2024 war Nigji Sanges neben Tatsiana Zelianko Composer in Residence der zweiten Auflage des Salon de Helen Buchholtz, der vom 6. November bis 1. Dezember im Bridderhaus in Esch/Alzette stattfand. Im Rahmen der Cine Moments wurde hier der noch unveröffentlichte Film „L’épopée des femmes pirates, les filles du vent / Women Pirates“ von Laurence Thiriat und Frédéric Malègue (produziert von Goyaves und Amour Fou) gezeigt, in dem Sanges die Musik komponierte. „Femmes Pirates“ porträtiert vier bemerkenswerte Frauen des 18. und 19. Jahrhunderts, die patriarchale und koloniale Ordnungen aufrüttelten und auch die Sklaverei bekämpften.
Seit Neuestem ist Nigji Sanges auch auf der Internetseite mugi.lu (Musik und Gender in Luxemburg) vertreten, wo das vielfältige Schaffen der Komponistin erstmals in seiner ganzen Breite der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Über MuGi.lu
MuGi.lu (Musik und Gender in Luxemburg) ist ein Projekt der Universität Luxemburg, das 2022 in Zusammenarbeit mit dem CID | Fraen an Gender ins Leben gerufen wurde. MuGi.lu erforscht, sammelt und vermittelt Wissen über Musikschaffen mit besonderem Fokus auf Geschlechterverhältnisse und umfasst mittlerweile neun digitale Portale (www.mugi.lu). Das Portal zu Nigji Sanges enthält Musikaufnahmen, Fotos, Filmtrailer, Interviews mit der Komponistin und vieles mehr. (Kontakt: mugilu@uni.lu)
Über die Autorin
Noemi Deitz ist Musikwissenschaftlerin, -autorin und -redakteurin. 2024 wurde ihr Buch „Helen Buchholtz. Komponieren zwischen zwei Welten“ als elfter Band der Reihe „Europäische Komponistinnen“ bei Böhlau veröffentlicht.
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