Bericht zu Gender und Gesundheit / Männer sterben früher, Frauen arbeiten mehr
Männer gehen nie zur Vorsorgeuntersuchung, Frauen leben länger: Was ist dran an diesen Gesundheitsmythen? Der thematische Jahresbericht des „Observatoire de l’égalité entre les genres“ gibt Aufschluss.
„Il est important de mesurer afin de pouvoir améliorer“, wird Yuriko Backes, Ministerin für Gleichstellung und Diverstität, zitiert. Die Aussage fällt im Vorwort des thematischen Jahresberichts 2023 des „Observatoire de l’égalité entre les genres“, der am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Im Mittelpunkt stehen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im Gesundheitsbereich. Wer eine tiefgründige Analyse erwartet, wird allerdings enttäuscht – der Bericht vermittelt vor allem Grundinformationen, zum Großteil basierend auf Zahlenmaterial verschiedener Quellen aus den Jahren 2019 bis 2021.
Daraus geht beispielsweise hervor, dass mehr Männer (13 Prozent) als Frauen (9,7 Prozent) täglich Zigaretten rauchen oder zu Alkohol greifen (Männer: 11,5 Prozent; Frauen: 6,2 Prozent). Männer haben zudem häufiger ein überdurchschnittliches Gewicht und bei der Geburt eine niedrigere Lebenserwartung als Frauen (Männer: 80,5 Jahre; Frauen: 84,4 Jahre). Im Alter bleiben diese Unterschiede bestehen.
Letzteres ist u.a. darauf zurückzuführen, dass Frauen sowohl Vorsorgeuntersuchungen als auch allgemeinmedizinische Beratung öfter beanspruchen als Männer. 470 Todesfälle von Männern (Frauen: 201 Todesfälle) hätten durch Vorsorge und 167 (Frauen: 129 Todesfälle) durch eine adäquate Behandlung verhindert werden können.
Suizidrate bei Männern höher
So sterben Männer auch häufiger an Krebs und Herzerkrankungen, während Frauen kardiovaskuläre Krankheiten im Vergleich öfter das Leben kosten. Männer erleiden hingegen mehr Arbeitsunfälle (1.977), die eine mehrtägige Krankschreibung erfordern. Der Bericht greift zudem auf, dass die Suizidrate bei Männern höher ist als bei Frauen. Dafür sind Frauen am häufigsten von häuslicher Gewalt jeder Form betroffen.
Im Gesundheitsbereich herrschen jedoch auch auf professioneller Ebene Unterschiede: Frauen stellen 75 Prozent der Angestellten im Gesundheits- und Pflegesektor. Gleichzeitig verdienen sie in allen Berufssparten weniger. Ein Beispiel: In den „professions intellectuelles et scientifiques“ erhalten Frauen im Schnitt ein Jahresgehalt von 72.789 Euro; Männer hingegen eines von 100.033 Euro. Interessant ist, dass dennoch mehr Frauen als Männer Studien im Gesundheitsbereich absolvieren. Noch dazu sind sie stärker von beruflichen und privaten Konflikten betroffen, sprich von der Sorge um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies ist nicht zuletzt eng mit der Tatsache verbunden, dass Frauen neben ihrem bezahlten Job nach wie vor in vielen Haushalten den Großteil der unbezahlten „Care“-Arbeit übernehmen.
„Des inégalités entre femmes et hommes dans le domaine de la santé existent“, heißt es demnach im Fazit zum Bericht. Es folgt der Aufruf zum politischen Gender Mainstreaming (Verpflichtung, bei allen Entscheidungen die unterschiedlichen Auswirkungen auf Geschlechtsidentität zu bedenken, d.R.): Genderfragen müssten im gesamten Verlauf von Entscheidungsprozessen mitgedacht werden – von der Bestimmung der Prioritäten bis hin zur Konzeption von Programmen zur Förderung der „santé publique“.
Konzentriert sich der aktuelle Bericht auf Frauen und Männer, verspricht das Ministerium für Gleichstellung und Diversität demnächst die Veröffentlichung einer intersektionalen Studie zum Thema – hierfür gab es die Studie „Gender inequalities in health“ beim Luxembourg Institute of Health in Auftrag. Diese läuft seit Februar dieses Jahres und soll im Dezember abgeschlossen sein.
„Dans le cadre de l’analyse des inégalités de santé, à côté des différences dues au sexe, aux facteurs biologiques tels que les gènes et les hormones, il faut considérer le genre, qui fait référence aux rôles, comportements, expressions et identités socialement construits des filles, des garçons, des femmes, des hommes, dans toute leur diversité“, wird die Notwendigkeit der Studie im Bericht erklärt. Auch das Alter, der Bildungsgrad und das sozioökonomische Umfeld seien in dem Kontext relevant, denn all diese Faktoren würden sich auf die Risiken auswirken – auf diejenigen, denen Patientinnen und Patienten ausgesetzt sind und auf jene, die sie zur Gesundheitsversorgung bereit sind, einzugehen.
Auf Nachfrage des Tageblatt stellt sich allerdings heraus, dass sich die Studie ebenfalls auf ein binäres Geschlechtsmodell bezieht und nicht binäre sowie Trans-Identitäten ausschließt. Dies werde sich jedoch in Zukunft ändern: Das „Observatoire“ solle in Zukunft Daten zu nicht binären Personen erheben, auch die Datensammlung zu Trans-Menschen werde bald mit eingeschlossen. „Das ist für uns selbstverständlich und entscheidend“, so eine Sprecherin des Ministeriums.
- „Gladiator II“ knüpft an einen Filmklassiker an, doch gelingt die Fortsetzung? - 25. November 2024.
- Im Nahen Osten droht Trump’sches Chaos - 25. November 2024.
- Max Verstappen: Weltmeister in Las Vegas - 25. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos