/ Luxus pur und Schneckenzucht: Das Hotel Clesse war jahrelang eine Institution in Luxemburg
Kostenloses WLAN ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit in Hotels. Vor wenigen Jahren hingegen war der Internetzugang in Hotels noch eine Seltenheit oder zumindest mit hohen Kosten verbunden. Um 1900, zur Belle Époque, als weder Computer noch Internet existierten, galten Strom, fließendes Wasser oder gar ein Aufzug als Luxus in Hotels. Das Hotel Clesse am hauptstädtischen Bahnhof war eines der Etablissements, die damals die Kundschaft mit besonderer Ausstattung zu verwöhnen wussten.
Von André Feller
Am Silvesterabend 1895 eröffnete das Hotel Clesse seine Türen. Die Witwe Anne Lamarle-Clesse, im Volksmund bekannt als „Clessen Anna“, unermüdlich und dynamisch, leitete das luxuriöse Hotel mit 40 Zimmern. Für die Planung beauftragte die Hotelbesitzerin keinen Geringeren als den Architekten Pierre Funck; bekannt unter anderem für den Bau der Champagnerfabrik Mercier, des Konvikts oder des hauptstädtischen Casinos in der „Ënneschtgaass“. Während des Neubaus, der in nur wenigen Monaten fertiggestellt war, führte die Gastgeberin ihr Unternehmen im ehemaligen Hotel Becker fort.
Der Journalist Jean-Nicolas Moes, Redakteur der damaligen Wochenschrift Luxemburger Land in Wort und Bild, beschrieb das Hotel kurz vor der Eröffnung: „Ein hübscher Platz vor dem Hotel ist durch eine steinerne kostbare Balustrade abgeschlossen. Hinter dem Hotel befinden sich in einem an den Hauptbau gefügten Nebenbau die Aborte und Badezimmer, die für jedes Stockwerk eingerichtet und mit allem erdenklichen Komfort der Neuzeit, wie man ihn nur in Großstädten in Hotels allerersten Ranges findet, ausgestattet sind.“ Wie man der Beschreibung entnehmen kann, war das Interieur sehr vornehm gestaltet, Moes berichtet von prächtigen Restaurations- und Cafésälen, kostbaren Ledertapeten, dekorativ gehaltenen Plafonds und skulptiertem Mobiliar. Die Glas-Salons der Veranda boten Platz für jeweils 40 bis 50 Gäste. Heute unvorstellbar, war die Aussicht der offenen Terrasse auf dem zweiten Stockwerk, die freie Sicht bis auf den Howald, Bonneweg und Itzig bot.
Die Gebäudetechnik war für damalige Verhältnisse eine wahre Errungenschaft: „Der ganze Bau wird durch Zentraldampfheizung geheizt; ein eigener Motor sorgt für elektrische Beleuchtung in allen Stockwerken bis zu den Mansarden hinauf“, schrieb Moes. Werbepostkarten und Faltblätter wiesen zudem auf eine Garage für Fahrzeuge sowie auf einen Aufzug hin, zudem gab es in den Fremdenzimmern fließendes warmes und kaltes Wasser. Zweifelsohne gehörte das gastronomische Angebot zu dem der gehobenen Klasse: „Eine sehr interessante Sehenswürdigkeit des Hauses, wie es keine zweite im Lande geben dürfte, ist die hinter dem Hotel in dem dazugehörigen, immensen Gemüsegarten von Herrn Aug. Lamarle installierte Schneckenzüchterei, die augenblicklich 35.000 Schnecken, und zwar von den leckeren Weinbergschnecken enthält“, heißt es in dem Artikel.
Der Besitzer der Züchterei galt mit seiner langjährigen Erfahrung in den „größten Hotels“ Amerikas als ein Meister in seinem Fach. Für Reisende, Einheimische, Touristen und Vereine war das Hotel von „Clessen Anna“ ein unumgänglicher Ort. Eine Kehrtwende in der Erfolgsgeschichte des Luxushotels am Bahnhof erfolgte 1937. Am 28. Juni 1937 berichtete das Tageblatt über den Verkauf des Hotels an ein Finanzkonsortium. Dieses beabsichtigte den Bau eines Kinos mit 1.400 Sitzplätzen. Ein Teil des Etablissements sollte dem Bau des Kinos mit Restaurant weichen, der Hotelbetrieb im Gebäude zur Fort-Neipperg-Straße hin sollte fortgesetzt werden. So weit das Vorhaben der neuen Eigentümer.
Wenige Monate später berichtet das Tageblatt am 19. November 1937 von einem erneuten Verkauf. Zwischen dem Finanzkonsortium und den Betreibern der bestehenden Kinos im Bahnhofsviertel entfachte das geplante Bauvorhaben eine „heftige Zeitungsfehde“. Das Konsortium veräußerte das Hotel zum Preis von zwei Millionen Franken an Herrn Reckinger, den Besitzer des „Cinéma Capitole“. Mit dieser Transaktion war der Bau eines weiteren Kinos am Bahnhofsplatz ausgeschlossen. Am 9. Dezember 1938 berichtete das Tageblatt über den Abriss der prächtigen Terrasse, dies im Rahmen der Neugestaltung des Bahnhofsplatzes. Wie man einem weiteren Artikel vom 30.10.1939 entnehmen kann, wurde das Hotel renoviert und der Cafébetrieb wieder aufgenommen. 1940 schloss das Hotel seine Türen, das Gebäude wurde 1970 abgerissen.
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