Rundfunk / Luxemburgs Radiowelt soll digitaler werden: Ausschreibung für erstes nationales DAB-Ensemble gestartet
Jahrzehntelang war UKW (FM) der Radio-Standard schlechthin, doch jetzt steht das digitale DAB+ in den Startlöchern: Luxemburg hat den „Appel public“ für seinen ersten nationalen Multiplex lanciert. Im Gegensatz zu früher ist das Ländchen dabei nicht Vorreiter, sondern Nachzügler.
Während unsere belgischen und deutschen Nachbarn schon seit langem parallel zum bewährten UKW-Betrieb neue digitale Rundfunknetze aufbauten, herrschte im Großherzogtum DAB-Funkstille. DAB steht für Digital Audio Broadcasting und soll in der Version DAB+, so will es die EU, eines Tages UKW ganz ablösen.
Der „Service des médias, de la connectivité et de la politique numérique“ (SMC) hat jetzt die offizielle Ausschreibung für den nationalen DAB+-Multiplex im Kanal 7D (Frequenz: 194,064 MHz) gestartet. Die Kandidaturen sind bis zum 11. Oktober 2024 einzureichen. Die Frist ist kurz – noch sind Sommerferien –, diejenigen luxemburgischen Radiosender, die noch keine konkrete Planung in der Pipeline haben, müssen sich also sputen.
Erste Gehversuche machte Luxemburg Ende 2020 mit einem digitalen DAB+-Test-Multiplex. Das terrestrische Antenne-zu-Antenne-Radio wurde von den Sendern Düdelingen und Hosingen auf eben jenem Kanal 7D ausgestrahlt. Übertragen wurden unter dem Namen „LUX-NAT“ die Programme von Radio 100,7, RTL Lëtzebuerg, RTL Deutschland, Eldoradio, L’essentiel Radio, Radio Latina, Radio ARA sowie mehrerer Lokalradios. Die Tests waren aufschlussreich – aber das war’s dann erst einmal.
Lange Zeit „muxmäuschenstill“
Jetzt, nachdem auch Frankreich im Grenzgebiet DAB+ mit zahlreichen Programmen aufgeschaltet hat, steht Luxemburg unter Zugzwang, seinen technisch bereitstehenden Mux (Multiplex) auf 7D endlich „richtig“ in Betrieb zu nehmen und damit seiner „Feuille de route DAB+“ von 2023 Taten folgen zu lassen.
Der technische Rahmen der Ausschreibung sieht vor, dass bis zu zwölf Programme in den Kanal „gepackt“ werden können. Das ermöglicht ein größeres nationales Programmangebot als auf den UKW-Frequenzen. Vorteil Vielfalt demnach für DAB+. Als wichtigstes Versorgungskriterium wird „ein guter mobiler Empfang“ mit einem entsprechenden Mindestsignal genannt. Kriterien für den Indoor-Empfang (wichtig in Sachen Krisensicherheit) stehen allerdings nicht in dem Dossier und hier dürfte UKW bis auf Weiteres Vorteile behalten. Wie auch im Empfang über größere Distanzen: RTL und 100,7 sind in Sachen „Overspill“, also wie weit ein Programm ins benachbarte Ausland reicht, auf UKW den konkurrierenden Programmen bislang weit voraus. Sollte eines Tages UKW abgeschaltet werden, wird DAB+ die verschiedenen Anbieter technisch „gleicher“ machen – eine veränderte Konkurrenzsituation ergibt sich daraus: RTL und 100,7 verlören an überregionaler Reichweite, die regionalen Radios gewännen national hinzu und wären ihren uneinheitlichen UKW-„Flickenteppich“ los.
Der Digitalisierungsplan sieht vor, dass die zwei bekannten Senderstandorte Düdelingen und Hosingen zusammen mit dem neuen Standort Napoléonsgaart das Grundgerüst der DAB-Versorgung des Landes bilden. Broadcasting Center Europe (BCE), die Technik-Tochter der RTL-Gruppe, wird wohl wichtigster Anlagenbetreiber sein. In „Phase eins“ müssen die ausgewählten Programmanbieter spätestens sechs Monate nach Erhalt ihrer Lizenz auf Sendung gehen. In Phase zwei werden dann sog. „Sites de confort“ – Füll- bzw. Ergänzungssender – das Sendegebiet vervollständigen. Dies soll bis spätestens 18 Monate nach Erhalt der jeweiligen Lizenz geschehen.
