Porträt / Luxemburgs zukünftiger Minister für Soziale Sicherheit Claude Haagen: Der Mann mit dem Überblick
Gleich drei Minister geben ihren Posten auf. Damit beginnt das Stühlerücken in der Luxemburger Politik. Die Ministerien für Soziale Sicherheit und Landwirtschaft übernimmt der Nordabgeordnete und Diekircher Bürgermeister Claude Haagen (59). Wer ist der Mann, der früher Tore für Luxemburg geschossen hat?
Claude Haagen ist leicht zu erkennen. Er ist oft der größte im Raum. Auf vielen Fotos aus dem Zeitungsarchiv überragt er die Menschen, die neben ihm posieren, um einen Kopf. Haagen mag es casual. Oft sieht man ihn mit Hemd und Sakko. Die Krawatte sucht man bei ihm meist vergeblich, und der letzte Knopf am Hemd bleibt oft offen. Wenn man sich nach Claude Haagen erkundigt, kriegt man drei Antworten: Er hat Handball gespielt, er hat in der Schule unterrichtet und er ist der Bürgermeister von Diekirch. In umgekehrter Reihenfolge also …
Ein erstes Mal war Claude Haagen von 2001 bis 2005 Bürgermeister von Diekirch. Sein Comeback feierte er 2011. Heute stellen Haagen und seine LSAP die absolute Mehrheit in Diekirch – eine Stadt, die wie viele Orte in den letzten zwei Jahrzehnten einen enormen Wandel durchlebt hat. Diekirch ist gleichzeitig der Ort, an dem Haagens politische Karriere begonnen hat, als er 1994 in den Gemeinderat einzog, nur ein Jahr nachdem er als 31-Jähriger der Sozialistischen Partei beigetreten war.
Eines der Projekte, die Haagen dort auf Trab gehalten haben, ist die Fusion seiner Gemeinde mit vier Nachbargemeinden (Schieren, Ettelbrück, Erpeldingen/Sauer und Bettendorf). Wenn Haagen darüber mit der Presse spricht, dann zeigt sich immer wieder, dass er ein Realist ist. In einem Gespräch mit dem Tageblatt 2018 etwa zeigte Haagen sich als großer Unterstützer der Fusion, mahnte aber gleichzeitig, die rosarote Sonnenbrille sei fehl am Platz. Im Gespräch mit dem Land vom April spricht Haagen über die finanziellen Herausforderungen eines solchen Unternehmens, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu lassen.
2020 setzte Haagen ein Zeichen, indem er den Hebesteuersatz der Grundsteuer seiner Gemeinde für die Klasse B6 (Baugrund für Wohnzwecke) von 750 auf 15.000 Prozent anhob. Damit wollte der Bürgermeister in der aktuellen Wohnungskrise nicht klein beigeben und erreichen, dass sich die Besitzer von brachliegendem Bauland ernsthaft Gedanken darüber machen, ob sie ihre Bauplätze weiter unbebaut lassen oder nicht, wie er damals im Gespräch mit dem Tageblatt sagte.
Einsatz für Demokratie
Seit 2009 sitzt Haagen für die LSAP in der Chamber. Dort fungierte er oft bei wichtigen Gesetzen als „Rapporteur“. Etwa beim Haushalt 2016 oder auch beim Gesetz über die Kirchenfabriken. Auch innerhalb der Partei machte Haagen Karriere. 2014 trat er die Nachfolge von Alex Bodry als Parteipräsident der LSAP an. 2019 trat er den Vorsitz an Franz Fayot – den heutigen Wirtschaftsminister – ab.
Eine etwas ungewöhnliche Rolle übernimmt Haagen, wenn er für die OSZE als Wahlbeobachter unterwegs ist. Zusammen mit Josée Lorsché („déi gréng“) und Gusty Graas (DP) nahm er etwa 2020 als Beobachter an den Wahlen in den USA teil. Vor wenigen Tagen noch twitterte er Fotos aus Kirgistan, wo er die dortigen Nationalwahlen beobachtete.
Vor seiner politischen Karriere hatte Haagen eine Karriere als Lehrer anvisiert. In Nancy und Straßburg studierte er Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, um danach im Gymnasium in Ettelbrück zu unterrichten. In einem Interview mit dem Wort brachte Haagen seine guten Erinnerungen an die französische Küche, den Wein, den Käse und die Menschen dort zum Ausdruck. Mit Luxemburgern habe er sich dort nicht viel aufgehalten, sondern mit Franzosen gelebt, berichtete Haagen.
In der Welt des Sports ist Haagen als ehemaliger Handballer und als langjähriger Präsident des Leichtathletikverbandes FLA bekannt. In jungen Jahren (ab 1982) hatte Haagen für die Handballnationalmannschaft bei internationalen Wettbewerben Tore geschossen. Den Vorsitz des Leichtathletikverbandes hatte Haagen sieben Jahre lang inne, bevor er diesen an eine andere Politikerin – Stéphanie Empain – abgab.
Wie am Dienstag angekündigt wird Claude Haagen das Ministerium für Soziale Sicherheit und das Landwirtschaftsministerium übernehmen. Start nächstes Jahr.
„Der Mann mit dem Überblick“
Haalt dach op mat dém Scheinschwätzen.
D’Vollek huet d’Vertrauen an d’Politiker verluer.
Eigentlech hun ech och den Iwerbléck:nämlech gesin ech,dass alles d’Baach erofgeht.
“ Der Mann mit dem Überblik“ ? Hatte er jedenfalls als Parteipräsident und FLA Vorsitzender nicht. Schneider wird kaum oder nur sehr schwer zu ersetzen sein.