Zunächst wohl altbekannte Bewerber
Als Kandidaten für diesen nationalen Multiplex kommen die „üblichen Verdächtigen“ infrage. RTL dürfte zwei, wenn nicht drei Programmplätze beanspruchen, Radio 100,7 hat einen öffentlichen Versorgungsauftrag und wird dort vertreten sein. Hinzu kämen, sofern sie die Kriterien erfüllen, die quasi-nationalen Radios „à réseau“, also Eldoradio, L’essentiel Radio, Latina und Radio ARA. Ob darüber hinaus alle zwölf möglichen Programmträger genutzt werden – z.B. mit dem einen oder anderen Spartenprogramm, wie im Ausland schon üblich – bleibt abzuwarten.
In einer dritten Phase sieht die Digitalradio-Roadmap dann die Ausarbeitung eines zweiten Multiplex vor, auf dem die Kleinsten, die Lokalradios, Platz erhalten sollen. Denn der Betrieb von DAB+ in Eigenregie würde die finanziellen Möglichkeiten der Lokalen, die nur geringe oder gar keine Werbeeinnahmen haben, deutlich übersteigen. Digitalfunk-Tests auf lokaler Ebene gab es bereits im Raum Medernach/Gilsdorf.
Auf der großen Bühne ist eines klar: „Platzhirsche“ wie RTL Lëtzebuerg besitzen aufgrund ihrer angestammten Vorteile auf UKW, das noch immer viel genutzt wird, einen großen Teil des Werbekuchens und werden ihre analoge Verbreitung nicht so schnell aufgeben. Sie müssen allerdings beim Abenteuer DAB+ mitmachen, wenn sie nicht Terrain an andere preisgeben und auf der Höhe der Zeit bleiben wollen. Die regionalen Mitbewerber können aus dem neuen Radiostandard Nutzen ziehen – vorausgesetzt, Digitalradio gewinnt schnell an Bekanntheit und Hörerschaft. Denn gerade die „Kleineren“ werden sich aus Kostengründen nicht allzu lang einen analog-digitalen Doppelbetrieb (Simulcast) leisten können. Die nächsten Jahre werden diesbezüglich also äußerst spannend.
Die DAB+-Ausschreibung im Web: https://smc.gouvernement.lu/fr/dossiers/dab/dab.html
DAB+ und UKW: Die Vor- und Nachteile
Sendetechnik: Auf UKW (FM) benötigt jedes Programm, ob nun RTL, Eldoradio, SWR1 oder France Musique, einen separaten Sender auf einer bestimmten Frequenz zwischen 87,6 und 107,9 MHz. DAB+ bietet mehr Platz: 38 Kanäle zwischen 174 und 240 MHz, von 5A bis 13F. Jeder Kanal kann einen Multiplex mit gleichzeitig acht bis zwölf oder mehr Programmen aufnehmen. Wie bei UKW braucht man je nach Größe des Versorgungsgebiets mehrere Sender, nur können diese digital alle im selben Kanal arbeiten. So entfällt der auf UKW bei längeren Autofahrten übliche Frequenzwechsel, um „sein“ Programm weiterhin zu hören. Moderne Autoradios erkennen allerdings schnell den Namen des gewünschten Programms und „switchen“ so spielerisch zwischen UKW und DAB+, dass man es kaum merkt.
Sound: Der Klang eines Radioprogramms in DAB+ ist nicht, wie die Werbung verheißt, automatisch besser als auf UKW. Dies hängt vielmehr von Bitrate und Soundprocessing ab. Manche Programme klingen brillant, andere werden so stark komprimiert, dass der Klang schlechter ist als analog.
Reichweite: Diese hängt wie bei UKW von Senderstandorten und -leistungen ab. Bei ausreichendem Signal empfängt man DAB-Programme in gleich bleibender Stereo-Qualität, etwa einem starken UKW-Empfang entsprechend. Wird das Signal aber zu schwach, in tiefen Lagen oder Gebäuden, verstummt das Digitalprogramm völlig. Nicht so auf UKW, wo das Programm dann rauscht oder knistert, die Inhalte aber auch im ersten Untergeschoss der Tiefgarage noch zu verstehen sind: Das analoge Radio erweist sich als krisenfester. UKW bietet auch mehr Overspill, also brauchbaren Empfang (bei günstiger Frequenz) weit über das „eigentliche“ Sendegebiet hinaus.
DAB+ hat seine Stärke in der breiteren Programmpalette, die innerhalb eines Landes/einer Region angeboten werden kann.
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